Indie Disco Inferno auf zwei Floors

Die Szene in Wien floriert. Doch neben den großen Locations wird nach wie vor in kleinen Clubs, in den Beisln und Pubs der Hauptstadt gefeiert. Doch tut sich da irgendwas? Genau hier fragen wir nach. Heute bei Luis vom B72.

Im Internet findet man Aussagen wie diese hier: "Das Publikum ist recht jung (17-19), besoffen und unangenehm". Ist das B72 ein Ort, wo man sich gehen lassen kann oder gibt es Grenzen?

Nun, das Internet ist zum Glück nicht allwissend. Das B72 ist ein Club und da gehört auch das Feiern und ein wenig Ekstase dazu. Aber auch am Wochenende kommt viel älteres Publikum die genauso ihren Spaß haben wollen wie das junge Partyvolk. Und ehrlich gesagt ist es uns lieber, wenn die Jugendlichen zu "vernünftiger" Musik abgehen als in einer der Großraumdiscos zu stumpfsinniger Musik sinnlos beschallt werden. Grenzen gibt es klarerweise aber zum Glück weiß der Großteil unseres Publikums sich zu benehmen. Wir sehen uns also in keinster Weise als alternative Abfüllanstalt für Jugendliche, bei uns gibt es auch keine Happy Hour oder ähnlich animierende Aktionen.

Ist das angesprochene junge Publikum oftmals ein Problem? Egal ob Behörden oder exzessive Partyallüren.

Nein. Wir waren alle mal jung und haben mal einen über den Durst getrunken, das darf man nicht zu eng sehen. Da wäre man im Musikgeschäft auch schlecht beraten damit, da gehört die Party einfach dazu.

Vor nicht mal zwei Jahren wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet, und ein paar Monate später ein Rettungsplan entworfen. Verläuft alles nach Plan und kann man beruhigt davon ausgehen, dass es das B72 noch weitere 17 Jahre geben wird?

Das ist zum Glück alles so weit in trockenen Tüchern, die Sache ist – auch dank unserer verständnisvollen Geschäftspartner – zur allgemeinen Zufriedenheit, vom Tisch. Wir wurden leider bis dato von diversen staatlichen kulturellen Fördertöpfen ausgeklammert, warum auch immer, was die Finanzierung bestimmter Veranstaltungen sehr schwierig machte und macht. Aber wir sehen auf jeden Fall beruhigt in die Zukunft.

Im Zuge der damaligen Schockmeldung, erhoben Kritiker ihr zynisches Haupt und sprachen vom baldigen Gürtelsterben und bezeichneten das Projekt, das Ende der 1990er den Gürtel beleben sollte, als missglückt. "Es wäre ein Graus in den Morgenstunden in diesem Viertel unterwegs zu sein". Wie siehst du das Ganze als "Ansässiger"?

Das Ende der Kulturszene am Wiener Gürtel ist zum Glück noch lange nicht abzusehen. Wo gefeiert wird, fällt auch mal ein Glas runter. Klar ist das kein schöner Anblick, aber ganz ehrlich, durch das Bermuda-Dreieck oder derartige Locations darf man frühmorgens auch nicht flanieren. Wir schauen, dass sich unser Publikum benimmt, auch vor dem Club. Wenn es zu sehr aussieht räumen wir selber auf und warten nicht auf die MA 48. Und ganz ehrlich, beim morgendlichen Nachhauseweg sind mir 100 gut gelaunte Gürtelbesucher in der U6 bei Weitem lieber als 15 Partytypen einer Großraumdisco.

Wühlen wir noch mal schnell in der Nostalgie-Kiste. Was war dein #B72-Moment, seitdem du im Team dabei bist?

Ich denke das lässt sich nicht auf einen Moment reduzieren. Es gibt immer wieder Gänsehaut-Momente, wo einem völlig klar ist, warum man diesen Job ausübt. Ich erinner mich an einen Auftritt von IAMX wo einem die Luft wegblieb, so magisch war diese Show. Oder wenn sich La Dispute auf der Menge bis zur zweiten Bar tragen lassen. Oder wenn William Fitzsimmons so fragil ins Mikro haucht, dass man wirklich eine Stecknadel hätte fallen lassen hören. Oder wenn wir im Buch der Lassie Singers erwähnt werden, mit der simplen Formel "Kleiner Backstageraum ergibt geile Show". Es gibt ganz viele besondere Momente, fast jeden Abend gibt es einen neuen.

Ihr seid ja eins der wenigen zweistöckigen Konzertlocations. Ist ja auch nicht ganz ungefährlich. Gab es schon mal Crowdsurfing-Vorfälle "Maisonette-Style" oder Ähnliches?

Nein, da überwiegt wohl der Respekt vor der Höhe. Es kommt schon vor, dass Musiker, teilweise mit Instrumenten, den Balkon von der Bühne aus erklimmen und dann ratlos obenstehen und sich fragen wie verdammt noch mal sie da wieder runterkommen sollen. Aber gerade diese zweite Publikumsebene ist für ganz viele Acts etwas ganz besonderes, so nah dem Publikum zu sein und das auch noch auf zwei Ebenen ist für viele ein ganz besonderes und intensives Erlebnis.

Was muss ich tun, um bei euch nicht reinzukommen?

Dich daneben benehmen und dir oder deinen Mitmenschen Schaden zufügen oder sie respektlos behandeln.

Das B72 veranstaltet jährlich mehrere Hundert Konzerte und Dj-Abende. Vor allem Indie, Rock und Hip-Hop wird hier groß geschrieben. Ein kleines Bier bekommt man ab 3,00, einen Spritzer ab 2,60, alkoholfrei ab 1,80 und Shots ab 2,50. Das aktuelle Programm findet man immer hier und hier. Wir halten euch hier weiterhin über kleine Clubs am Laufenden.

Mehr zur kleinen Clubkultur gibt es hier:

Das Bach: Der Punk geht den Bach runter

Polkadot: Jetzt bin ich der Chef

Shelter: Gimme Shelter

Café Carina: Rock’n Roll im Drogenmilieu

Local: Rock am Ende des Gürtels

Tüwi: Eine endlose Abrissparty

Kiez: Einmal ohne Bühne, bitte!

Café Prosa: Luft und Liebe

Avalon: Wirtshaus mit Kulturschock

Tonstube: Fusion-Clubbar mit Privatstrand

Zwe: Jazz ist anders

Loop: Nevermind the Cocktails

https://thegap.atrubriken/stories/artikel/der-punk-geht-das-bach-runter/

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