Vor ein paar Tagen ist das neue Ash-Album »Islands« erschienen, mit dem die Band zu alter Stärke zurückkehrt. Im Interview erzählt uns Ash-Frontman Tim Wheeler, was es mit dem Albumtitel auf sich hat, warum er keine politischen Songs schreibt und was er vom Brexit hält.
Ihr habt gerade euer neues Album »Islands« herausgebracht, seid ihr zufrieden damit?
Oh ja, mehr als zufrieden. Es sind starke Songs darauf, und die Reaktion der Fans ist toll. Es ist das richtige Album zur richtigen Zeit, ein perfektes Album für den Sommer. Auch mit dem Artwork sind wir sehr zufrieden, vor allem mit der Vinyl-Version, bei der die Platten silber-metallic sind.
Habt ihr die Songs schon live gespielt?
Wir haben ein paar halbstündige Gigs in Plattengeschäften in England und Irland gespielt, was sehr viel Spaß gemacht hat. Sechs Songs vom neuen Album haben wir schon gespielt, speziell »Annabel«, »Buzzkill« und »Confessions in the Pool» kommen gut an. Und ich freue mich schon drauf, auch die restlichen Songs live zu spielen, wie »Incoming Waves« oder »Did Your Love Burn Out?«.
»Islands« ist euer siebtes Studioalbum, die Band gibt es bereits seit 25 Jahren, und eure Songs klingen immer noch frisch und unverbraucht. Fällt es dir leicht, Songs zu schreiben?
Wir sind tatsächlich bereits in unserem 26. Jahr. Bei diesem Album ist es mir sehr leicht gefallen, Songs zu schreiben, ich hatte eine sehr kreative Phase. Im Unterschied etwa zu »Nu-Clear Sounds«, da hatte ich den Stress, einen würdigen Nachfolger zu »1977« zu schreiben. Und bei unserem letzten Album »Kablammo!« fühlte ich mich ebenfalls gestresst, da es das erste Album war, nachdem wir uns offiziell dazu entschlossen hatten, keine weiteren Alben mehr aufzunehmen (lacht). Bei »Islands« lief alles gut.
Weil du das gerade angesprochen hast, ihr wolltet irgendwann nur mehr Singles veröffentlichen, warum seid ihr wieder zum Albumformat zurückgekehrt?
Ich habe wieder Gefallen daran gefunden, als ich mein Soloalbum gemacht habe. Ein weiterer Grund ist, dass Vinyl wieder so stark zurückgekommen ist. Alben sind wieder im Aufwind, und auch unsere Fans wollten es. Zuerst war es eine Herausforderung, wir mussten uns überlegen, welche Geschichten wir erzählen wollen, welche Songs am besten zusammen passen, welche Dramaturgie. Aber wir waren völlig frei in allem, wir konnten tun, was wir wollten.
Wie und wo schreibst du am häufigsten Songs, und wie war es speziell bei diesem Album?
Diesmal habe ich viel auf Reisen geschrieben. Ich habe viele Inseln bereist, in Japan, Spanien, Griechenland, Irland, Manhattan. Deswegen heißt das Album »Islands«. In New York habe ich eine wöchentliche Song-Challenge gemacht, zehn Songs in zehn Stunden zu schreiben. Das hat großen Spaß gemacht, und es sind viele gute Songs daraus entstanden (lacht).
Vorhin hast du den Song »Did Your Love Burn Out?« erwähnt, der mir am besten gefallen hat, als ich das Album das erste Mal gehört habe. Weißt du noch, wo du ihn geschrieben hast?
In New York. Ich war mir zunächst nicht sicher, ob er für das Album geeignet ist, da er so anders klingt und etwas aus der Reihe fällt, aber nun bin ich froh, dass ich ihn gewählt habe.
Ich mag auch das Gitarrensolo darin. Apropos, ihr seid eine Band, die klassischen Gitarrenrock spielt, in einer Zeit, in der man oft liest, dass Rockmusik ausstirbt. Wie ist deine Meinung dazu?
Ich denke, es ist nun die beste Zeit für Rockmusik, gerade weil Leute glauben, dass sie tot ist. Nun, da man Rock nicht mehr so oft im Radio hört, ist es cool, ihn wieder zu beleben. Heutzutage eine gute Rockband zu sein ist speziell. Ich denke, die Dinge werden sich wieder ändern, zumindest hoffe ich es. Außerdem macht es Spaß, ab und zu ein Gitarrensolo zu spielen (lacht).
Hast du einen Lieblingssong auf »Islands«?
»Incoming Waves«, weil es der ideale Song ist, das Album zu beenden. Ich hoffe nur, dass die Leute auch das Album bis zum Schluss hören. Für mich ist es ein Zeichen, wieviel mir der Song bedeutet, dass wir das Album damit beenden.
Ihr seid nun im 26. Jahr eures Bestehens und immer noch in der Originalbesetzung, wenn man vom Ausstieg von Charlotte Hatherley absieht.
