»Wenn unsere Apparate Menschen ersetzen, haben wir grob was falsch gemacht« – Johannes Grenzfurthner im Interview zur Roboexotica

Bei der Roboexotica, dem Festival für Cocktail-Robotik, bekommen die wildesten mechanischen Kreationen eine Bühne. Im Interview mit The Gap erklärt Co-Veranstalter Johannes Grenzfurthner, wie es zu dem außergewöhnlichen Festival gekommen ist und warum die Roboter der Roboexotica menschliche Barkeeper*innen nicht ersetzen werden.

© K Pachs / Wikimedia

Ein »Festival für Cocktail-Robotik« klingt zunächst schon nach einer spezifischen Nische. Wie ist es dazu gekommen?

Johannes Grenzfurthner: 1993 gründete ich mit Franz Ablinger Monochrom, ein alternatives Magazin und Online-Bulletin. Es enthielt Anleitungen für DIY-Projekte (wie den Bau eines Isolations­tanks oder einer Rakete aus einem Wasser­spender) und kritisierte die uninspirierte und martialische Maschinen­kultur, z. B. durch gepflegten Spott über Survival Research Labs und Etoy. Statt­dessen forderte Monochrom einen spielerischeren Umgang mit Robotern, die mit uns feiern, statt für uns zu arbeiten.

Vor der Jahrtausendwende war in Wien die Gruppe Shifz – die Syntharturalisten – sehr aktiv. Sie experimentierten mit Gehirn­wasch­maschinen und skurrilen TV-Programmen. Vor 25 Jahren bildete sich im Vekks im fünften Wiener Bezirk eine Kern­gruppe von Techniker*innen, Künstler*innen und Hobbyist*innen, um einen automatisierten Bar­betrieb während eines Festivals zu testen. Ein Portalkran spannte sich über den Raum und eine Gondel konnte an den Tisch bestellt werden, um Getränke zu holen. Es gab auch einen kegel­förmigen Roboter namens Alan, der Getränke und Snacks anbot, und Cockbot 1, eine Maschine, die Cocktails mixte. Zwischen Shifz und Monochrom entwickelte sich eine lockere Zusammen­arbeit. Wir förderten den Austausch, etwa durch die Rallye E55 im Jahre 1999, ein Autorennen entlang der gleich­namigen europäischen Route, die Wien, Prag und Berlin verbindet, um die künstlerisch-technologischen Perspektiven der drei Hauptstädte zu erkunden. Diese Kooperation legte den Grundstein für die weitere Entwicklung der Cocktail-Robotik.

Als Monochrom 2003 in sein Hauptquartier im Wiener Museums­quartier zog, nutzten wir das größere Publikum, die Möglich­keiten der Institution und die Gelegen­heit, Gastkünstler*innen einzuladen. Seitdem ist Roboexotica ein fester Bestandteil des Wiener Veranstaltungs­kalenders. Die Veranstaltung wuchs und sucht seit 2008 jährlich nach neuen Standorten. Über die Jahre entstanden Hunderte Maschinen und Installationen, die Tausende mit ihrer Kreativität begeisterten. Für manche war es der Einstieg in die Robotik, andere schwören, es sei die beste Form der Berauschung in Wien. In jedem Fall regt es zum Nachdenken über die Zukunft unseres Lebens mit Technologie an. Würdest du einem Bar-Roboter spät in der Nacht deine Lebens­geschichte erzählen? Und warum? Weil er die besten Cocktails mixt?

An wen richtet sich die Roboexotica? Was erwartet die Besucher*innen?

Mein Co-Veranstalter Günther Friesinger und ich sehen die Kernidee der Roboexotica – trotz aller Party – auch als eine Art Volks­bildung: Menschen mit dem ironischen Versprechen einer robotischen Party zu locken, ihnen dann aber beinhart etwas über DIY, Technik, Wissenschaft und Philosophie zu erklären. Und dieser Trick funktioniert immer noch sehr gut. Bei der Robo­exotica liegt der Fokus auf dem Flair, der Atmosphäre und der Persönlich­keit, die Roboter ausstrahlen können. Anstelle von Effizienz streben die Schöpfer*innen dieser Roboter danach, sie kultiviert und weltgewandt zu gestalten. Diese Grundidee ist seit der Gründung im Jahr 1999 ein zentraler Bestandteil des Events.

Die Veranstaltung konzentriert sich nicht auf die Entwicklung kommerziell rentabler Roboter oder menschenähnlicher Gadgets. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf dem Zusammen­bau von Maschinen, die einen einzigartigen mechanischen Charme und eine eigene Persönlichkeit aufweisen. Um dieses Konzept zu erweitern, betrachtet Roboexotica Roboter als mehr als nur funktionale Werkzeuge. Diese Roboter sind als Kunstwerke konzipiert, die die traditionellen Grenzen der Robotik überschreiten. Sie beeindrucken nicht nur durch ihre technischen Fähigkeiten, sondern auch durch ihren Charakter und ihre Einzigartigkeit. Sie sind darauf ausgelegt, mit dem Publikum zu interagieren und eine emotionale Verbindung herzustellen. Roboexotica dient als Treffpunkt, um Ideen auszu­tauschen, wobei der Fokus auf der menschlichen Seite der Robotik liegt.

