„Das ist oberüberdrübersuper!“

Auf ihrem siebten Album gibt sich das Groove-Slang-Punk-Duo Attwenger in gewohnter Form – also besser denn je. Wir haben die Linzer Schnitten interviewt.

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In den letzten 5 Jahren seit dem Album „Dog“ sind 17 Songs entstanden, die nun auch live auf der „Flux“-Tour im deutschsprachigen Raum präsentiert werden wollen. Markus Binder (Schlagzeug, Gesang) und Hans-Peter Falkner (Steirische Knöpferlharmonika, Gesang) stechen vor allem mit ihrer Single „Shaking My Brain“ hervor, in der sie Anleihen beim Rock’n’Roll nehmen, aber klar und deutlich in der Attwenger ’schen Dialektik bleiben.

Auch Songs wie „Duamasche“, „Mief“ oder „Hintn umi“ kreisen um alltägliche Zustandsbeschreibungen über Dieses und Jenes im oberösterreichischen Dialekt. Erwähnenswert an diesem Album ist darüber hinaus die Zusammenarbeit mit dem Wiener Elektroniker Wolfgang Schlögl, den man von den Sofa Surfers kennt. Was Attwenger überhaupt ausmacht, erklärt Binder im Pressetext treffend: „Stellen Sie sich Attwenger als zwei Trapezkünstler vor, die ihre Tricks ohne Netz ausprobieren, was aber nicht schlimm ist, solange einer den anderen auffängt.“

Im Interview mit The Gap sprechen die beiden über die Wiener Grantigkeit, das Internet und die Wichtigkeit eines Protestsongs.

The Gap: Im Pressetext zu Eurem neuen Album „Flux“ steht: „Nicht vorrangig wird Dialekt hier als Transporter von Inhalten verstanden.“ Für mich ist aber gerade das die Quintessenz von Attwenger.

Markus Binder: Das spricht diesen Aspekt an, dass du die Musik als Sound hören kannst, du kannst dir die Texte bei Attwenger anhören und die verstehen wollen, aber du musst nicht. Du kannst einfach auch wie beim Rauschen der Straßenbahn, des Autos oder des Windes die Texte durchziehen lassen. Es muss ja nicht alles interpretiert und verstanden werden, was da so gesagt wird, das meine ich damit.

Also es kann auch der Sound für sich alleine stehen, bar jeder Interpretation…

MB: …ja genau.

Wichtig ist, dass es groovt oder?

MB: Genau und das bezieht sich ja auch darauf, dass nicht alles bedeutungsvoll sein muss. Das ist meiner Meinung auch die Aussage, um die es geht.

Beschäftigen wir uns ein bisschen mit den neuen Songs: Bei der Nummer „Proberaum“ gibt es den schönen Reim „Wean is ned Wean, waun ned schnö a boa deppad wean.“ Hans-Peter, du wohnst schon seit längerer Zeit in Wien, was hast du damit verarbeitet, ist das letztendlich eine kritische Sicht auf Wien?

Hans-Peter Falkner: Die Zeile ist erstens einmal von ihm (Markus Binder, Anm. d. Red.), die hat er mir in den Mund gelegt, damit ich dann gefragt werde. Also ich bin ja gerne in Wien, mir taugt Wien und komme auch mit dieser Wiener Grantigkeit relativ gut zurecht, ich habe mit dem eigentlich wenige Probleme. Ich finde das manchmal sogar lustig, wenn sie so herumjammern und sudern. Klar, in jeder Stadt gibt es irgendetwas, aber man spricht halt immer von dieser Wiener Grantigkeit, die mich im Kaffeehaus auch ab und zu nervt. Aber generell komme ich ganz gut damit zurecht und bin sehr gerne hier und das passt alles. Obwohl diese Zeile natürlich schon auf jeden Fall seine Lebensberechtigung hat.

Zu einem anderen Stück, nämlich „Interned ged“, eine kritische Reflexion über das Medium Internet. Darin ist die Zeile zu finden: „Wer waas scho wos er wissn wü.“ Wie betrachtet ihr Facebook und Twitter?

HPF: Da sind wir nicht dabei! (lacht) Ob das jetzt total schlau ist, weiß ich eh gar nicht. Ich bin nur nicht dabei, weil es mich nicht freut. Aber man sollte diese Medien ja eigentlich schon nützen. Bei Facebook zum Beispiel habe ich mich auch zu wenig eingearbeitet. Man müsste sich da mal zwei Stunden hinsetzen und sich anschauen, worum es da geht. Das Internet ist auf jeden Fall ein grandioses Medium, so wie überall gibt es halt tolle und weniger tolle Sachen, man muss also selektieren, was man sich anschaut und was nicht, aber dass es das grundsätzlich gibt ist ja oberüberdrübersuper!

In einem 2002 geführten Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten meinte Hans-Peter Falkner angesprochen auf den Hit „Kaklakariada“: „Des Liadl soit a in zehn Johr no sei Gültigkeit hom.“ Jetzt, 2011, hat es definitiv noch seine Gültigkeit. Braucht es also gar kein neues „Kaklakariada“?

