Von der VHS zu Teledildonik – Sex beeinflusst die Tech-Szene nicht erst seit gestern. Während man Sex-Tech-Startups hierzulande mit der Lupe suchen muss, veranstaltet ein Österreicher in den USA eine der größten Sex Tech-Konferenzen weltweit.
In den 80er Jahren, als Pornos noch in der Videothek ausgeliehen werden mussten und man von einer soliden Internetverbindung nur träumen konnte, entschied letztendlich die Pornoindustrie über das Vorankommen einer Technologie, die über viele Jahre das Videoformat schlechthin war: die VHS. Das von JVC entwickelte Format setzte sich gegen Sonys Betamax und das von Philips und Grundig entwickelte System Video 2000 durch, nachdem sich die Pornoproduktionsfirmen dazu entschieden, ihre Produkte mehrheitlich auf VHS zu vertreiben. Ähnliches wiederholte sich 2007 im Wettstreit zwischen Blue-ray und HD-DVD, den erstere wiederum dank der Pornoindustrie für sich entscheiden konnte. Tech und Sex stehen in einer Wechselbeziehung – während die Tech-Szene auf Einnahmen durch Adult Content zählt, ermöglicht der immer größer werdende Markt an Sex Toys, Plattformen oder Filmerlebnissen Lustbefriedigung auf neuen Ebenen. Obwohl die Pornoindustrie zunehmend an Einnahmeverlusten leidet und Sex Tech als Nischenmarkt gilt, den lange nicht alle Unternehmen bedienen wollen, ist eine Sättigung noch nicht erreicht – nicht zuletzt durch neue technische Entwicklungen im Bereich VR, Sex Toys und Community-Building.
Strap on mit Gefühl
Das österreichische Kollektiv Monochrom beschäftigt sich seit Jahren mit dem Zusammenspiel zwischen der Sexindustrie und der Tech-Welt. Bereits 2007 veranstalteten sie im Startup-Mekka San Francisco die erste Arse Elektronika, eine Konferenz für Sex & Tech, bei der jedes Jahr zahlreiche Speaker zu Wort kommen und neue Technologien vorgestellt werden. Während die Veranstaltung zunächst als einmaliges Event geplant war, wurde sie dank dem starken Zuspruch jährlich wiederholt und feiert nun ihr 10-jähriges Jubiläum. „Sex-Technologie ist ein sehr großer Bereich, der von Pornos auf Blu-ray bis zu einer technisch kontrollierbaren Fucking Machine reicht.“, erklärt Johannes Grenzfurthner, Initiator der Arse Elektronika. Unterschieden werden kann dabei zwischen Nischenprodukten, wie eigens angefertigten Fucking Machines, die nur ein kleines ausgewähltes Publikum ansprechen und dem Mainstream-Markt, der vor allem Pornos und Sex Toys konsumiert. Ein großes Thema in den letzten Jahren sei vor allem der Bereich der Teledildonik. Darunter fallen aus der Ferne steuerbare Sex Toys, die Remote-Control-Sex ermöglichen. Ebenfalls interessant seien reacting Sex Toys, wie beispielsweise Ambrosia Vibes, ein Dildo mit sogenanntem „Sucking Sensor“. Saugt jemand an dem Strap-On, gibt dieser Vibrationen an den Träger weiter. Die ersten Geräte wurden nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne vor zwei Jahren ausgeliefert. Eine Weiterentwicklung wurde auf der Arse Elektronika im letzten Jahr von anderen Entwicklern präsentiert und ausgezeichnet. Sensoren auf einem Strap On geben dabei elektrische Impulse auf einen weiteren Sensor in der Vagina der Frau weiter. Werden die Sensoren auf dem Strap On stimuliert, soll die Frau durch die Impulse das Gefühl bekommen, sie hätte selbst einen Penis.
Vibrator mit Beat
Ein weiteres, auf der Arse Elektronika gezeigtes Projekt, ist die Weiterentwicklung der App OhMiBod. Schließt man einen Vibrator an ein Smartphone an, bewegt sich dieser synchron zum Takt der Musik. Für die Medienkünstlerin Heather Kelley war das nicht genug, denn keiner der ihr bekannten Songs bescherte ihr letztendlich einen Orgasmus. Gemeinsam mit einem Programmierer entwickelte sie kurzerhand selbst eine App, über die sie mit zwei Fingern Soundeffekte generieren konnte, zu der sich der Vibrator bewegt. Mit Erfolg. Die Hersteller von OhMiBod wurden auf den Hack aufmerksam und entwickelten die App weiter, die nun als Download im iTunes-Store bereitsteht.