Heuer ist euer 25-Jahr-Jubiläum. Gratulation! Wie werdet ihr das am Festival feiern?

Das wird eine Sause, wie Günther das immer so schön sagt. Wir haben zum Beispiel etwa 50 Student*innen von der FH Joanneum dabei, die gemeinsam mit Anika Kronberger ein paar extrem schöne Designs realisiert haben. Um den Nachwuchs müssen wir uns also nicht fürchten. Ich scheue mich ja davor, zu viel zu verraten, weil es auch immer das Problem gibt, dass manche Hacker*innen am Tag der Veranstaltung verkünden, dass sie nicht fertig geworden sind, und dann einfach nicht auftauchen, aber eines ist fix: Es wird knallen.

Welche Roboter sind dir über die Jahre besonders im Gedächtnis geblieben?

Jeder, der Interesse am Bauen hat, kann teilnehmen, und viele Besucher*innen werden später zu Mitwirkenden. Und wir haben schon alles gesehen … Zum Beispiel gab es eine Maschine, die Absinth über eine Distanz von 50 Metern, über das Publikum hinweg, in einen Auffang­trichter spuckte. Oder einen wunderbaren Eskalations­roboter, der per Gesichts­erkennung zu erkennen versuchte, wer die betrunkenste Person im Raum war, um dieser dann ein Bier zu bringen. Oder einen Cocktail­brunnen für Hunde. Oder den Robomoji, die schönste und ineffizienteste Apparatur des Universums. Es dauerte 15 Minuten, um einen Mojito zu machen, und es war so laut, dass man sich daneben nicht unterhalten konnte, aber es war auch das schönste Werkl, das man sich vorstellen kann.

Ein Beispiel für den Erfolg trotz anfänglicher Rückschläge ist der Amaletto­mat von Zwax, ein Palatschinken-Roboter, der anfangs an einem Teigklumpen erstickte, aber später zur Bar-Food-Maschine des Jahres gewählt wurde und uns davon überzeugte, neben unseren Awards für Cocktail-Mixen, Cocktail-Servieren und Bar-Konversation auch noch eine Snack-Kategorie einzuführen.

Werden Roboter irgendwann Menschen im täglichen Barbetrieb ersetzen?

Die Idee von Cocktails mixenden Robotern bei der Roboexotica fungiert als ironisch-spielerische Auseinander­setzung mit der Technologie­welt. Diese Veranstaltung geht über die bloße Präsentation von Maschinen hinaus und taucht in tiefgreifende Diskussionen über Technologie-Hypes, Wissenschafts­gläubigkeit und Technik­soziologie ein. Sie beleuchtet auch, wie sich im Laufe der Zeit die Darstellung und Vermarktung von Technologie verändert hat. V. Vale hat die Roboexotica treffend als ironischen Ansatz beschrieben, der darauf abzielt, den vorherrschenden Techno-Triumphalismus zu hinterfragen und die Mechanismen hinter techno­logischen Hypes zu entlarven und kritisch zu betrachten. Durch diese Herangehens­weise wird die Roboexotica zu einer Plattform, die nicht nur technische Innovationen zeigt, sondern auch zum kritischen Nachdenken über die Rolle und das Potenzial von Technologie in unserer Gesellschaft anregt. Wir stellen die Frage, wie Technologie unser Leben beeinflusst und inwieweit wir bereit sind, technolo­gischen Fortschritt kritisch zu hinterfragen. Wir sind eben nicht Siemens, ganz im Gegenteil. Wenn unsere Apparate Menschen im Barbetrieb ersetzen sollten, dann haben wir grob was falsch gemacht.

Gerade in der Robotik gibt es ja durchaus Spannungen zwischen DIY-Kultur und kommerzieller Industrie. Wie seht ihr das Verhältnis?

Während die DIY-Robotik durch Kreativität, Experimentier­freudigkeit und eine offene Community geprägt ist und sich auf das Lernen, den Spaß am Erstellen und das Teilen von Wissen konzentriert, fokussiert die kommerzielle Industrie auf Effizienz, Zuverlässigkeit und Profitabilität. Trotz dieser Unterschiede können sich beide Bereiche gegenseitig ergänzen: Die DIY-Kultur bringt innovative Ideen und Perspektiven ein, die die kommerzielle Robotik inspirieren können, und es gibt einen Wissens­transfer zwischen beiden. Die DIY-Szene betont zudem oft gesell­schaftliche und kulturelle Aspekte der Robotik, was zu einer breiteren Diskussion über die Rolle von Technologie in der Gesellschaft beiträgt. Beide Bereiche spielen daher wichtige Rollen in der Robotik und können durch Austausch und Zusammen­arbeit zu innovativen Lösungen führen.

Die diesjährige Roboexotica findet von 14. bis 17. Dezember in der Kunsttankstelle Ottakring statt.

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