„Jedes Sorority-Mitglied soll die Möglichkeit haben, sich einzubringen“

Die Sorority-Begründerinnen Therese Kaiser und Katharina Brandl geben ihre Leitungspositionen ab. Im Interview sprachen wir mit Ihnen über Trennungsschmerz, Selbstausbeutung und feministischen Future-Fun.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Knapp vier Jahre ist es her, als Sorority ins Leben gerufen wurde. Mit dem Motto: „Einfach mal machen!“ ist es Katharina Brandl und Therese Kaiser in den letzten Jahren gelungen, eine große Community aufzubauen, Feminismus von schwerfälligen Metadiskussionen zu lösen und ihm gelebte, informelle und praktische Leichtigkeit zu verleihen. Ziel war es stets, Frauen branchenübergreifend zu vernetzen, denn durch ein disperses Netzwerk kämpft es sich am leichtesten gegen die Vielfalt der Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt, so die Idee. Und die wurde umgesetzt: Beispielsweise durch zwei veranstalteten Business-Riot-Festivals, durch Mitgliederversammlungen, Workshops, sowie Kunst- und Kulturreihen. Während die beiden Begründerinnen zu Beginn noch auf der Wohnzimmercouch planten, füllt der Verein mit 400 ordentlichen Mitgliedern und um die 1500 UnterstützerInnen mittlerweile eher Turnhallen. Jetzt geben die beiden Ihre Führungspositionen ab. Zeit für einen Rückblick und für Fragen rund um Sachen Zukunft.

Zuallererst natürlich: Warum gebt ihr nach vier Jahren das Zepter ab und wie schwer fällt euch das? Wer folgt euch nach?

Wir haben die Sorority mit dem Gedanken gegründet, ein Netzwerk zu schaffen, das für Frauen aus unterschiedlichsten Branchen Vernetzung ermöglicht. Uns war immer klar, dass die Organisation und die programmatische Ausrichtung der Sorority nicht ewig von uns getragen werden kann. Einerseits ist die Sorority natürlich mit unglaublich vielen Arbeitsstunden verbunden, und auf der anderen Seite schadet es so einem Netzwerk wahrscheinlich auch, wenn immer dieselben Personen an der Spitze stehe. Jedes Sorority-Mitglied soll die Möglichkeit haben, sich einzubringen, und dazu gehört auch, dass der Verein im Vorstand flexibel bleibt. Aber es ist natürlich wahnsinnig schwierig, die Obfrauenschaft zu übergeben. Nicht, weil es niemanden gibt, der das nicht ebenso gut machen könnte wie wir, sondern weil natürlich unser Herz dranhängt. Es ist wirklich eine schmerzhafte Trennung, aber im Wissen, dass es die richtige Entscheidung ist – auch weil die Sorority mittlerweile ein Teil unserer persönlicher Geschichte ist. Uns folgen Sandra Nigischer und Martina Schöggl nach, die ja auch von Anfang an im Sorority-Vorstand waren.

Kümmert ihr euch weiterhin um das Business Riot Festival und wie geht es da gerade voran?

Genau, das Business Riot Festival wandert in unsere Agentur KATHE. Das Festival war wohl das größte Projekt, das wir je aus dem Boden gestampft haben, und wir sind mittlerweile schon mitten in der Konzeptphase für die nächste Ausgabe. Die wird etwas anders aussehen, auch, weil es nun ja nicht mehr an die Sorority gekoppelt ist und wir dieses Mal viel mehr Vorlaufzeit und sogar eine Handvoll Mitarbeiterinnen haben. Von 1. bis 10. März 2018 werden wir uns mit dem frisch gebackenen “Rrriot Festival” etwas umfangreicher mit Fragen nach der Zukunft der Arbeit(swelt), den Einfluss neuer Technologien und der Relevanz feministischer Bestrebungen auseinandersetzen. Die “klassische” Version des Business Riot Festivals wird voraussichtlich von 8. bis 10. März 2018 stattfinden. Die ersten Infos zu unseren Stargästinnen, Programm und inhaltlicher Ausrichtung werden wir im Spätsommer bekannt geben.

Vielleicht eine kurze Bilanz: Welche Meilensteine gab es für euch in den letzten Jahren Netzwerkarbeit, worauf seid ihr besonders stolz?

Die Entwicklung der Sorority in den letzten Jahren war für uns ein Wahnsinn, alleine, dass der Verein mittlerweile mehr als 400 Mitglieder hat, dass wir 2016 mehr als 40 Veranstaltungen auf die Beine gestellt haben, dass wir mit feministischen Inhalten viele Personen erreichen konnten – it’s been a hell of a ride! Und weil du Netzwerkarbeit ansprichst: Es war großartig, in den letzten Jahren mit so vielen g’scheiten und großartigen anderen Initiativen, Vereinen und Personen zusammenzuarbeiten. Das ist es ja auch, was die Sorority ausmacht: Dass Netzwerken für uns kein Ellbogen-Verhalten für den Weg nach “oben” ist, sondern in der Idee der Kollaboration liegt.

© Pamela Rußmann

Wo seid ihr vielleicht nicht so weit gekommen, wie ihr euch das gewünscht hättet?

