Lebenslust siegt über Melancholie. Funk über Punk und schlussendlich Soul über Blues. Joan Wasser alias Joan as Police Woman schreibt mit "The Classic" einen Soul-Meilenstein im Pop. Und liefert mit ihm die beste Platte ihrer Karriere.
"So gut ging es mir noch nie in meinem Leben", dieses Zitat von Joan Wasser könnte ihr neues Album "The Classic" nicht besser auf den Punkt bringen. Joan As Police Woman hatte schon immer die Stimme für so eine Platte, ihr Interesse an New Wave, Singer-/ Songwriter-Balladenformaten und Kammer-Pop muss aber stärker gewesen sein. Wenn man "The Classic" hört, fragt man sich warum man diesen Umweg gehen musste. Denn ganz offensichtlich steht ihr dieses Genre besser, als alles, was man bisher von der Sängerin gehört hat. Man kann es auch so ausdrücken: Der Soul hat in Joan Wasser geschlummert wie ein kleines Kätzchen um jetzt, mit der Kraft eines Tigers auszubrechen und seine volle Pracht zu offenbaren.
Rawr
Ganz besonders wichtig für diesen Entwicklungsschritt waren die Arrangements. Joan Wasser setzte bisher in all ihren Alben einen instrumentalen Schwerpunkt: Die ersten beiden Alben "To Survive" und "Real Life" waren stark vom Komponieren am Klavier beeinflusst – sowohl vom Pop eines Rufus Wainwright, als auch dem Punk von Bands wie The Smiths oder Siouxsie Sioux. Das Credo der Künstlerin damals: Beauty is the new punk rock. Die Liebe zur Gitarrenmusik eines New Yorks der frühen 90er zeigt sich auch in ihrem dritten Album "Cover" von 2009. Joan Wasser interpretiert Künstler wie Sonic Youth, The Smiths, Jimi Hendrix, David Bowie bis Iggy Pop neu. Am Klavier erinnert sie an einen Elton John, auf der Gitarre mit wilder Mähne an Melissa Etheridge. Im Laufe der Zeit hat sich Joan Wasser stetig von der Gitarre losgelöst – heute hat sie vor allem eines sehr richtig gemacht: Die Stimme für sich sprechen lassen.
A Cappella Gospel
Das hört man schon im Titelstück "The Classic" – während die Backing-Vocals an Doo Wop erinnern, hört man im Hintergrund den US-Comedian Reggie Watts beatboxen. Am Ende singt – pardon – brummt Kollege Joseph Arthus eine Basslinie zum Verlieben. Noch beeindruckender wird dieser Gospel im Zusammenspiel mit Bläsern, Free Jazz-Schlagzeug, Orgel und Bassgitarre. Das Album wurde erstmals ohne Produzenten im Keller eines Freundes in Williamsburg aufgenommen. Nur die Aufnahmen von Bläser und Backing Vocals entstanden in mehreren New Yorker Studios. Die Arrangements klingen teilweise nach pompöser Big-Band, dann fungieren sie wieder nur als Akzent. Die nachdenkliche Ballade "Get Direct" lässt Joan Wassers Stimme viel Platz zwischen Bass und Schlagzeug. "Good Together" beginnt dramatisch und entpuppt sich erst später als eine der schönsten melodischen Steigerungen der Platte.
Rebellisch-Galant
Ironischerweise klang sie auf keiner Platte rebellischer als auf dieser: In "Good Together" wird ein Liebhaber zurückgewiesen, nur um dann augenzwinkernd um ein weiteres Treffen im Badehaus zu bitten. "Holy City" erzählt von einem Besuch der Klagemauer in Jerusalem und in "What Would You Do" kämpft die Sängerin mit der Frage "Was tun wenn ein Freund sich selbst zerstört?".
Nur der Text über einem Rammhammer und einen Schuh im Opener "Witness" wirkt ein bisschen dadaistisch. Ein Zitat im Pressetext klärt auf: Jeden Morgen um 7 begann vor der Wohnung der Sängerin diese Maschine mit ihrem unablässigen Hämmern. "Und dann träumte ich, dass ich auf mein Dach steige, meine roten Stilett ins Zahnrad werfe und das Ding stoppe". Da haben wir es. Galant und doch widerspenstig. Die zwei wichtigsten Zutaten für Soulmusik. Auf dass sie Joan Wasser in den nächsten Jahren noch weiter perfektionieren wird – über den Dächern New Yorks.
"The Classic" von Joan as Police Woman erscheint am 10. März 2014 und kann hier bestellt werden. Am 2. Mai spielt sie mit Band in der Ottakringer Brauerei.
Die Autorin auf Twitter: franziska_tsch
