Grüne Wienwoche

Die Grünen möchten mit der „Wienwoche“ beweisen, dass auch Partei-unabhängige Kulturpolitik möglich ist. Ende September soll die zweiwöchige Veranstaltung, die Wert auf Partizipation legt, erstmals stattfinden.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Projekt ausarbeiten, einreichen, der Öffentlichkeit vorführen. So läuft es üblicherweise, wenn sich Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken für Ausstellungen oder andere Kulturveranstaltungen bewerben. Bereits ab diesem Punkt dürfte die „Wienwoche“ für Irritationen sorgen. Alles was für die Einreichung dieses zweiwöchigen Kulturprojekts Ende September gefordert wird, ist eine Idee und ein schmales Konzept – und keinesfalls mehr. Denn gerade die Umsetzung des Projekts soll selbst Teil jener kollektiven Prozesse sein, um die es bei der Wienwoche geht, erzählt Petja Dimitrova. Sie ist Teil des Leitungsteams der „Wienwoche“ und ist derzeit damit beschäftigt, ihre Vorstellungen in der Szene bekannt zu machen. „Es gibt einigen Erklärungsbedarf“, sagt Dimitrova, „da die Kunstförderung überlichweise darauf abzielt, individuelle Positionen zu stärken. Genau darum geht es uns aber: Wir wollen typische Repräsentationsmuster aufbrechen und suchen nach expliziter Einmischung in gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten.“

Ein Künstler, der etwa mit einem gesellschaftskritischen Kurzfilm bei der Projektleitung vorstellig wird, hätte an deren Ansinnen zweifellos vorbeiproduziert, wäre der „Streitwert“ solch einer bereits vorgefertigten Arbeit doch eher symbolischer Natur und als Werk eine Einzelleistung. Denn für alle, die nach Ende der Einreichfrist am 11. März eine Zusage erhalten, beginnt der Schaffensprozess erst so richtig: Über mehrere Monate sollen sich bis September die Arbeitsgruppen mit der Realisierung der Projekte befassen.

Die Leitung, neben Dimitrova (im Bild links), die an der Akademie lehrt, ist das Radostina Patulova (IG Kultur Österreich, Bild Mitte) und der Künstler Can Gülcü (Künstler, lehrt an der Akademie und der Uni Graz, Bild rechts), nimmt an diesen Treffen begleitend teil. Dabei geht es um Fragen des Formats, des Zielpublikums, um zu bespielende Örtlichkeiten oder andere Abwicklungsfragen. Vielleicht aber auch ein bisschen darum, der eigenen Sorge entgegenzuwirken, die auf Individualismus geeichten Leute schlicht und einfach zusammenzuführen. Dass das Kollektiv als Arbeitsform an sich nicht ungewöhnlich ist, glaubt Dimitrova und verweist auf die Occupy-Bewegung, in der eine Menge Künsterinnen und Künstler aktiv sind. Sie agieren dort an einer Schnittstelle zwischen politischer Intervention und Kunst, wie sie vielleicht auch den Wienwoche-Macherinnen vorschwebt.

Inhaltlich stehen drei Schwerpunkte als Rahmen für die Projekte fest: „Agieren“ soll betonen, dass Lebensmodelle (jenseits von Konsumzwängen und Geschlechtergrenzen, wie es in der Ausschreibung heißt) selbst entwickelt werden. Statt „regiert zu werden“ sollen in einer Art Selbstbefragung Wünsche und Bedürfnisse formuliert werden. Wie sähe ein Arbeitsplatz aus, wenn wir selbst ihn ausgestalten? Der zweite Schwerpunkt appelliert weniger an das utopistische Potenzial in uns, als an die Kunst, neue Perspektiven zu setzen. „Geschichte“ soll nicht gelesen, sondern „neu geschrieben“ werden. Auch wenn es im Open Call nicht explizit wird, dürfte eine Neubewertung des Verhältnisses von Mehrheitsgesellschaft und migrantischen Gesellschaftsteilen Gegenstand dieses Diskurses werden.

Der dritte Schwerpunkt stellt nach der zeitlichen die räumliche Dimension ins Zentrum: „Raum umverteilen“ klinkt sich unmittelbar in eine urbane Kritik ein, die die Enteignung öffentlicher Räume zugunsten ökonomischer Nutzungsformen bemängelt. Wem gehört die Stadt, ließe sich hier fragen, und falls sich die Bewohner deren Räume aneignen, wie und unter welchen Bedingungen würden sie diese kollektiv gestalten? Dass sich mit allen drei Fragen gesellschaftliche Differenzen auftun ist Teil dieses Experiments. Spannungen freizulegen und mit diesen zu arbeiten ist nun Aufgabe der einzelnen Projekte. Ende September, Anfang Oktober werden die künstlerischen Interventionen über Wien verstreut zu erleben sein.