Das liegt vor allem daran, dass wir gute Freunde sind und sehr gut miteinander auskommen. Natürlich hatten wir unseren Höhen und Tiefen, aber diese schwierigen Zeiten haben uns noch mehr Kraft gegeben. Wir haben das Glück, das tun zu können, was wir tun wollen. Am liebsten arbeiten wir zusammen an neuen Songs oder geben Konzerte. Mark und ich leben in New York, Rick in Schottland, uns trennt also ein kleiner Trip über das Wasser. Aber wenn wir zusammenkommen, harmonieren wir auf Anhieb, auch was das Musizieren betrifft.
Die Musik von Ash hat etwas Optimistisches, manchmal auch etwas Melancholisches, aber in erster Linie machen die Songs gute Laune. Wie siehst du das, bzw. reflektiert das auch deine Persönlichkeit?
Ja, definitiv, ich finde es gut, beim Songschreiben introspektiv zu sein. Ich mag Musik, die erhebend ist, selbst wenn sie traurig ist, kann sie einem Trost spenden.
Einige Bands und Musiker wie U2 oder Roger Waters, dessen Show ich letzte Woche gesehen habe, sind sehr politisch, wie siehst du die Mischung von Politik und Musik?
Oh, die Roger Waters-Show muss ich mir unbedingt ansehen. Was mich betrifft, ich wollte nie politische Songs schreiben, ich wäre darin auch nicht gut. Meine Songs funktionieren besser, wenn ich über Gefühle schreibe. Ich bin in Nordirland inmitten all seiner Konflikte aufgewachsen, und da war Musik für mich immer eine Form der Ablenkung, eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, wir mochten politische Musik nie besonders.
Bleiben wir noch kurz bei Politik, wie ist deine Befindlichkeit in Bezug auf Brexit?
Sehr deprimierend und traurig, ich war wirklich geschockt. Alle Leute und speziell Musiker, die ich kenne, sind dagegen. Wir schätzen die Verbindung innerhalb Europas. Das wird uns jedes Mal bewusst, wenn wir in Europa auf Tour gehen, wie großartig es ist, Teil davon zu sein. Wir haben alle auch mal in Großbritannien gelebt, und es ist sehr traurig, bald isoliert zu sein, möglicherweise mit einer Grenze nach Irland. Und das Abstimmungsergebnis gilt absolut nicht für alle, sehr viele Leute in Großbritannien sind pro Europa. Unser Glück ist nur, dass wir alle auch irische Pässe haben.
Du lebst nun in New York, hat die Stadt deine Art zu leben und auch dein Songwriting beeinflusst?
New York motiviert mich und gibt mir viel positive Energie. Es ist eine Stadt, bei der man das Gefühl hat, dass alles möglich ist, man kann dort sehr viel lernen. Kreativität und Kunst werden in New York sehr wertgeschätzt. Man sagt, in New York geht es nur ums Geld. Das stimmt schon, und es ist schade, dass Geld noch wichtiger ist als die Kunst, aber dennoch liebe ich New York.
Wird eure Musik besser in Europa oder in den USA angenommen?
Bis jetzt mehr in Europa, speziell in Großbritannien, aber auch in Japan. Unsere Fanbase in den USA ist etwas kleiner, aber sehr loyal. Wir haben immer davon geträumt, in den USA groß durchzustarten, wir hoffen immer noch darauf (lacht).
Ihr habt »Islands« auf einem neuen Label, Infectious, herausgebracht, dasselbe Label, unter dem ihr eure Erfolgsalben »1977« und »Free All Angels« veröffentlicht habt, war das der Grund?
Ja, der Betreiber des Labels hat uns unter Vertrag genommen, als wir 17 waren. Später ging es mit dem Label bergab, und er hat es dann vor ca. 10 Jahren neu gestartet. Nun ist er in einer Position, in der er uns wieder unter Vertrag nehmen konnte, was großartig ist.
Es gibt einen älteren Ash-Song namens »End Of The World«. Angenommen, die Welt würde untergehen und nur ein Song oder Album kann überleben, was würdest du wählen?
Eine schwere Frage. Ich denke »Hey Jude«. Ich habe Paul McCartney live gesehen und musste während »Hey Jude« weinen, speziell beim Mitsingchor zum Schluss.
Eine nicht ernst gemeinte Frage zum Schluss: Ich habe Ash das letzte Mal live gesehen, als ihr mit We Are Scientists zusammen eine Europatour gemacht habt. Vor ein paar Wochen haben We Are Scientists ebenfalls ein neues Album herausgebracht, wie schneidet es im Vergleich zu eurem ab?
(lacht) Unseres ist natürlich besser, weil mehr Songs drauf sind und es länger dauert.
Danke für das Interview, ich hoffe, Ash bald wieder mal live zu sehen.
Ja, wir gehen wahrscheinlich im November auf Europatournee, und da werden wir hoffentlich auch wieder in Wien spielen.
»Islands« von Ash erschien am 18. Mai auf Infectious Music. Hier findest du übrigens ein älteres Doppelinterview von We Are Scientists und Ash nach ihrem Konzert im Fluc.