Every Artist’s Needs – Lisa Großkopf »Kontakte knüpfen«

Networking, das wissen alle, ist wichtig. Sehr wichtig. Es ist, wie es so schön heißt, »Teil der Arbeit«. In Lisa Großkopfs textilbehangenem Bronzeguss »Kontakte knüpfen« wird der Ausdruck wörtlich genommen.

© Lisa Großkopf »Kontakte knüpfen«, Bronze, Textil, dreiteilig, 2024; Foto: Leni Deinhardstein

Das Wohl und Wehe der Menschheit hängt zum großen Teil an unserer aller Fähigkeit – oder Unfähigkeit –, Kontakte zu knüpfen. So interpretierte ich zumindest den Spiegel-Bestseller »Sapiens«, der mir vor nicht allzu langer Zeit ohne mein Zutun unterkam und den ich, mangels alternativer Lektüre, dann auch las. Anscheinend sind wir heute hier, weil sich unsere Vorfahren, im Gegensatz zu den Neandertaler*innen, zu größeren Gruppen organisieren und damit ihre körperliche Unterlegenheit mehr als ausgleichen konnten.

»Kontakte knüpfen« ist der Titel einer Serie bronzener Abgüsse von Unterarmen, um die Freundschaftsarmbänder drapiert sind, und er verweist sprich- und wortwörtlich auf die zentrale Frage der Arbeit. Diese betrifft den Wert eines wichtigen Teils jeden künstlerischen Schaffens, nämlich den Aufbau und die Pflege von Beziehungen. Die handgeknüpften Armbänder zeigen die aktive Zuwendung oder gar Mühe an, die nötig ist, um Kontakte zu »knüpfen«.

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Die Textilarbeiten erzählen von der Teilnahme an verschiedenen Artist-Residencies und den Bekanntschaften, die sich dabei ergaben. Das waren mal mehr, mal weniger, wie die unterschiedliche Menge an Bändern pro Bronzearm anzeigt. Auch die Länge der Abgüsse richtet sich nach dieser Zahl. Eine Hierarchie scheint zu entstehen. Mehr Armbänder, mehr Kontakte – ist gleich mehr Erfolg? Die emporgereckten Gliedmaßen ähneln Trophäen. Gleichzeitig wird die Technik des Bronzegießens völlig anders wertgeschätzt als jene des Knüpfens von Textilien, das traditionell eher dem Kunsthandwerk zugeschrieben wird. Das wirft zusätzlich die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kunsthandwerk auf. Ist Knüpfen Kunst? Ist Networking Kunst?

Ihre Website eröffnet Lisa Großkopf mit den Worten des Kunstkritikers David Gibson: »Not having a website is like not having a phone number. You have to have it. At least get a blog and put some pictures up. Every artist needs a website.« Die Öffentlichkeitsarbeit ist eine notwendige Bedingung dafür, als Künstler*in wahrgenommen zu werden. Aber nicht nur bei Künstler*innen bekommen diese im Hintergrund anfallenden Pflichten kaum Aufmerksamkeit. In vielen Bereichen fällt solche Art Arbeit an, in den wenigsten wird sie als solche wahrgenommen.

»Kontakte knüpfen« ist Teil der Gruppenausstellung »In aller Freundschaft«, die noch bis 24. August 2025 im Dom Museum Wien zu sehen ist. Weitere Arbeiten von Lisa Großkopf können derzeit im Museum der Moderne Salzburg und im Kunsthaus Graz besichtigt werden.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 208 ist dies: »Kontakte knüpfen« von Lisa Großkopf.

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