Homo Kreisky. Es geht um den Mensch.

Unglaubliche drei Jahre liegt "Trouble" bereits zurück. Viel wurde gespielt, geschrieben auch. Kreisky haben den Grant salonfähig gemacht. Im traditionsreichen Café Jelinek geben Franz Adrian Wenzl und Gregor Tischberger Interviews zum vermeintlichen Stilbruch der sich da "Blick auf die Alpen" nennt. Zuerst Tschik, dann Kaffee. Und jetzt das Plauscherl.

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"Blick auf Alpen" soll eure Version von Pop sein. Was kann man sich im Rahmen von Kreisky darunter vorstellen?

Franz: Für unsere Verhältnisse ist das Album auf jeden Fall eine Öffnung. Die letzten Platten waren ja doch sehr hart, sehr getrieben. Auf "Blick auf Alpen" gibt es viele Momente, die viel spielerischer, breiter, undurchdringlicher sind. Dadurch ist der Begriff Pop durchaus gerechtfertigt. Das Album ist ein bisschen unsere Entertainment-Platte.

Gregor: Ich seh’s als unsere 70er Jahre-Platte. Aber ja, was ist heute überhaupt Pop-Musik?

Was hat für euch den Begriff „Pop“ geprägt?

Franz: Pop ist traditionell das Spiel mit der Massenkultur. Rock ist direkter Ausdruck – ob jetzt Wut, Begehren, was auch immer. Insofern waren wir nach meinem Verständnis schon immer eine Pop-Band, die mit Rock-Elementen arbeitet. Das Diffuse, Übertriebene, das war für uns immer schon sehr wichtig.

Gregor: Das Mutige im Pop, was es in den 50er und 60er Jahren noch gab. Wo Pop komisch war, wo schräge Elemente in einem Pop-Song noch Platz hatten.

Franz: Pop ist etwas, das jedem offensteht. Was auf den ersten Blick sehr leicht und gehaltlos ist. Aber dennoch ein Behälter ist, den man füllen kann.

In einem b>Interview mit uns meintet ihr, dass Kreisky einem engen Konzept folgt. Hat sich dieses Konzept durch das Spielerische auf "Blick auf Alpen" gelockert?

Franz: Das Konzept ist entstanden, als deutschsprachige Rockmusik eine relativ langweilige Phase durchgemacht hat. Es ging viel um Befindlichkeiten, Melancholie – ein sehr einfacher Zugang für das Publikum. Ein bisschen niedlich war das Ganze damals. Wir wollten da wieder Ecken und Kanten reinbringen. Die haben wir natürlich nach wie vor. Aber mittlerweile gibt es wieder einige Bands, die zackiger arbeiten. Da galt es einfach, unser Vokabular zu erweitern. Um nicht immer als jene Band zu gelten, die Rocksongs mit schlechter Laune macht, sondern dass unseren Songs die Möglichkeit offen steht, sich woanders hin zu entwickeln. Mit der Erwartungshaltung brechen.

Viele Geschichten werden auf "Blick auf Alpen" erzählt. Im Fokus steht diesmal der Mensch und der Widerspruch, der ihn ausmacht.

Gregor: Der Mensch ist ja ein komisches Wesen. Einerseits will er dazugehören, echt und virtuell. Gleichzeitig will er aber unbedingt ein Individuum sein und legt Wert darauf, Dinge zu tun, die ihn als Individuum auszeichnen. Nur um dann draufzukommen, dass es sehr viele Individuen gibt, die genau das gleiche machen.

Franz: Thema des Albums ist auf jeden Fall die Frage, wie sich jeder Mensch seine Philosophie aufbaut. Was macht der Mensch, um sagen zu können "Und das bin jetzt ich!" Diese Selbstvergewisserungen treiben halt oft seltsame Blüten, die interessante Geschichten liefern.

Was meint ihr, wo dieser Drang herkommt?

Franz: Eine Frage auf die Antwort zu finden, warum man auf der Welt ist, ist ja ein Ur-Bedürfnis. Daraus entspringen Religionen, Philosophien. Um das Leben nicht einfach abzuhaken, braucht es da einen Grund.

Gregor: Um aus der Langeweile der Sicherheit auszubrechen. Sich dessen zu vergewissern, wo man steht im Alltag. Doch das war auch nicht immer so. Nach dem Krieg war es wichtig, etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf zu haben. Doch dann kam der Italien-Urlaub, Blockflöte, Tenniskurs, Reiten, Ballett …

Seht ihr diesen Trend der Individualisierung negativ, oder seid ihr da vielmehr in der Rolle der Beobachter?

Franz: Negativ eigentlich gar nicht. Wer kann sich noch mehr selbst darstellen als wir? Wir sind ja auch gerne so speziell und haben unsere Band, das treibt uns ja auch an. Was wir betreiben, ist ja hoch-individualistisch.

Gregor: Ja, hoch scheinindividualistisch. Es gibt dann immer so schöne Gelegenheiten, wie das Eurosonic-Festival, wo man in einem riesigen Hotel übernachtet. Man kommt zum Frühstück und sucht seine Bandkollegen. Nur leider kann man sie einfach nicht finden, weil da hunderte Typen sitzen, die enge schwarze Jeans anhaben und die selbe Frisur tragen …

Franz, woher nimmst du die lässigen Geschichten für deine Texte? Bist du oft im Wirtshaus oder im Kaffeehaus?

Franz: Ja.

… und redest dort mit den Leuten?

Franz: Nein, haha. Ich hör’ am Nebentisch zu, was gesagt wird. Da gibt’s ja immer schöne Sager. Solche Beobachtungen dienen gut als Nukleus. Oft ist das aber dann aber erst ein Punkt und ich erfinde etwas Anderes dazu, paraphrasiere und mache etwas Neues daraus. Es geht um Situationen des Menschlichen, in denen man sich selber erkennt. Denn die Zuhörer sollen sich mit den Geschichten identifizieren und im eigenen Leben widerspiegeln können. Es soll aber auch etwas sein, das man nicht schon tausend Mal gehört hat.

Bild(er) © Ingo Pertramer
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