Hang out and have fun!

Vom Opernhaus in den Club – die kanadische Band “Austra“ setzt mit ihrem Debütalbum “Feel It Break“ neue Akzente in Sachen Klangfusion.

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Kanada im Discofieber: Die vielversprechende Indie-Electronic-Combo Austra aus Toronto hat große Chancen, mit ihrem Debüt "Feel It Break" die Musik dieses Sommers stilprägend mitzugestalten. In Berlin gab Katie Stelmanis, Songschreiberin der Band, Einblick in ihr musikalisches Schaffen, thematisierte den Unterschied von Live-Konzerten und der Arbeit im Studio und ging der Frage nach, inwiefern "traditionelle nordamerikanischer Werte" und feministische Ansichten miteinander vereinbar sind.

Als Teenager hattest du eine Karriere als professionelle Opernsängerin angestrebt. Wann und warum hast du dich entschlossen, mit der klassischen Musik zu brechen?

Das war in meinen späten Teenagerjahren gegen Ende der Neunziger. Es gab damals eine Menge Veränderungen in meinem Leben. Ich war kurz davor, an der Universität Operngesang zu studieren, doch der für eine Opernkarriere nötige Lebenswandel – nicht trinken, nicht rauchen, ständig die Stimme und den Körper schonen – schien mir zu vereinnahmend. Ich wollte das alles nicht. Mir war nach etwas anderem zumute: Hang out and have fun!

In der Zeit habe ich auch angefangen, Indie zu hören. Es begann mit der Riot Grrrl-Szene, Bands wie Sleater Kinney oder The Gossip, die als sehr feministische Bands galten. Auch Künstlerinnen wie PJ Harvey, Björk, Kate Bush und Nina Simone waren große Inspirationen für mich, mein eigenes musikalisches Ding zu machen. Diese Frauen bildeten die Identifikations- und Motivationskette, selbst als Solo-Artist Popmusik zu machen und die Klassik an den Nagel zu hängen.

Welche Entwicklung lag zwischen dem Material, das du Solo aufgenommen hast, und deinem neuen Bandprojekt Austra?

In den letzten Jahren habe ich mich von einer Studio- hin zu einer Live-Musikerin entwickelt. Meine Soloprojekte waren bisher eher intim instrumentalisiert – ohne Bass und treibenden Puls war es schwierig, das Material live zu performen. Die Lieder, die auf “Feel It Break“ zu finden sind, wurden über einen langen Zeitraum geschrieben, das Album ist ein Sammelsurium aus Material der letzten vier Jahre. Der Fokus war, einen elektronischen, “dancey“ Sound kreieren.

Wir passen nicht in spezielle Subgenres, unsere Einflüsse kommen aus Electronic, Indie und klassischer Musik – vor allem, was Gesang und Arrangements betrifft. Das Album ist eine Fusion meines früheren Stils mit Electronic-Music. Es ist in zwei Welten zuhause – zum einen die Club-Culture – Sounds, die Tanz und Bewegung im Fokus haben- zum anderen ruhiger, zurückhaltender Indie.

Was hat dich dazu bewogen, nach deinen Solo-Veröffentlichungen ein Bandprojekt zu starten?

Eigentlich habe ich mit Maya Postepski, unserer Drummerin, schon seit Jahren zusammengearbeitet, auch als Solokünstlerin. Mit Dorian Wolf spiele ich seit eineinhalb Jahren, und es ist wunderbar mit ihm zu arbeiten. Er kommt aus einem gitarrenlastigeren Background und fügt unseren Live-Shows die akustische Komponente hinzu, wohingegen Maya und ich eher für die elektronischen Sounds verantwortlich sind. Die Entscheidung, namentlich als Band aufzutreten, war auch davon bestimmt, Maya und Dorian den Stellenwert zu geben, den sie verdienen.

Was ist dein Lieblingstrack auf dem Album?

“The Noise“, das vorletzte Stück auf der Platte – es hat Spaß gemacht das Lied zu schreiben, es ist sehr einfach und simpel, aber das ist die Art von Musik, die ich selber gerne höre. Der Track ist leider schwierig live zu performen, aber in der Studiofassung funktioniert er wunderbar. Es ist mein Lieblingstrack am Album.