Dass die Wienwoche von den Grünen ins Leben gerufen wurde, interessierte auch die Medien. Wollen die Grünen, kaum in die Stadtregierung eingezogen, nun auch ihren Teil des Kuchens?, hieß es da, während andernorts das halbierte Budget des ÖVP-Stadtfests in säuerlichem Tonfall vermeldet wurde. Allein in diesen Berichten wurde die Wienwoche in einen kuriosen Zusammenhang gerückt, scheint diese doch weder auf Beschallung mit Bier wie Donauinselfest und Stadtfest ausgelegt zu sein, noch auf die „synergetischen“ Effekte zwischen guter Festivallaune und deren spendablen Stiftern. Das Budget von rund 430.000 Euro ist vergleichsweise gering. Die Entscheidung über die inhaltliche Ausrichtung der Wienwoche wurde an einen Verein ausgelagert. Wiewohl die Grünen sich vorbehielten, den Vorstand des eigens gegründeten Vereins zur Förderung der Stadtbenutzung selbst festzulegen, oblag es diesem, in einer öffentlichen Ausschreibung die Geschäftsführung zu ermitteln.

Klaus Werner-Lobo, Initiator der Wienwoche und Kultursprecher der Wiener Grünen, zeigt sich mit dieser Konstruktion zufrieden, will sich der Juniorpartner der SPÖ Wien doch gerade mit einer neuen Policy von „bewährten“ Praktiken abheben. Klaus Werner dazu: „Da wir glauben, dass mit Kulturgeldern nicht parteinahe Veranstaltungen gefördert werden sollen, haben wir einzig die Stadt Wien als Handlungsort und gesellschaftspolitische Inhalte als Vorgaben formuliert.“ Das Verhältnis von Partei und Verein ist in einer so genannten Transparenzvereinbarung festgelegt: Die Grünen nehmen auf die inhaltliche und künstlerische Gestaltung keinen Einfluss. Die Projektleitung wird jeweils auf ein bis zwei Jahre ausgeschrieben mit der Option einer maximal zweijährigen Verlängerung. Die Verwendung der Fördermittel ist genau geregelt, die Mittel werden im Rahmen partizipativer Prozesse weiter ausgeschrieben, usw., das alles ist nachlesbar auf wienwoche.org.

Ob die Unabhängigkeit der Vereinsleitung den Grünen letztlich auf den Kopf fallen wird, wäre Spekulation. Zweifel an einer vergebenen Chance, eigene kulturpolitische Vorstellungen direkter durchzusetzen, gebe es aber nicht, sagt der Kultursprecher. Er berichtet zwar von einer breiten internen Diskussion, vernahm aber eher Stimmen aus dem Grün-Umfeld, die meinten „Seid’s deppat, jetzt seid ihr an der Macht, da müsst ihr euch einbringen.“ Klaus Werner scheint mit seiner Idee, lediglich für die nötigen Strukturen zu sorgen, jedenfalls erfolgreich gewesen zu sein. An der Eröffnungs-Pressekonferenz nahm er noch teil, um Fragen, die die Hintergründe der Initiative betreffen, zu beantworten. Zukünftig möchte er am Podium nicht mehr präsent sein. Andernfalls, möchte man hinzufügen, wäre der Best-Practice-Appeal der Wienwoche auch gefährdet. Lässt sich doch in Österreich keine noch so kleine Veranstaltung ohne ihren politischen „Begleitschutz“ auf der Bühne vorstellen – und selbst neu eröffnete Radwege in der Lobau (Ulli Sima!) oder Gondeln und Jubiläumswarten (Erwin Pröll!) in NÖ sind nicht ohne das Konterfei jener vorstellbar, die das Steuergeld verwaltet haben.

Was die Projektleitung der Wienwoche betrifft, lässt sich eine Konvergenz mit den Ideen der Grünen aber nicht leugnen. Gesellschaftliche Minderheiten und Randpositionen einzubeziehen, Gleichheits- und Gerechtigkeitsdebatten zu starten und partizipativ zu arbeiten sind Ansätze, in denen sich ein Politikverständnis im Kleinen wieder findet.

www.wienwoche.org

Gunnar Landsgesell lebt als freier Journalist, Autor und Filmkritiker in Wien. Er war außenpolitischer Redakteur bei Format, arbeitete für Ray und ist jetzt u.a. für The Gap und Blickpunkt Film tätig.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...