Im Rahmen der Vienna Biennale for Change, die heuer unter dem Motto »Planet Love. Klimafürsorge im Digitalen Zeitalter« stattfindet, zeigt das Kunst Haus Wien Arbeiten der österreichischen Künstlerin Ines Doujak, deren Anblick der bis dato eher kühlen Hauptstadt einen kleinen Photosynthese-Schub mit bitterem Beigeschmack verpassen.
Die in Wien lebende Klagenfurterin Ines Doujak bereitet mit ihrer in der Garage und den angrenzenden Innenhöfen des Kunst Haus Wien angelegten Installation »Landschaftsmalerei« nicht nur diverse Materialien der Natur, sondern auch gesellschaftspolitische Gegenstände in imposanter Weise auf. Ein Archiv aus Pflanzen, Pilzen, Samen, Blüten, Holz, Asche und Stein verwandelt Doujak in stumme, dennoch ausdrucksfähige Zeitzeugen.
Thematisch liegt das zentrale Augenmerk der diversitären Installation auf einem zeitgenössischen Thema mit großer Tiefe. Die Arbeit »Landraub« beschäftigt sich mit der wirtschaftlich motivierten Enteignung und Vertreibung von Landbevölkerung durch Konzerne, Staaten und Investoren. Versinnbildlicht wird diese bis heute zunehmende Praktik durch die Darstellung ausgestorbener Apfelsorten, die lukrativeren Monokulturen weichen mussten, was die nachhaltige Zerstörung der lokalen Umwelt, Biodiversität und Ernährung zur Folge hat. Die Reproduktionen alter Illustrationen von in Österreich heimischen Früchten wirken zunächst romantisierend ästhetisch – bei genauerer Betrachtung prangen auf den 70 mal 120 Zentimeter großen Plakaten jedoch Zitate internationaler »Landgrabber«, die für die gewaltvolle Inbesitznahme von Grund und Boden quer durch die Zeitgeschichte verantwortlich zeichnen. Die lediglich optisch geschönten Äußerungen sind bis zu 400 Jahre alt, haben aber inhaltlich nichts an Aktualität eingebüßt.
Macht, Herrschaft, Ausbeutung
Das wohl berührendste Werk der Serie »Landraub« stellt jedoch kein aufbereitetes Zitat, sondern eine aktuelle Aufzählung dar: »Einige der LandverteidigerInnen, UmweltaktivistInnen, MenschenrechtskämpferInnen, JounalistInnen und AnwältInnen, die im Kampf um Land, Tierwelt oder Bodenschätze getötet wurden«, ist in schwarzen Lettern über dem historischen Abbild eines Apfels zu lesen. Auf der Frucht selbst sind die Namen der Aktivist*innen vermerkt, sowie das Jahr und Land, in dem sie starben – die meisten im Kampf um den brasilianischen Regenwald.
Doujak empfindet die Landfrage als Verknüpfung der »zentralen Bereiche der gesellschaftlichen Naturverhältnisse wie Ernährung, Mobilität, Wohnen, Energie«, wie sie 2018 bei einer temporären Ausstellung der Werke in Grafenegg erklärte. Ihre Arbeit solle verdeutlichen, dass die Praxis des Landraubs kein erst in der Gegenwart aufgekommenes Phänomen sei, »sondern vielmehr eine historisch spezifische Ausprägung eines Prozesses, in dem die gesellschaftliche Nutzung von Natur untrennbar mit kolonialen und postkolonialen Verhältnissen von Macht, Herrschaft und Ausbeutung verknüpft ist«.
Die Ausstellung »Landschaftsmalerei« führt Doujaks gedankliches Œuvre sinnvoll fort, ist sie doch vor allem für ihre dekonstruktive Methode bekannt, mittels derer sie auf stets empathische Weise Perspektiven auf Themenkomplexe von Sexismus bis Machtmissbrauch entstehen lässt. Bereits auf der Documenta 12 widmete sie sich mit »Siegesgärten« der Verbindung von natürlichen Ressourcen, systematischer Ausbeutung und daraus folgender Abhängigmachung der Landbevölkerung in Entwicklungsländern im neokolonialen Kontext.
Die Ausstellung »Landschaftsmalerei« ist – als Teil der Vienna Biennale for Change 2021 – von 28. Mai bis 3. Oktober im Kunst Haus Wien zu sehen.