Gegen die Krise anträumen

Das erste Programmkino Niederösterreichs, das Cinema Paradiso, feiert sein 10-jähriges Jubiläum. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Alexander Syllaba über das mannigfaltige St. Pölten, die Schwierigkeiten, mit denen sich kleine Arthouse-Kinos heutzutage konfrontiert sehen und warum er und Frau Huber in diesem Leben wohl keine besten Freunde mehr werden.

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Sie zitieren auf ihrer Homepage Alfred Polgar, der einmal gesagt hat: „Ich gehe ins Kino und verleugnete mein Leben“ Auch sonst ist die Metapher des Träumens für das Cinema Paradiso nahezu allgegenwärtig. Haben die Leute in Krisenzeiten denn überhaupt noch Zeit zum Träumen oder denken Sie, dass sich die Menschen gerade in schwierigen Zeiten gerne in Traumwelten flüchten?

Zweiteres definitiv. Ich glaube, dass gerade in Krisenzeiten der Wunsch, sich aus vielleicht schwierigen Realitäten hinauszuträumen in ein leichteres, angenehmeres Dasein, virulent ist. Wenn man sich die Zahlen der Kinobranche weltweit anschaut, dann war besipielsweise in den USA das letzte Jahr das von den Besucherzahlen her erfolgreichste ever. Offensichtlich ist das Kino also in Zeiten der Krise eine Unterhaltungs- und auch Kunstform, wo die Menschen gerne auch hingehen, sich ablenken lassen, träumen können und sich das auch noch leisten können.

Für Schulklassen bieten Sie ein umfangreiches Programm mit gesellschaftskritischen Filmen und begleitenden Filmheften mit Hintergrundinformationen und Problemstellungen. Wie wurde dieses Angebot von den Schülerinnen, Schülern und Lehrenden bislang angenommen? Hat sich da in den letzten zehn Jahren etwas geändert?

Bei den Themenschwerpunkten glaub ich nicht, also wir versuchen nach wie vor durchaus Randthemen anzusprechen, auch politische, wie „Dritte Welt“, Lateinamerika etc. Was sich vieleicht geändert hat, ist, dass man spezieller werden kann, dass wir mehr in die Tiefe gehen und auch mehr Workshops mit Regisseuren, Experten und Expertinnen anbieten. Das wird nach wie vor sehr gut und eigentlich immer besser angenommen. Wir können eben wie gesagt auch spezieller werden, weil man uns auch vertraut, dass wenn wir etwas anbieten, das dann auch inhaltlich Niveau hat und dass das gute und nachhaltige Dinge sind, die hier passieren. Da ist das Vertrauen in unser Angebot sicherlich gewachsen und aus dem heraus können wir unser Angebot auch differenzierter gestalten, als noch vor 10 Jahren.

Was für Leute nutzen eigentlich Ihre Zusatzangebote?

Zum Glück Viele und sozusagen „Alle“. Also wir sind ja nicht nur ein Premierenprogrammkino – was ja auch nicht so selbstverständlich ist in einer kleinen Stadt wie St. Pölten – spielen nicht nur täglich Kinofilme, sondern wir haben mittlerweile auch mehr als 200 Begleitveranstaltungen, Konzerte, Lesungen, etc. die bei uns jährlich über die Bühne gehen. Das ist sehr viel mehr als manche „Nur-Veranstalter“ im Jahr zusammenbringen; wir machen das neben dem täglichen Kinoprogramm. Das wird sehr gut angenommen und wir haben es irgendwie geschafft durch den Mix der Angebote Veranstaltungen zu haben, wo 16-Jährige neben 80-Jährigen sitzen und das ist schon etwas sehr besonderes und sehr Schönes, wenn das gelingt. Eigentlich genau das, was wir von Beginn an erreichen wollten.


