Ines Doujak und ihre »Geistervölker« in der Kunsthalle Wien

Die Pandemie. Nichts hat uns in den letzten beiden Jahren als Gesellschaft mehr beschäftigt als sie. Für die Ausstellung »Geistervölker« widmete sich die 1959 in Klagenfurt geborene und in Wien lebende Künstlerin Ines Doujak in ihrer Arbeit als Künstlerin, aber auch Archivarin, Forscherin und Sammlerin dem Thema Pandemie mit Blick auf die Geschichte, auf Kapitalismus und Kolonialismus.

© Ines Doujak, Geistervölker (2021)

Wie haben sich Pandemien im Lauf der Geschichte entwickelt? Wo lagen ihre Ursprünge? Wie stellte und stellt sich das Verhältnis von Viren zum weltweiten Handel dar? Wie jenes zu aktuellen ökonomischen, mikrobiologischen und ökologischen Krisen?

Schon lange vor der Corona-Krise beschäftigte sich Doujak mit erkrankten menschlichen Körpern und deren Verhältnis zu Flora und Fauna sowie mit der drohenden Gefahr von Pandemien. Der Titel der umfassenden Einzelausstellung in der Kunsthalle Wien verweist nun auf ihre bedeutende Werkgruppe »Geistervölker«, eine Serie von Collagen aus Darstellungen von Hautkrankheiten, die die Künstlerin in medizinischen Lehrbüchern aus dem 19. Jahrhundert fand. Diese Collagen dienen auch der Konzeption ihrer Skulpturen.

Fröhlicher Protest

Diese »erkrankten Körper« haben etwas Neuartiges, das sie auf produktive Weise von ihrem früheren Zustand unterscheidet. Die Erkrankung tritt dabei in den Hintergrund, mit befreiender Wirkung entwickeln sie eine heroische Gleichgültigkeit, einen fröhlichen Protest angesichts der Standards, die über krank bzw. gesund entscheiden. Vor allem, um die Funktionstüchtigkeit des Systems und die Disziplin aufrechtzuerhalten.

Doujak fügt den verletzten, mutierten Körper neu zusammen, sie »repariert« ihn und stellt so eine noch nie dagewesene Ganzheit her. Für Doujak »wuchern Geistervölker« und sind ständig im Fluss. Sie werden – wie das Fleisch der Figuren in ihren Collagen und Skulpturen, die sich ständig erweitern – zu einem unkontrollierbaren Auswuchs. Der eigentliche Auswuchs ist aber die erbarmungslose Expansion und das ständige »Wachstum« der kapitalistischen Produktion.

Ausstellungsansicht: »Ines Doujak. Geistervölker«, Kunsthalle Wien 2021, Foto: Markus Wörgötter

Arbeit und Ausbeutung sind dabei zentrale Themen, die die Künstlerin immer wieder – mittels Fotografie, Performance, Film und Installation – aufgreift. Zahlen und Fakten zu moderner Sklaverei, Menschenhandel und Prostitution zeigen in der Ausstellung die Ausmaße einer ungeheuerlichen illegalen Ökonomie. Ihre Kehrseite sind legaler Handel und legale Produktion, deren ausbeuterische Seiten akzeptiert sind und daher umso heimtückischer wirken.

Das eigentlich Monströse

Nicht Doujaks Figuren sind dabei das eigentlich Monströse, sondern die Strukturen der Ungleichheit, der Gier, die Kapitalismus und Kolonialismus geschafft haben und schaffen. Das Universum der Künstlerin überwindet und dezentriert den Ekel und die Schuld, die die Geschichte grundlegend prägen und die darüber bestimmen, wie wir Krankheiten, Pandemien und deren Übertragung wahrnehmen und wie wir mit ihnen umgehen.

In der Ausstellung, die neuere und ältere Projekte kombiniert, erscheinen Ratten, Fliegen, Fledermäuse, Krähen, Würmer, Tauben und Spinnen in verschiedenen Formen als Überträger*innen von Krankheiten, aber auch als eindrucksvolle, verdichtete Bilder der gefährlichen Beschränktheit und gesellschaftlichen Bedingtheit einer dominanten anthropozentrischen Sichtweise.

Die Ausstellung »Ines Doujak. Geistervölker« ist noch bis 23. Jänner 2022 in der Kunsthalle Wien zu sehen. Die Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 19 Uhr sowie Donnerstag von 11 bis 21 Uhr. Unter www.kunsthallewien.at ist überdies »Transmission: Eine Serie von fünf Podcasts über Seuchen und Pandemien in einer verdrehten Welt« von Ines Doujak und John Barker abrufbar.

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