Alles echt! – Ugo Rondinone »Akt in der Landschaft«

Noch bis zum 1. Mai zeigt das Belvedere 21 eine Einzel­ausstellung des Künstlers Ugo Rondinone. Das inflationär gebrauchte Wort des Immersiven passt hier wirklich, denn man taucht ein in einen Raum der Ruhe, der gleichsam ein Kosmos der Dinge ist – und damit aus einer Kunst­erfahrung einen Moment der Achtsam­keit macht.

© Ugo Rondinone »Akt in der Landschaft« (Ausstellungsansicht), Foto: Stefan Altenburger, Courtesy of Studio Rondinone

Eine Plastik wie diese von Ugo Rondinone »lebt« von ihrem Realismus. Da ist zum einen die Direktheit, mit der sich jeder Knochen durch die Haut durchdrückt und die Augäpfel hinter den Lidern zu spüren sind oder das Gewicht des Rumpfes, das diesen beugt. Zum anderen ist es die tatsächliche Körperlichkeit der Figur, ihre Drei­dimensio­nalität und Mehr­ansichtig­keit, die faktische Präsenz im Raum. Auch auf der abgebildeten Fotografie erhält sie sich, weil wir der Behauptung, wahrhaftig zu sein, vertrauen und uns an ihr orientieren können.

Weiters die Unmittel­barkeit, mit der sich die Arbeiten den Raum mit den Besucher*innen teilen. Sie sind ohne Weichen, ohne Podeste, Sockel oder Absperrungen auf den Stein­boden gesetzt und stützen sich an den Säulen der Ausstellungs­halle, die auch die Archi­tektur tragen. Am Ende ist es die Überein­stimmung des Materials mit seiner vorgeb­lichen Materia­lität: Die Erde ist wirklich Erde, das Licht ist echtes Licht.

Abstand, um verstehen zu können

Wobei, wenn die Wirklich­keit zu nah scheint, wird sie unwirklich. Wir brauchen Abstand zu den Dingen, um sie verstehen zu können. Rondinone gibt uns nicht ein Bild einer Land­schaft, sondern die Erde selbst; nicht die Projektion davon, er gibt den Raum, den Körper. Aber er hält die Distanz und verfolgt keinen Natura­lismus um jeden Preis, denn so bliebe immer ein Verhältnis von Abhängigkeit.

Und schließlich: der Figuren Geist. Zart, trotzdem kraftvoll, sind die nieder­geschlagenen Augen und Posen der Meditation Projektions­fläche für ein Gefühl der Ruhe und der Einkehr – oder auch des Schmerzes und der Schwäche, je nach Interpret*in. Wichtig ist, dass hier etwas vermutet wird, was über die Sphäre des Materiellen hinausgeht: Mystik. Das erzählt sich über das Vorhanden­sein von Körper, Licht und Raum, über die Stoffe selbst viel stärker, als es ein Bild davon könnte. Und so glaubt man, was man zu spüren meint, und wird spirituell: Es gibt noch etwas hinter den Dingen. Hier ist der Ort, um das zu lernen.

Ugo Rondinone wurde 1964 in Brunnen in der Schweiz geboren und besuchte von 1986 bis 1990 die Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Er lebt und arbeitet in New York. Sein Werk unterteilt er in die Kategorien »Day« und »Night«. Die Ausstellung »Akt in der Landschaft« ist noch bis 1. Mai 2022 im Belvedere 21 in Wien zu sehen.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 191 ist dies: »Akt in der Landschaft« von Ugo Rondi­none.

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