Die Kronen Zeitung macht deutlich, wie es um den Handlungsspielraum von Frauen in Österreich steht. Spoiler: eher schlecht.
Wenn man sich grundsätzlich viel in alternativen Räumen bewegt, in denen binäre Geschlechterkonstruktionen durchaus und gewollt zumindest ansatzweise verschwimmen, dann vergisst man manchmal, dass es ja auch noch eine andere Welt gibt da draußen. Und wenn dann unterschiedliche Welten wie Paralleluniversen aneinanderkrachen, kommt man leider nicht umhin, anzuerkennen, dass es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs um Geschlechteridentitäten braucht.
Wovon ich spreche? Von Babykatzen und Stefanie Sargnagel natürlich. Wer zumindest fünf Minuten täglich im Schlund sozialer Medien verbringt, an dem dürfte nicht vorbeigegangen sein, dass die Kronen Zeitung am 8. März 2017 – (nicht) zufällig am Weltfrauentag – das im Standard erschienene Reisetagebuch von Stefanie Sargnagel, Lydia Haider und Maria Hofer zum Politikum ernannte. Das Reisekostenstipendium, das zwei der Autorinnen in Anspruch nahmen, war zumindest in der Krone-Weltanschauung Basis genug, sich über die „mittelbekannten und mittelbegabten“ Protagonistinnen zu echauffieren. Darauf folgte ein weiterer Text in der Kärntner Krone, mit Angabe von Stefanie Sargnagels aktuellem Wohnort und dem Beisatz, dass diese „willig“ wäre.
Die Causa hat so viele problematische Ebenen, dass es fast schwerfällt, sich nur mit einer einzigen auseinanderzusetzen. Ich versuch’s: Die Kampagne der Krone ist vor allem deswegen so irritierend, weil sie mit Bildern arbeitet, die so tradiert sind, dass ich fast schon vergessen habe, dass sie existieren. Kiffende, saufende, katzentretende Frauen, die noch dazu „im Minirock ohne BH“ durch das marokkanische Essaouira stolzieren – das ist natürlich so skandalös, dass der „Drogen-Ausflug auf Kosten der Steuerzahler“ gleich vom Chefredakteur selbst kommentiert werden muss. Was jedem klar sein müsste: Sogar der Kronen Zeitung ist wohl „ein Gramm Haschisch“ herzlichst egal; der Öffentlichkeit, die Stefanie Sargnagel in Anspruch nimmt, jedoch anscheinend nicht.
Die so plakativ konservativen Gegenbilder, die hier hocherzählt werden, funktionieren nur deswegen, weil ihr Gegenstück eine Frau ist, die stellvertretend für lauten Feminismus steht und deren Öffentlichkeit mittlerweile weit über Österreichs Grenzen hinausreicht. Die Babykatzen-Keule zu schwingen hat selbstverständlich den Zweck, sogar bei den uninteressiertesten Leser_innen Empörung hervorzurufen, sofern diese wirklich der Ansicht sind, Haschischkonsum würde zu Katzenmord führen.
Zurück zum Thema: Die Krone hat es geschafft, einen komplexen Diskurs über Rollenbilder quasi für Vollidiot_innen zu veranschaulichen. Während die Feminist_innen unter uns sowieso schon lange wissen, dass weibliches Verhalten abseits der Etikette grundsätzlich als obszön oder hysterisch gewertet wird, wird es hier nochmal plakativ veranschaulicht. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, aber es gibt einen Grund, warum „Feuchtgebiete“ auf Netflix ein Ein-Stern-Rating hat – und der hat wenig mit cineastischen Qualitätskriterien zu tun. „Valentinstag“ kommt auf dreieinhalb Sterne, just saying.
Wenn solche Bilder gegenübergestellt werden, geht es meistens darum, jemandem eine Sprechposition zu nehmen oder schlichtweg zu bestrafen. Eine Frau, die obszön oder hysterisch ist, arrogant oder zickig, kann ja kaum in einem professionellen Kontext ernstgenommen werden. Nicht nur das, noch dazu steht sie sich im Narrativ natürlich selbst im Weg, immerhin könnte sie auch anmutig, bescheiden und rhetorisch talentiert sein. Das sind immer noch die besten Ehefrauen und Empfangsdamen. Ich hoffe, alle Ehefrauen und Empfangsdamen nehmen mir diesen Vergleich nicht übel – es geht hier um Zuschreibungen, und leider nicht um reale komplexe individuelle private oder professionelle Identitäten.
Die Kronen Zeitung hat also zwar drei Frauen eine mehrtägige mediale Ausnahmesituation beschert, aber zumindest irgendwie auch sehr deutlich aufgezeigt, dass die Grenzen, die Frauen in ihrem Schaffen nicht übertreten dürfen, nach wie vor sehr dicht sind. Nicht, dass ich der Meinung wäre, wir würden in einer gleichberechtigten Welt leben – aber vom gesamtgesellschaftlichen Diskurslevel lasse ich mich doch immer wieder überraschen. Zum feministischen Ungehorsam aufzurufen, ist also offensichtlich gar nicht überholt; breit über Rollenbilder zu diskutieren auch nicht.
Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals und ist vor allem auf Instagram anzutreffen. Für unserer Kolumne „Gender Gap“ beschäftigt sie sich mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.