Wie schreibst du deine Songs? Was kommt zuerst, Text oder Musik?

Definitiv die Musik. Die Texte entspringen meist spontan aus meinem Kopf heraus. Wenn ich einen Song schreibe, starte ich mit einer Melodie-Linie, und baue alles andere darauf auf. Worte sollten nicht in Konflikt mit der Musik kommen. Ich finde, es ist wichtig, wie die Worte gesungen werden, welche Schattierung sie der Musik geben, und nicht, was sie aussagen.

Welche Rolle spielte Produzent Damian Taylor (Björk, The Prodigy, Unkle) bei den Aufnahmen für das Album?

Er mixte die Songs und war auch für einen Teil der Aufnahmen verantwortlichen. Was Damian aber vor allem tat, war, die Lo-Fi Ästhetik meines Sounds zu verwandeln und in einen anderen Kontext, ein anderes Level, zu bringen. Er mixte das Album mit der Intention, es in einem Club zu hören.

Fühlst du dich mehr als eine Live- oder Studio-Musikerin?

Ich sehe mich als beides – die Art, wie ich an Songs herangehe, ist im Studio anders als bei einem Live-Setting. Bei Studioaufnahmen habe ich die Tendenz, mehr vom Hörer zu erwarten, noch etwas weiter zu gehen. Die Studioaufnahmen der Songs sind dazu gedacht, zuhause mit Kopfhörern gehört zu werden. Bei einem Live-Konzert will ich nicht so fordernd ans Publikum herangehen und versuche, den Sound einfacher und zugänglich zu halten. Ich mag es, wenn Musik mehr eine Körper- als eine Kopf-Erfahrung ist. Und dafür bietet sich die Atmosphäre eines Clubkonzertes am besten an: Dort wollen die Leute keine langsamen Jams hören, sondern eine Party haben.

Welche Eindrücke hinterließ die Europa-Tour im Frühjahr?

Es war überall anders, wir wurden auf der Tour mit völlig verschiedenen Situationen konfrontiert – kleine und große Bühnen, in Wien haben wir sogar auf einem Schiff gespielt. Die Konzerte waren auch ganz unterschiedlich besucht: In Paris spielten wir in einem Club um zwei Uhr Nachts vor zweitausend Leuten, in Lyon um 8 Uhr Abends vor zwanzig. Paris war eine wirklich große und verrückte Show. Ich weiß noch das wir vorm Konzert schlafen gingen, da wir erst so spät auftraten. Es war surreal, den Club zu betreten und jeder im Raum schien betrunken zu sein, außer einem selber.

Es gab eine Kontroverse bezüglich des Musikvideos zu “Beat and Pulse“ – Youtube entfernte das Video aus seinem Angebot wegen der darin dargestellten nackten Frauen.

Wir haben die Reaktion von Youtube mehr oder weniger erwartet – wir wussten, dass das Video zensuriert werden wird. Es ist die Doppelmoral der “Nordamerikanischen Werte“, die wir durch die Veröffentlichungspolitik des Videos aufzeigen wollten – das hass- und gewaltvolle Inhalte auf Medienplattformen wie Youtube okay sind, aber es nicht okay ist, den nackten Körper einer Frau zu zeigen. Wenn es um Sexualität geht, ist Amerika viel prüder als Europa.

Hat sich deiner Meinung nach der feministische Zugang zur Popmusik seit den 90er Jahren verändert?

Ja, definitiv. Die Leute machen heute eher Musik ohne politische Message, es ist wirklich eine andere musikalische Landschaft. Zwar gibt es immer mehr Frauen und queere Künstler in der Musikszene, die kreativ sind, viel zu sagen haben und offen zu ihrer Sexualität stehen – aber es ist kein politisches Ding mehr. Das positive daran ist, dass diese Entwicklung davon zeugt, das auch schon viel Selbstverständnis in die Szene gestoßen ist.

"Feel It Break" von Austra erscheint am 13.5. via Domino Records.

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