Gender Gap: It’s all about the money

Die Wege des Steuergelds sind quasi unergründlich, vor allem wenn es darum geht, herauszufinden, wie die Verteilung der Förderungen, Preise und Stipendien nach Geschlechtern aussieht.

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© Wurlidaps

Wer freischaffend im Kulturbereich arbeitet, ist meist auf Förderungen, Preise oder Stipendien angewiesen. Das gilt für die Filmbranche, für Musik und Musikwirtschaft, für darstellende Kunst oder für Literatur. Wer seine Alben nicht zusätzlich zur regulären Erwerbsarbeit produziert, seine Events nicht aus eigener Tasche finanziert oder fünf Wochen Urlaub zur Tour macht, gurkt entweder am Existenzminimum herum, gehört zu den wenigen, die erfolgreich genug sind, sich ökonomischen Zwängen entziehen zu dürfen, verpulvert das Familienerbe oder begibt sich in die nervenaufreibende Welt der Fördergelder. Und wenn wir nicht von Einzelpersonen sprechen, sondern von budgetintensiven Projekten, Filmen, Ausstellungen oder langfristig angelegten Veranstaltungen, basierend auf unzähligen Arbeitsstunden unzähliger Beteiligter, dann sind Fördergelder überhaupt die Voraussetzung der Realisierbarkeit.

Fördergelder, Preise und Stipendien entscheiden also über die Umsetzung von Projekten, können Jahresgehälter ganz ersetzen, oder zumindest persönlichen Ressourceneinsatz reduzieren. Steuergeld im Kulturbereich ist also super – zumindest für diejenigen, die darauf zugreifen können. In Österreich ist es ja so, dass unglaublich viele Stellen unzählige unterschiedliche Förderungen vergeben, und die Dokumentation darüber, wer von wem wann wie viel erhält, dabei keinen einheitlichen Standards folgt. Da gibt es gescannte Förderberichte, oder Webverzeichnisse, oder Jahresberichte, qualitativ variierend nach Bund, Land, Stadt oder Bezirk. Die Situation ist also – gelinde gesagt – unübersichtlich und zusätzlich höchst prekär dank Österreichs politischer Wetterlage. Wer überhaupt den Kulturbegriff in den einzelnen Bereichen definieren darf, ist gleich eine ganz andere Diskussion, und wie hoch diese Budgets angesetzt sind, sowieso.

Bleiben wir beim Gender Gap: Wie viel Geld fließt an Männer, wie viel an Frauen? Diese Frage kann leider nur ebenso schwammig beantwortet werden. Ea gibt aber die Vermutung, dass man bei gleichem Aufwand und professioneller Voraussetzung mit Penis wohl mehr und erfolgreicher Gelder lukriert als ohne. Und das darf bitte nicht als plumpes Ausspielen der Geschlechter gegeneinander verstanden werden und ebenso wenig als Ausblenden aller existierenden Schieflagen im Kulturbereich, sondern als Problemaufriss in Sachen Verteilung. Ob Projekte überhaupt realisiert werden können und unter welchen finanziellen Vorraussetzungen das geschieht, beeinflusst Karrieren und Existenzen im Kulturbereich maßgeblich.

Wenn dann der Österreichische Film Gender Report veröffentlicht wird, der sich genau dieser Frage annimmt, und die Situation zwischen 2012 und 2016 skizziert, dann hat man wenigstens Zahlen zum flauen Gefühl im Magen, mit denen sich doch politisch arbeiten lassen sollte. Wer nüchtern den gesamten Film Gender Report liest, wird schlussfolgern: Projekte mit Frauen in Stabsstellen stellen den geringeren Anteil der FörderungsempfängerInnen, Schlüsselpositionen in der Fördervergabe sind vor allem männlich besetzt. Männer entscheiden also häufiger, wer öffentliches Geld bekommt und Männer sind häufiger Empfänger öffentlicher Mittel als Frauen, zumindest in der Filmbranche. Nur in der Filmbranche? Wer sich detailliert auch abseits der Förderungen mit Sponsorings und auch Auftragsvergaben im öffentlichen Bereich auseinandersetzt, wird schnell merken, dass sich entsprechende Muster fast überall fortsetzen, das Symptom tritt mal freizügiger, mal verschleierter auf. Und Auftragsvergabe findet deshalb Erwähnung, weil einige Unternehmen und Institutionen im Kulturbereich ihre eigenen Projekte mit öffentlichen Aufträgen quasi gegenfinanzieren. Das soll nun kein pauschaler Verhaberungsvorwurf an die gesamte Kulturbranche sein, und den männlichen Empfängern öffentlichen Geldes auch nicht kollektiv absprechen, dass sie es sich nicht »verdient« hätten, gefördert zu werden.

Und hier liegt die Crux der ganzen Geschichte: Wer hat sowieso irgendwas »verdient«, welche Projekte haben es »verdient«, einer breiten Öffentlichkeit zugeführt zu werden, was hat Mehrwert? Wie ihr seht: Diese Fragen lassen sich nicht beantworten ohne philosophisch-politisch zu werden. Fairnessfragen im Kulturkontext kratzen oft an einer Themenverfehlung oder holen aus, bis niemand mehr mitkommt. Ein Anfang wäre getan, würden wir uns nicht nur auf die Wege des Geldes konzentrieren, sondern die Lebensrealität von KünstlerInnen und Kulturschaffenden genauer beleuchten. Und zwar derart, dass der gefühlte Gender Bias so analysiert wird, dass klar wird, wie er in den einzelnen Branchen faktisch auftritt. Wo stehen Frauen mit Mitte 20, wo stehen sie mit Mitte 30, wie sieht die Situation von weiblichen* Kulturschaffenden mit 50, 60, 70 aus? Welche Zäsuren bestimmen Karrierewege, welche Preise haben wem welche Möglichkeiten eröffnet, welche Projekte haben sich mit öffentlichen Geldern realisieren lassen? Wer hat über Jahrzehnte prekäre Kulturarbeit geleistet, wer hat in frühen Phasen des eigenen Schaffens erfolgreich Finanzierungsstrukturen aufgebaut?

Letztendlich bleibt die Frage nach der Henne und dem Ei: Wenn Förderstrukturen, Preise, Stipendien von Männern konzipiert werden, kann es nicht sein, dass sie gleichzeitig stereotyp »männlichen« Karriereverläufen und stereotyp »männlichen« Vorstellungen von Kulturarbeit folgen? Wenn der ungleichen Verteilung öffentlicher Gelder gekontert wird, es gäbe ja weniger Einreichungen von Frauen oder ganz grundsätzlich weniger Frauen im Kulturbereich, stellen sich zwei Fragen: Wo sind eigentlich alle diese Frauen, seht ihr sie womöglich einfach nicht? Und kann es sein, dass sich hier eure eigenen Vorstellungen strukturell manifestieren und reproduzieren? Heißt der größte österreichische Musikpreis tatsächlich Amadeus Award und brauchen wir jetzt alle einen Penis, damit ihr uns Geld gebt?

Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des feministischen Business Riot Festivals sowie Geschäftsführerin des Konzeptbüros Kathe und als thereseterror auf Instagram anzutreffen. Für unserer Kolumne »Gender Gap« beschäftigt sie sich mit den großen und kleinen Fragen zu Feminismus.

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