Porno mit Gefühl
Doch Sex Tech beschränkt sich nicht nur auf Toys. Eines der bekanntesten erfolgreichen Community-Beispiele ist die von Cindy Gallop gegründete Plattform MakeLoveNotPorn. Das soziale Netzwerk bietet Usern die Möglichkeit, ihre privaten Videos miteinander zu teilen. Für eine Gebühr von 5 Dollar können Mitglieder ihre privaten Sexfilme hochladen und anderen Usern zur Verfügung stellen. Das Ausleihen eines Films kostet 5 Dollar, die Einnahmen aus dem Verleih werden zwischen MakeLoveNotPorn und dem User, der das Video zur Verfügung stellt, geteilt. Abgesehen vom geschäftlichen Erfolg ist der Gründerin Cindy Gallop, die medial mittlerweile als Star der Sex-Tech Szene gefeiert wird, vor allem die Unterscheidung zwischen Pornografie und „echtem“, privaten Sex wichtig. Alle Videos werden vor der Veröffentlichung geprüft – auch in Hinblick auf die Authentizität. Mittlerweile zählt die Plattform etwa 400.000 Mitglieder weltweit, die sich für #realworldporn interessieren.
Konzerne mit Vorurteilen
Die Liste an aufstrebenden Startups mit neuen Ideen ist lang und erfreulicherweise auch weiblicher geprägt, als der Rest der Tech-Welt. Wer in Österreich nach innovativen Startups sucht, wird dennoch schwer fündig. „Es gibt hierzulande fast keine Unternehmen im Tech-Bereich, obwohl Österreich beispielsweise im Latex-Sektor international sehr bekannt und erfolgreich ist. Wien gilt sogar als Latex-Hauptstadt.“, so Grenzfurthner. Eines der wenigen bekannten Beispiele ist die Tiroler Firma ThriXXX, die sich als Weltmarktführer bei 3D-animierter Pornografie etabliert hat. Die Online-PC-Games bieten Nutzern die Möglichkeit, eigene Charaktere zu bauen und ihre Fantasien auszuleben. Während die Tiroler Softwarehersteller einerseits davon profitieren, dass sich große US-Konzerne von Adult Content distanzieren, gestaltet sich die oft notwendige Zusammenarbeit mit anderen Firmen als schwierig. So sind die Games von ThriXXX beispielsweise nicht auf Konsolen erhältlich, da große Konsolenhersteller keine Spiele mit sexuellem Inhalt anbieten wollen, um ihrem familienfreundlichen Image nicht zu schaden.
Das Problem der Distanzierung sieht Johannes Grenzfurthner auch abseits des Gaming-Bereichs. Einige Kreditkartenhersteller und Dienste wie Paypal würden sich beispielsweise weigern, Zahlungen auf Seiten mit Adult-Content durchzuführen und auch die Crowdfunding-Plattform Kickstarter zeigte sich anfänglich restriktiv. Zusätzlich gestalte sich die Suche nach größeren Investoren oft schwieriger, als in anderen Bereichen.
Sex-Tech in Österreich?
Warum der Markt in Österreich dermaßen überschaubar ist, bleibt dennoch fraglich. Ein Problem sei laut Johannes Grenzfurthner allerdings die fehlende Kommunikation zwischen dem Startup-Sektor, den Hackerspaces und Initiativen, die sich offen und kreativ mit dem Thema Sex beschäftigen. Aktive Menschen gäbe es in Österreich in allen Bereichen, allerdings würden sich alle nur in der jeweils eigenen Bubble bewegen. Grenzfurthner hofft dennoch auf zukünftige Entwicklungen aus Österreich, die dann vielleicht sogar auf der nächsten Konferenz, die in Europa stattfinden wird, vorgestellt werden könnten.
Die nächste Arse Elektronika findet 2017 statt, ein genauer Termin ist noch nicht bekannt. Weitere Informationen findet man hier.