Wie bewerten Sie denn nach zehn Jahren Erfahrung den Standort St. Pölten, das sich ja öfters mal anhören muss, ein eher verschlafenes Nest als eine weltoffene Metropole zu sein?

Na ja, es ist einerseits sicherlich einer der am meisten unterschätzten Standorte ganz Österreichs. Dieser Ort hat sehr viel Mannigfaltiges zu bieten und hier gibt auch viel kreatives Potential. Was aber ein Faktum ist: Es ist keine Großstadt, maximal eine Kleinstadt mit 50.000 Einwohner inklusive Eingemeindungen. Das heißt, es ist a priori ein ländliches Einzugsgebiet mit dem wir es hier zu tun haben. Das hat es vor zehn Jahren natürlich nicht so einfach gemacht, hier das anzubieten, was wir anbieten. Aber die Menschen haben es angenommen und sind mittlerweile sehr froh, dass es so etwas wie das Cinema Paradiso gibt, das auch urbanen und internationalen Flair hierher bringt, in einem kleinräumigen Ausmaß.

Wie ist denn die Stimmung zwischen Ihnen und Ingrid Huber heute, bald drei Jahre nachdem Hollywood Megaplex Klage gegen das Cinema Paradiso eingereicht hat, weil Sie angeblich mehr Kommerz- als Programmkino betreiben?

Zum Glück habe ich keine Beziehung zu dieser Dame – hätte ich eine, wäre ich wohl ein sehr unglücklicher Mann. Das Ganze ist ein Prozess, der sich weiter hinzieht. Wir haben von mehreren Gerichten und Instanzen Recht bekommen – no na! Viel mehr fällt mir dazu nicht ein.

Zehn bewegte Jahre der Filmkunst liegen hinter uns. Wie würde denn rückblickend Ihr Resümee über die Entwicklungen in der Filmlandschaft ausfallen? Worin sehen Sie diesbezüglich speziell für das Cinema Paradiso Chancen bzw. Herausforderungen?

Die Chancen liegen sicherlich auch in unserem Mischkonzept, dass wir eben nicht nur Programm- und Arthouse-Kino sind, sondern dass wir auch ein kleines Kulturzentrum sind. Dieser Angebotsmix aus verschiedensten Kunstformen, die sich hier treffen, macht genau das aus, was einerseits die Herausforderung und andererseits die Chance ist. Aber natürlich ist das ganze Thema der Digitalisierung etc. für kleine Kinos ein schwieriges, weil diese es kaum schaffen diese riesigen Investitionen zu stemmen. Das ist natürlich ein Thema, das die ganze Branche betrifft und da droht in der nächsten Zeit wieder, dass davon eben solche kleinen Kinos betroffen sein werden, die sich die Umstellung nicht leisten können und die dann drohen zu verschwinden.

Wenn Sie die letzten zehn Jahre Revue passieren lassen: Wo sehen Sie für das Cinema Paradiso noch konkretes Verbesserungspotential in den kommenden Jahren? Haben Sie Visionen, die Sie in der nächsten Zeit unbedingt verwirklichen möchten?

Visionen gibt’s immer, Verbesserungspotential auch. Aber es wird sicher keinen Saal 5, 6 oder 7 geben, das tun wir uns sicher nicht mehr an. Die Erweiterung im letzten Jahr von 2 auf 3 Säle war da schon ein für uns sehr fundamentales Ereignis, wobei die Tatsache, dass es passiert ist, gut ist. Wir hoffen, dass wir den Weg auf den wir uns da begeben haben, weitergehen können und der ein stetig prosperierender sein wird, für das Cinema Paradiso und für seine Besucher und Besucherinnen.

Vielen Dank für das Gespräch und noch mal alles Gute zum Jubiläum!

»10 Jahre Cinema Paradiso« wird den ganzen November mit Filmen, Konzerten und Musicals in St. Pölten gefeiert.

www.cinema-paradiso.at

Bild(er) © Andrea Müller, Cinema Paradiso
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