Gut, böse, jenseits

Das Hofmobiliendepot zeigt ab Mittwoch „Böse Dinge – eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“. Die Ausstellung aus dem Berliner Museum der Dinge setzt historisch an, führt das Thema aber bis in die Gegenwart.

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Schön, gut, richtig: Das sind Wörter, die wir im täglichen Sprachgebrauch pausenlos verwenden. Im ernsthaften Diskurs über Kultur sind sie jedoch längst verpönt. Wer würde heute noch behaupten, zu wissen, welche Kunst die richtige sei, welcher Kurator oder Kritiker würde bei seinem Urteil heute die Schönheit bemühen? Man nehme ein x-beliebiges Beispiel, etwa die Kunst von Erwin Wurm. Ist sie schön? Richtig? Gut? Spätestens in der Postmoderne hat man sich von solchen Kategorisierungen endgültig verabschiedet, davor hatten schon die Dadaisten, die Surrealisten, die Pop-Art-Künstler und viele andere kräftig an der Umwertung aller Werte gearbeitet.

Auch im Design haben sich die Sichtweisen geändert. Im Historismus, aber auch in der frühen Moderne wurde vor lauter dekorativer „Schönheit“ bisweilen auf die Funktion vergessen wurde, umso vehementer wurde diese von den Nachfolgern betont. Was funktional sei, sei automatisch auch gut, richtig – und schön! Ein Gedanke, der seine Entsprechung in der Technikanbetung der Futuristen hatte. Und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg kam in der Bundesrepublik wie selbstverständlich der Gedanke auf, man könne und müsse Design – in der Tradition des Bauhauses – nach Kriterien wie funktional, sachlich etc. beurteilen (und solches verdammen, welches diese Eigenschaften nicht hat). Man setzte sich für „gutes Design“ ein und marschierte gar mit Musterkoffern in Schulen, um schon den Jungen einzutrichtern, welcher Weg der richtige sei. Nun, auch hier hat die Postmoderne ganze Arbeit geleistet. Zum Beispiel in Form der Gruppe „Memphis Design“, die anarchistisch mit Form, Farbe, Funktion und Bedeutung zu spielen begann. Oder Tausendsassa Philipp Starck, dessen Küchenkultobjekte der 80er Jahre alles waren – nur nicht funktional, „gut“ oder „richtig“.

Im Design gibt sich heute keiner mehr die Blöße, ästhetische und ethische Geschmacksrichtlinien vorzugeben, zumindest nicht öffentlich. Findet man etwas gut, verwendet man – wie im Kunstdiskurs – Begriffe wie innovativ oder intelligent. Auch die Ethik spielt eine Rolle: Wer sich im Design derzeit Lorbeeren verdienen will, muss nur möglichst „sustainable“ arbeiten.

Zur Ausstellung. Sie nimmt ihren Anstoß von einer „Abteilung der Geschmacksverirrungen“, die Gustav E. Pazaurek, Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums und Mitglied des Deutschen Werkbundes, im Jahr 1909 einrichtete. Etwa 60 Objekte aus dem einstigen "Schreckenskabinett", hundert historische Objekte aus dem Museum der Dinge sowie historische Stücke aus dem Hofmobiliendepot und Wiener Sammlungen repräsentieren jenen Ungeschmack, vor dem die einstigen Gralshüter des Richtigen, Guten und Schönen warnten. Da bietet es sich an, diesen eine Auswahl von „geschmacklosen“ Objekten aus der heutigen Zeit gegenüberzustellen. Zu den über 250 aktuellen Exponaten – vom Designerstück bis zur Massenware – zählt nicht zufällig auch eines von Philipp Starck: eine Lampe in Form eines Gewehrs.

Es wird spannend, welche Fragen uns in der Ausstellung angesichts des „bösen“ Reigens einfallen werden. Hat die Globalisierung noch mehr Hässliches, Unnötiges oder Beschämendes in die Welt gebracht? Muss ich mich genieren, wenn mir eines der Objekte doch gefällt? Ab wann sind Objekte schlecht oder gar böse? Welches Ding aus dem eigenen Besitz würde sich gut einfügen in dieses Best of Böse?

Letzteres hat man sich im Hofmobiliendepot auch gedacht. Daher gibt´s eine Publikumsaktion, bei der man böse Dinge von zuhause mitbringen kann (maximale Größe: 25 mal 25 mal 25 cm), die dann im Museum präsentiert werden. Kitschalarm! Macht aber nichts: Seit Kitsch zum Kult erklärt wurde, spielt man ironisch mit den eigenen Geschmackssünden. Und wie um dann doch noch den unvermeidlichen Schwenk zu machen, veranstaltet man am letzten Tag der Ausstellung einen „Markt der bösen Dinge“, dessen Erlös an die Obdachlosen-Hilfsorganisation „neunerhaus“ zugute kommt. Also: Zuhause kramen, Böses ins Museum bringen und damit Gutes tun!

www.hofmobiliendepot.at

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