Isis Hassans Eltern haben nichts falsch gemacht. Dennoch hat ihre Tochter es gerade nicht leicht. Ein paar persönliche Beobachtungen und ein Gespräch über die Krux mit den Namen und Alltagsrassismus.
Letzthin hat uns unser Herausgeber Thomas Weber erklärt, wie es sich mit einem alltäglichen Namen wie dem seinen so lebt. Dass es da schon einmal zu Verwechslungen kommen kann, was dann besonders unangenehm wird, wenn ein anderer Thomas Weber für eine politische Partei kandidiert und man selbst Lob oder Schelte für die vermeintliche Kandidatur abgreift. Schon bei Erscheinen des Artikels spielte ich mit dem Gedanken, dem Herausgeber und unseren LeserInnen einmal vom umgekehrten Fall zu erzählen. Ein paar Anekdoten hätte ich da schon auf Lager, mit denen sich sicherlich viele Menschen, die einen ungewöhnlichen Namen tragen, identifizieren können: Sei es der tägliche Buchstabierungsmarathon, seien es die Wartezeiten auf der Post, weil der Brief mal wieder falsch eingeordnet wurde.
Unverwechselbar
Gerade als publizierender Mensch bringt einen ungewöhnlichen Nachnamen zu haben einige Vorteile: Man bleibt in Erinnerung, wird nie verwechselt und leicht aufgefunden. Und ja, es soll schon Leute gegeben haben, die mich um meinem Namen beneidet haben. Nicht selten habe ich Sätze wie "Bewirb dich da, du bist eine junge Frau mit Migrationshintergrund – das bekommst du sicher" gehört. Unreflektierte Kommentare wie diese machen klar, dass Amira Ben Saoud zu heißen nicht das Gegenteil davon bedeutet Thomas Weber zu heißen. Es scheint viel eher "eine Frau mit Migrationshintergrund zu sein" zu bedeuten – und auch wenn das in so mancher Szene oder Blase (Kulturbereich, Journalismus) angeblich Vorteile bringen soll, schaut es doch im Alltag etwas anders aus.
Nachnamen mit Nachteilen
Als ich Isis Hassan eigentlich zu ihrem gerade ungünstigen Vornamen interviewen will, erzählt sie von ihrer Wohnungssuche in Kopenhagen. Ihr Vorname sei dort nicht das Problem gewesen. Als sie E-Mails von einer Adresse aus schickte, die sowohl ihren Vor- als auch ihren Nachnamen beinhaltete, wurde nur eine von 20 Mails beantwortet. Als sie auf den Nachnamen verzichtete, bekam sie immerhin auf eine von fünf Mails eine Antwort. Hassan läuft nicht. Was mir daran besonders erwähnenswert erscheint, ist, dass Menschen wie Isis und ich in unserem täglichen Leben persönlich sehr wenig mit Rassismus konfrontiert sind. Im Gegensatz zur Frau mit dem Kopftuch, die von manchem "Einheimischen" argwöhnisch im Bus angegafft wird (wie sich leider immer wieder beobachten lässt), kann niemand von unserem Erscheinungsbild auf unsere vermeintliche Herkunft schließen. Nur wenn dann mal ein gesichtsloses Mail daherkommt, bekommen wir die Wohnung dann eben nicht.
Und jetzt auch noch der Vorname
Nicht nur stellte sich die Wohnungssuche mit dem Nachnamen Hassan als schwierig heraus, Isis hat auch noch diesen jetzt gerade nicht sehr opportunen Vornamen. Irgendwann letzten Sommer, sagt sie, haben die Witze begonnen. Sie nimmt es mit (schwarzem) Humor, greift den Witzen manchmal sogar voraus, indem sie beim Vorstellen Dinge wie "I’m Isis, you know, like the terrorist organziation", sagt. Wer das zynisch findet, sollte bedenken, dass Isis ständig mit ähnlichen Witzchen konfrontiert ist. Wenn irgendwo eine Bombe hochgeht, hört Isis am nächsten Tag nicht selten, "dass sie es gestern mal wieder übertrieben habe". Und wenn es darum geht, welche Bar man abends besucht, sagen die Kollegen scherzhaft "I follow Isis". "Sie könnten sich wenigstens mal neue Witze überlegen", meint sie, die der ganzen Namenssache schon relativ abgeklärt gegenübersteht.
Skurril wird das Ganze erst, wenn Isis – so geschehen – in einem beruflichen Kontext Mails bekommt, in denen sich Leute von ihr distanzieren. Oder sich Hate-Follower auf Twitter einstellen, die "die ganze Zeit vom IS getötete Kinder posten". Wenn Isis heute nach ihrem Namen googelt, so sieht sie Screenshots von Enthauptungsvideos anstatt von Hieroglyphen und Waffen statt Rihannas Busen. Keiner fragt sie mehr, ob sie heiße wie der Bob Dylan Song. Ganz allein ist sie jedenfalls nicht: So soll eine Software Entwicklerin namens Isis Anchalee von ihrem Facebook-Account "ausgesperrt" worden sein. Auch ein Pharmakonzern namens Isis überlegt gerade eine Namensänderung.
Es ist doch nur ein Name
Wie Namen schwerwiegend dazu beitragen können, wie man wahrgenommen wird, wissen wir nicht erst seit dem Diktum "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose". Wie das ganze mit einem "ausländischen" Namen aussieht, liest sich zum Beispiel in einem Blogbeitrag von Melisa Erkurt für den Biber. Weniger oft hört man davon, wie der eigene Name auf einen selbst wirkt. Hier ergibt sich eine spannende Parallele zwischen dem Interview mit Isis und Thomas Webers Text.
So schreibt Thomas Weber (also unser Thomas Weber, nicht die anderen): "Hin und wieder hat es mich kurz gerissen, auf Facebook zu sehen, dass "ich" Dinge für gut befinde, die ich eigentlich eher anders sehe." Schlimmer nur, wenn das Ich kein anderer Weber sondern eine Terrororganisation ist, wie Isis berichtet: "Ich finde es auch immer wieder verstörend, wenn Medien ISIS nicht in Großbuchstaben schreiben und ich und ich beim Drüberfliegen der News nach meinem Namen schreckliche Dinge stehen sehe". Isis findet ihren Namen übrigens nach wie vor schön und super und würde sich wünschen, dass sich für "die andere ISIS" die Bezeichnung IS, Daesh oder ISIL durchsetzt.
Die Witze über Isis‘ Vornamen werden sich irgendwann erschöpfen, das Problem mit dem Alltagsrassismus wird aber bleiben. Genauso wie die unreflektierten Kommentare über vermeintliche Vorteile, die gewisse Namen in gewissen Szenen bringen. Weil es eben um mehr als nur Namen geht.
Isis Hassan ist Mitbegründerin des österreichischen Musikblogs Walzerkönig. Die Autorin auf Twitter: oidaamira