Guter Pop ist, wenn der Böse gewinnt

Twin Shadow trägt auf dem Cover seines neuen Albums "Eclipse" wieder Lederjacke. Seine stolze Pose schreit dabei immer noch Bad Boy, seine Songs aber säuseln Kuschelrock.

2012 hat er gemeinsam mit einem Freund sogar einen Roman über eine futuristische Biker-Gang mit dem malerischen Titel "The Night Of The Silver Sun" veröffentlicht. Das Buch wurde schonungslos verrissen. Das epische Musikvideo zu "Five Seconds" basiert auf der Geschichte. Ein Youtube-User kommentierte die Nummer übrigens mit "Best 80s song since the 80s."

Jim Morrisons Reinkarnation

Leder, Drogen, Frauen, eine gehörige Portion Narzissmus, die sich oft mit einer leichten Neigung zur Selbstüberschätzung paart, und das wilde Leben in Los Angeles. Ein Vergleich mit Doors-Frontmann Jim Morrison liegt hier irgendwie nicht so fern, wie die Schaffensjahre der beiden Künstler auseinander. Abgesehen davon, dass Letzterer im Jahr 1971 Mitglied im sogenannten "Club 27" geworden ist, scheint es doch die ein oder andere Parallele zu geben.

George Lewis Jr. führt wie Morrison einst ein einzelgängerisches, vorrangig selbstreferentielles Dasein. Er braucht die Aufmerksamkeit und den Ruhm, er folgt dabei der Maxime, mit seiner Musik etwas Höheres schaffen zu wollen, etwas, das ihn als Person noch lange überdauern wird. Obwohl er sich dabei gerne als fescher Popstar in Szene setzt, nimmt seine Selbstverehrung keine Kanye-esken Ausmaße an. Von Twin Shadow wird es so schnell wohl keine mit Photoshop bearbeiteten Bilder geben, auf denen er leidenschaftlich mit sich selbst schmust oder virale Self-Confidence-Generatoren. Dafür ist er vielleicht auch (noch) nicht bekannt genug.

Während er in seinen Anfängen noch dem typischen Rockstar-Exzess frönte, hatte sich Lewis Jr. für die Aufnahmen zu "Eclipse" jedoch in eine Friedhofskapelle auf dem Hollywood Forever Cemetery zurückgezogen. Ja, wirklich. Nachdem er das Ok für sein Vorhaben erhalten hatte, brachte er sein ganzes Equipment an den gesegneten Ort und verbrachte dort fünf Monate. Er wohnte sogar eine Zeit lang in der Kapelle.

Jetzt fällt einem womöglich doch wieder Kanye Wests "I Am A God" ein, aber mit Spiritualität hatte das temporäre Friedhofs-Studio wohl ebenso wenig zu tun wie Yeezys Song. Zwar meint Lewis Jr., dass die Songs jetzt kirchlich klingen würden, aber das bleibt dem gemeinen Ohr dann doch eher verborgen. Vielleicht meint er damit aber einfach das dominante Klavier. Sie klingen nämlich eher nach Stadion als nach Gotteshaus, eher nach Lionel Richie, D’Angelo und Future Islands als nach Joseph Haydn und gregorianischem Choral. Das ist aber natürlich auch besser so.

Gut und böse besser

Die Zuwendung zum Metaphysischen als Inspiration ist schon länger so ein Rockstar-Ding. Es scheint eine Phase zu sein, die so manche Künstler nach einer wilden Zeit durchleben. Man denke bloß an Bob Dylan, Yusuf Islam, Mos Def, Megadeth-Sänger Dave Mustaine und so weiter. Die Liste ist wirklich lang. Und auch Jim Morrison fand mit Paris einen Rückzugsort, um sich seinem "An American Prayer"-Gedichtband zu widmen. Zwar nur einen geografischen, aber immerhin. Bei Twin Shadow war es quasi ein Platz zwischen Himmel und Erde, der ihm zu seiner neuen Platte verhelfen sollte. Das Ergebnis ist gut. Für ein Post-Exzess-Runterkomm-Album.

"Eclipse" ist jedenfalls entspannter als "Forget" und "Confess" es waren. Diese Rebellion, die wohl aus Casual Sex, Dope und uferloser Arroganz resultierte, hat sich größtenteils verabschiedet. Auch wenn das oft Balsam für die künstlerische Seele zu sein scheint, wäre es doch seltsam, darauf zu hoffen, dass Musiker ihren selbstzerstörerischen Lebensstil aus Liebe zur Kreativität ewig beibehalten würden.

Solange der Turnaround zum Konsens-Popstar so reibungslos funktioniert wie bei Twin Shadow, kann man die Theorie, dass guter Pop am besten böse funktioniert, ruhig ein wenig lockern. Miley ist böse besser, Justin auch irgendwie, George Lewis Jr. ist es so oder so. Und wer sagt überhaupt, dass Bad Boy und Kuschelrock nicht zusammenpassen? Eben.

"Eclipse" erscheint am 24. April via Warner. Am 15. Mai spielt Twin Shadow live in der Grellen Forelle in Wien, Cid Rim wird auch live spielen.

Bild(er) © Copyright: Milan Zrnic
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