Weniger Computer, mehr Experiment: Mit dem Projekt »Nea Machina« haben die Grafiker Thomas und Martin Poschauko Aufmerksamkeit erregt. Anlässlich einer Neuedition ihres Buches wollten wir wissen, was heimische Gestalter von mehr »Handarbeit« halten.
Au bei Bad Aibling galt bis vor einigen Jahren nicht gerade als ein Zentrum der internationalen Kreativszene. Doch ausgerechnet in dem kleinen Nest in Oberbayern sitzen Thomas und Martin Poschauko, umtriebige Zwillinge, deren Lust am Andersdenken und -machen weite Wellen geschlagen hat. Die beiden Kommunikationsdesigner schlossen vor einigen Jahren ihr Studium mit dem Diplomprojekt »Nea Machina« ab. Sie hatten sich die Aufgabe gestellt, innerhalb von vier Monaten so viele verschiedene formale Varianten wie möglich zu erschaffen – und zwar mit minimalem »Ausgangsmaterial«: einem Porträt und dem Titel »Nea Machina«. Es entstanden über 1.000 Entwürfe, die unzählige Spielarten von Grafikdesign lustvoll durchexerzierten und anschließend in einem Buch publiziert wurden. Nun ist im Verlag Hermann Schmidt die »Next Edition« dieses Kreativergusses erschienen, und es ist kein Zufall, dass auf der Rückseite Stefan Sagmeister mit einer Lobeshymne auf die Bayern zitiert wird (»Nea Machina ist ein wunderbares Ding. Nach meiner ersten Begegnung mit der Arbeit von Thomas und Martin Poschauko überkam mich eine unglaubliche Lust, ins Studio zu gehen und zu arbeiten.«) Denn Sagmeister war es, der vor mehr als 20 Jahren mit seinen Einritzungen in die eigene Haut gegen allzu oberflächlichen und blutleeren »Stil« im Grafikdesign polemisierte. Legendär seine Message: »Style = Fart« (Furz).
Und nun also die Poschaukos. Ihr Buch ist viel zu überbordend, als dass man es in ein paar Sätzen zusammenfassen könnte, man muss es tatsächlich gesehen haben. Wenn es eine Grundthese gibt, dann diese: Im heutigen Grafikdesign wird zu viel gedacht und zu wenig gemacht. Kreative verbringen zehn Stunden vor dem Computer, benutzen alle dieselben Programme, kommen dadurch oft zu absehbaren Ergebnissen. Die Brüder verstehen sich jedoch nicht als Maschinenstürmer: Man solle selbstverständlich alle Möglichkeiten des Computers nützen, aber sich nicht von seiner Ästhetik dominieren lassen. In ihrer Arbeit perfektionieren die Poschaukos die Kombination aus Digitalem und Analogem. Sie basteln, fotografieren das Ergebnis, scannen es ein, bearbeiten es am Computer, drucken das Ergebnis aus und gehen nochmal mit der Hand drüber. Wenn sie eine kreative Blockade haben, verlassen sie den Computer und beginnen zu werken. »Inspirierte Ausflüge aus der Arbeitswelt« nennen sie das, bei denen sie bewusst Zufälliges, Fehlerhaftes, Dilettantisches zulassen, ja dieses sogar provozieren. Jeder übernimmt einen Part: Während der eine »denkt«, probiert der andere handwerklich eine weitere Variante aus, oft mithilfe der »sinnlosen Bibliothek«, einer wilden Materialsammlung, zusammengesammelt auf Flohmärkten. Da werden Nagelbilder gehämmert oder Harfen gebastelt, Plastikplanen beim Nachbarbauern fotografiert und dann digital in Eisberge verwandelt. Man solle sich ruhig »blöd vorkommen« beim Arbeiten, so die Poschaukos, Hauptsache, »man macht«. Als Grafiker und Künstler in »Freilandhaltung« sehen sie sich selbst. Dass ihre Tools für mehr Kreativität den Nerv der Zeit getroffen haben, beweist ihr Erfolg. Das Duo wird mit Vortrags- und Workshop-Einladungen überhäuft. Selbstverständlich sind die beiden nicht die einzigen, die das Handwerkliche wieder zu schätzen gelernt haben: Unzählige exzellente Grafikarbeiten der vergangenen Jahre leben davon.