Der Film »The Square« von Ruben Östlund wollte 2017 eine Karikatur des Kunstbetriebs sein. In den letzten Wochen lief er wieder einige Male im Fernsehen. Denn acht Jahre und einen Trump später schaut sich diese Satire noch mal ganz anders. Zwischen Safe Spaces und Selbstgerechtigkeit: Wie rahmt man Horizonterweiterung?

Kunst braucht einen Rahmen, eine Eingrenzung. Doch was passiert in einer Welt, in der jegliche Grenzen überschritten werden – moralische, demokratische, persönliche? »The Square« ist eine schwedische Satire und handelt vom Museumskurator Christian, dessen Leben aufgrund eines PR-Skandals und eines gestohlenen Handys aus dem Ruder läuft. Im Film soll ein Kunstwerk namens »The Square« ein Safe Space sein. Kann Kunst, in ihrem Selbstverständnis, Tabus zu brechen, jemals so ein Ort der Sicherheit sein? Oder umgekehrt: Wie kann Kunst, die keine Grenzen überschreitet, diese jemals erweitern? »The Square« illustriert in peinlicher Deutlichkeit, wie der Kunstbetrieb sich an diesem Paradoxon abarbeitet, wie verlogen seine Beteiligten agieren, wie der eigene Horizont bei aller Erweiterung doch mit dem goldenen Rahmen des eigenen Privilegs endet.
Safe Spaces zu etablieren, wird im aktuellen politischen Klima immer wichtiger. Man kann sich nicht sicher fühlen, sobald man irgendwie von der cis-hetero-männlich-weißen Norm abweicht. Kunst bietet ohne Frage eine Plattform. Oder, wie bei »The Square«, ein Spielfeld. Sie erlaubt Linien zu übertreten, Grenzen zu überschreiten – im buchstäblich kleinen Rahmen. Doch Triggerwarnungen brauchen wir nicht vor der Kunst, wir brauchen sie vor den Nachrichten. Sollte Kunst nicht eine Art Katharsis bieten, indem sie uns empört, erschreckt, entgeistert? Aber nichts kann uns auf die eklatante Ungerechtigkeit der Welt vorbereiten. Triggerwarnung: Sexueller Missbrauch. Ein verurteilter Sexualstraftäter steht an der Spitze der mächtigsten Demokratie der Welt.
Kunst, die – ganz nach Kafka – beißen und stechen will, gibt es immer noch, vielfach aber vor allem solche, die uns Sicherheit vermitteln möchte. Doch in der Kunst ist man gleichermaßen in Sicherheit, wie man es in einem Krankenwagen ist. Sich wahrhaftig darin zu befinden, heißt, man ist bereits in seiner Sicherheit eingeschränkt. Wer sich Gedanken über Kunst und Demokratie macht – und wie viel unser eigenes Bewusstsein damit zu tun hat –, wird in »The Square« zwar keine Antworten finden, zum weinenden könnte aber vielleicht ein lachendes Auge hinzukommen.
»The Square« von Ruben Östlund kann in Österreich bei Sky sowie bei Prime Video gestreamt werden. Es empfiehlt sich, einen guten Snack vorzubereiten: Die Laufzeit beträgt 142 Minuten.
Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 213 ist dies: »The Square« von Ruben Östlund.