HPF: Jede Zeit braucht seinen Protestsong. Der Song hat ja – man muss sagen leider Gottes – Gültigkeit. Es wäre ja schön, wenn diese Protestsongs etwas bewirken, sodass man sie nicht mehr spielen muss, weil sich eben etwas verändert hat. Wenn man sich alle Protestsongs von den letzten Jahren anhört, stellt man fest, dass die noch alle ihre Gültigkeit haben. Den Song „Kaklakariada“ hätten wir auch auf der Platte „Flux“ veröffentlichen können, das wäre jetzt genauso angenommen worden und niemand hätte gesagt, das klingt nach dem Jahr 2002. Er hat leider nach wie vor Gültigkeit.

Wie ist eure Meinung zum jährlich abgehaltenen „Protestsongcontest“?

MB: Unterstützenswert. Ich war noch nicht dabei, aber das ist doch gut. Ich glaube es geht dabei darum, die klassische Form des Protestsongs immer wieder zu erneuern, also beim Sound und den Texten ein neues Level zu finden. Aber im Grunde ist es super, wenn man Popmusik zum Protest nutzt.

Im selben Interview meinst du, Hans-Peter: „Attwenger sind ein politisches Statement, seit es uns gibt.“ Inwiefern konkretisiert sich das auf „Flux“, ist das weiterhin so?

HPF: Naja, Attwenger ist halt so. Wie das Auftreten auf der Bühne, wie das Management läuft, die Plattenfirma, mit wem wir arbeiten, wie man das alles macht, welche Strukturen man benützt und welche eben bewusst nicht. Das alles macht diesen ganzen Attwenger-Charme aus und das hat sich jetzt nicht wirklich verändert. Wir fahren da unsere Linie, aber auch nicht so bewusst. Wir erneuern uns ja auch mit dem Internet, benützen das und sind total dankbar, dass es das gibt. Also wir verweigern auch kein iPhone!

MB: Wir wollen auch was kaufen!

HPF: Wir gehen genauso shoppen wie andere!

Dazu fällt mir eine Anekdote ein: Ihr habt mal im Kohlebrecher Kohlgrube in Oberösterreich ein Konzert gespielt. Irgendwann während des Konzertes hast du, Hans-Peter, auf euren Merchandise-Stand verwiesen. Als Antwort kam von einem Fan im Publikum trotzig: „Scheiss Kommerz!“ Worauf du nüchtern jenem Mann geantwortet hast: „Du wirst dich auch noch auf deine Pension freuen!“

HPF: Ja vielleicht kriegen wir auch einmal eine Pension, das wissen wir noch gar nicht!

MB: Eine Musikerinvalidenpension! (lacht)

HPF: Zu dieser Kommerz-Geschichte: Na klar verkaufen wir auch CDs! Natürlich ist man darin gefangen, das verweigern wir ja nicht. Wir machen auch T-Shirts, nicht nur CDs.

MB: (In Richtung des Interviewers) Hast du Geld mit?

Nein, „jeda Mensch zöd sei Göd!“

MB: Es kommen ja selten Interviewer mit Geld.

Zurück noch einmal zum aktuellen Album: Die Nummer „Shaking My Brain“ ist der erste Attwenger-Titel, welcher nicht zweisprachig lesbar – wie zum Beispiel früher „Sun“, „Dog“, „Most“ – daherkommt oder?

MB: Aso, ja, das kann sein. Das ist ein Titel, der eindeutig als rein Englisch zu sehen ist – und das ist so. Ist das beunruhigend für dich?

Nein, noch nicht.

HPF: Da hätten wir ihn „Hirnshuttle“ nennen müssen sozusagen. Dann hättest du Deutsch und Englisch gehabt.

MB: Naja, jetzt ist es halt auch zu spät.

Ihr habt ja schon Konzerte in Ländern wie Mexiko, Vietnam bzw. in Regionen wie Sibirien gespielt. Ist da in Zukunft etwas ähnliches geplant?

HPF: Nein, es ist leider nichts geplant, aber wir würden gerne wieder irgendwo hinfahren – also wenn das jetzt hier jemand liest… Aber so etwas entwickelt sich dann ab und zu.

MB: Bevorzugte Gebiete: Warme Regionen! (lacht) Karibik, Südamerika, Thailand, diese Ecken halt.

Welche Tätigkeit spricht euch mehr an: Album im Studio produzieren oder die Live-Show? Mal abgesehen davon, dass die eine Sache die andere bedingt…

MB: Ohne Studio hast du keine CD, hast du keine Live-Sachen. Aber live ist es halt meistens ein bisschen ungezwungener. Im Studio ist es Arbeit. Ja gut, live ist es auch eine Arbeit.

HPF: Live ist mir persönlich lieber. Studioarbeit ist total super, weil du etwas entwickeln kannst, experimentieren. Aber live ist dieses Musikantische und das taugt mir mehr. Obwohl das eine nicht ohne das andere geht. Und das allermieseste ist sowieso das Üben! Üben tun nur die, die es nicht können. Üben heißt ja erlernen, das brauchen wir nicht mehr. Entwickeln oder Stücke spielbar machen, das müssen wir natürlich auch machen.

"Flux" von Attwenger erscheint am Freitag, 8. April, auf Lotus Records.

Live-Termine:

8. April: Wien, Flex

9. April: Wien, WUK

15. April: Wien, Flex

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