Schräges und Provokatives. Auf Glas gemalt oder einfach auf Papier. Fünf Tage lang zeigen Frauen aus aller Welt ihre animierten Kurzfilme. Jury-Mitglied Franziska Bruckner erzählt.
Frauenpower. Das diesjährige Tricky Women Festival ist am 6. März in eine neue Runde gegangen. Und das auch mit einer Veränderung. Die neue Location ist das Haydn Kino. Dort werden nicht nur 138 Werke von Kunstfilmerinnen gezeigt, sondern auch Workshops und Diskussionen rund um’s Thema Animationsfilm angeboten. Dieses Jahr wird ein Blick in die mexikanische, iranische und spanische Animationsfilmszene geworfen. Am Ende des Festivals werden die Sieger gekürt. Bei den vielen Projekten fällt das Beurteilen aber oft sehr schwer. Wir haben mit Franziska Bruckner, einem Jury Mitglied gesprochen. Sie erzählt, warum es sich lohnt, das Festival zu besuchen und was sie besonders an einem Film berührt.
Auf was legt man als Jury besonders wert? Wie kann man sich Pluspunkte erfilmen?
Da eine Jury immer aus Individuen mit unterschiedlichen Vorstellungen von Vorlieben besteht, gibt es keine Rezeptur, auf die Filmemacherinnen zurückgreifen könnten oder sollten. Natürlich spielen Kriterien wie Originalität in Bezug auf Dramaturgie, Bild- und Tonebene etc. eine Rolle: Wenn mehrere Filme ähnliche Themen oder technische Experimente aufgreifen, stechen die einzelnen Arbeiten schließlich nicht so hervor, wie sie es vielleicht verdient hätten.
Bei den Jurysitzungen stehen am Ende des Auswahlprozesses meist drei bis vier sehr unterschiedliche Werke im Mittelpunkt der Diskussion. Filme, die aufgrund ihrer Machart und ihrer Thematik kaum miteinander vergleichbar sind. Daraus einen Sieger zu küren, fällt dementsprechend schwer.
Gibt es irgendwas, das sie persönlich nervt an der Filmentwicklung? Dinge die immer wieder vorkommen? Trends, die in die falsche Richtung gehen?
Generell nerven mich Kurzfilme, die zu lange geraten sind. Wenn beispielsweise eine anfangs interessante Idee, die drei bis vier Minuten gut füllen könnte, zehn Minuten lang durchexerziert wird.
Anders als beim analogen Animationsfilm, bei dem im vorhinein viel mehr geplant werden musste, ist es schließlich mit den digitalen Techniken einfacher möglich viel Material zu generieren, ohne gleich auf den Punkt kommen zu müssen. Man muss aber dazu zwei Dinge anmerken: Oftmals hängt es mit der Positionierung einer Arbeit innerhalb eines Kurzfilmprogramms zusammen, wie viel Aufmerksamkeit man etwa einem minimalistischen, abstrakten Film noch widmen kann.
In experimentellen Animationsfilmen ist zudem oft so viel Information verpackt, dass diese erst bei der zweiten oder dritten Sichtung zu dechiffrieren ist.
Gibt es schon ein Highlight bei Tricky Women 2013, auf das sie sich am meisten freuen
Neben den vielen spannenden Filmprogrammen freue ich mich besonders auf die „Best Practice“- Lectures von LIA, Signe Baumane und Lourdes Villagómez. Dieses Format wird von Tricky Women bereits seit einigen Jahren angeboten und die Vorträge der Filmemacherinnen über ihre Arbeitsprozesse sowie ihre Erfahrungen im Filmindustrie- bzw. Kunstkontext waren bisher immer sehr vielseitig und inspirierend.
Ebenfalls gespannt bin ich auf die Ausstellung „Animate it!“ in der Kro Art Contemporary, in der bildende Kunst und Animation im Ausstellungskontext zusammentreffen.
Was sind die Vorteile eines Animationsfilms? Was gefällt Ihnen besonders an Trick- oder Animationsfilmen?
Eine Freiheit des Animationsfilms ist es, Ideen genau so darzustellen wie sie einem vorschweben, egal wie abstrakt, surrealistisch, idealistisch oder konkret diese sein mögen. Ein weiterer Vorteil entsteht durch die Vielfalt der Animationstechniken – beispielsweise Stop-Motion, Zeichentrick oder Computeranimation – mit denen die Filmemacherinnen und Filmemacher die zum Thema passende Bildsprache etablieren und damit unterschiedlichste künstlerische Handschriften entwickeln können. Genau diese unterschiedlichen Ansätze und Gestaltungsmöglichkeiten machen den Animationsfilm als Kunst- und Filmgattung so spannend!
Und Nachteile?
Der gravierendste Nachteil ist mit Sicherheit der zeitliche Aufwand, der bei der Entstehung des Animationsfilms ansteht. Oftmals arbeiten Filmemacherinnen und Filmemacher ein Jahr oder länger um einen Kurzfilm zu vollenden.
Wieso nur Frauen? Wegen der Emanzipation?
Große Animationsfilmfestivals wie Fantoche in Baden/ Schweiz, das internationale Trickfilm-Festival in Stuttgart oder das International Animated Film Festival in Annecy/ Frankreich decken unterschiedliche Schwerpunkte ab. Ein Festival mit einem Frauenfokus ist mir allerdings – zumindest im europäischen Raum – nicht bekannt. Diesem Alleinstellungsmerkmal ist es eventuell auch zu verdanken, dass namhafte Größen der Animationsfilmszene wie Caroline Leaf, Jayne Pilling oder Signe Baumane regelmäßig zu Gast bei einem vergleichsweise kleinen Festival wie Tricky Women sind. Betrachtet man außerdem die Geschichtsschreibung des Animationsfilms, ist die Dominanz der männlichen Kollegen immer noch sehr auffällig. Die Stärkung von Animationsfilmemacherinnen durch dieses Festival ist daher für mich allein aus kulturpolitischer Sicht begrüßenswert.
Wieso sollte man zu Tricky Women gehen? Ein paar gute Gründe?
Um einen Einblick in die Vielfalt der Animation abseits von Mainstream-Spielfilmen und Kinderserien zu bekommen.
Um Produktionen aus Lateinamerika und dem Iran zu sehen, die aktuelle Themen und Problematiken dieser Länder aufgreifen.
Um Wissen und Erfahrungen mit international renommierten Animationsfilmemacherinnen und Künstlerinnen auszutauschen.
Um die Schnittmenge von bildender Kunst und Film im Kino- und im Ausstellungskontext zu erleben.
Um viele lustige, bezaubernde und berührende Animationsfilme in unterschiedlichsten Programmen zu sehen.
Was muss ein Film für Sie haben, um sie zu berühren, zu fesseln, etc.?
Leider kann ich keine fixen Kriterien nennen, da mich sehr unterschiedliche Filme ansprechen. Manches mal berührt mich vor allem die Geschichte eines Filmes, manches mal einfach nur die Stimmung, bei wieder anderen Arbeiten beeindruckt mich die imposante Bildebene oder eine erfrischende, experimentelle Idee.
Interessanterweise gibt es aber Filme, die bei der ersten Sichtung toll wirken, mit der Zeit aber an Spannung verlieren. Andere wiederum entfalten ihre Wirkung erst nach mehrmaligem Sehen.
Kann jeder das Filmen lernen? Oder glauben Sie, dass da Talent eine große
Rolle spielt?
Wie bei jeder künstlerischen Gestaltungsform ist der Weg zur Kunst des Animationsfilms auf mehren Wegen zu erreichen. Als Meilensteine zur Animationsfilmerin oder zum Animationsfilmer würde ich aber eine Mischung aus Ausbildung, Talent und Entschlossenheit nennen. Letzteres ist in der Animation vielleicht sogar am ausschlaggebendsten, weil der Prozess der Herstellung sich als so langwierig und mühsam gestaltet.
Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass das Film-Schauen ebenfalls erlernt werden kann: Denn wenn man eine Ahnung bekommt, wie beispielsweise unterschiedliche Animationstechniken funktionieren oder diese selbst praktisch erprobt hat, bekommt man auch als Zuschauerin und Zuseher ein besseres Verständnis für die Nuancen bzw. Möglichkeiten des Animationsfilms.
Das Tricky Women Festival 2013 geht noch bis 10. März und schließt mit der Ausstelleung Animate It! ab.