Wir hatten ja keinen Vier-Jahres-Plan, mit dem wir an die Sache rangegangen sind, deshalb gibt es auch kaum unerreichte Ziele, denen wir nachweinen. Sinnvoll wäre sicherlich gewesen, besser auf unsere persönlichen Ressourcen und die des gesamten Vorstands zu schauen – der absolute Großteil der Arbeit war ehrenamtlich und wir hätten besser auf den Faktor Selbst-Ausbeutung achten sollen. Wir sprechen ja oft darüber, was Arbeit eigentlich überhaupt bedeutet und was die Verengung von Arbeit auf einen Begriffs von Erwerbsarbeit aus feministischer Perspektive heißt. Da gehört auch dazu, dass man seine eigenen Arbeitserfahrungen, auch im Vereinskontext, ja, alle Ehrenämter, die man so hat, auch als Arbeit qualifiziert. Wer sich für den guten Zweck ausbrennt, tut niemandem einen Gefallen. Es ist extrem schwierig, bei einer Sache, die einem sowohl persönlich vielleicht das wichtigste Anliegen, als auch gesamtgesellschaftlich so relevant ist, manchmal dann doch den Arbeitseinsatz ein bisschen zurückzunehmen, um nicht unabsichtlich alles andere um einen herum zu vernachlässigen.

Ihr habt mir im Interview vor zwei Jahren erzählt, dass Sorority mehr oder weniger als Idee im Wohnzimmer entstanden ist. Wie weit habt ihr euch von der damaligen Idee wegbewegt?

Die Sorority ist vor allem durch die Arbeit des unermüdlichen Vorstands von sechs bis sieben Frauen sehr professionell aufgestellt, also mit Wohnzimmer-Charme haben die Veranstaltungen vom Set-Up her wirklich nicht mehr viel zu tun. Was aber wichtig ist, und an den Wohnzimmer-Nukleus der Idee anschließt: Niederschwelligkeit ist uns nach wie vor zentral. Die Veranstaltungen und Netzwerkangebote sollen einfach zugänglich und jede soll das Gefühl haben, willkommen zu sein. Das wird sich auch in Zukunft sicherlich nicht ändern, ebenso wie der Anspruch, niemandem eine spezifische Vorstellung von dem, was Feminismus bedeuten soll, kann oder muss, aufzudrücken. Außerdem ist ja auch nicht so, dass unser beider Zugang zum Thema Feminismus sich nicht verändert hätte über die Jahre. Viele Dinge würden wir heute wohl anders formulieren als zu Beginn, und so hat sich auch die Sorority über die Jahre gewandelt und wird das auch in Zukunft immer wieder tun.

Gibt es Momente, in denen Diskussionen rund um Feminismus anstrengend werden? Vielleicht auch, weil erwartet wird, dass man sich daran beteiligt?

Klar, insbesondere, wenn man merkt, dass das Thema irgendwie im Trend ist, was ja grundsätzlich begrüßenswert ist, was aber gleichzeitig oft dazu führt, dass in Diskussionen wichtige Details, über die man besonders an den Schnittstellen von Arbeit und Feminismus reden muss, eher von leeren Phrasen ersetzt werden. Und nicht jedes Mal, wenn Marcus Franz auf Twitter kräht, muss man mitreden, weil manche Diskussionen einfach keinen Sinn machen. Die Sorority war und ist politisch, weil die Initiative natürlich von Gerechtigkeitsfragen ausgeht. Der Vorteil unserer Position ist aber dennoch: Wir sind keine Politikerinnen und wenn wir uns nicht beteiligen wollen, dann tun wir es auch nicht. Sichtbar zu sein, ist wichtig und war ein zentraler Weg unserer feministischen Agenda, aber ohne ein gewisses Niveau an Gesprächskultur zu untergraben.

Die schönsten Momente aus vier Jahren feministischer Netzwerkarbeit?

Jedes Mal, wenn wir gesehen haben, dass das Konzept der Sorority aufgeht: Wenn Frauen Gleichgesinnte finden, wenn neue Vereine aus der Sorority gegründet werden, wenn Jobs vermittelt werden, wenn sich unsere Mitglieder gegenseitig helfen. Das Business Riot war jedes Jahr eine großartige Erfahrung: Die Qualität des Inhalts, die kann man ja in der Programmierung steuern, aber wirklich schön ist es, wenn man auch “softere” Erfolge hat: Wenn die Stimmung am Festival einfach super ist, die Besucherinnen glücklich, die Speakerinnen zufrieden, und das Gesamtkonzept aufgeht. Das ist ein Gefühl, das mit kaum etwas zu vergleichen ist. Wir haben das Business Riot nun zwei Jahre mit enorm geringen finanziellen Ressourcen gestemmt; die beiden Festivals sind vor allem in den Endphasen ziemlich an die Substanz gegangen und konnten nur in der Form über die Bühne gebracht werden, weil wir um uns herum ein wahnsinnig großartiges Netzwerk an Unterstützer_innen haben. Deswegen ist es umso schöner, wenn fast alles klappt, und man sieht, dass sich der monatelange Einsatz ausgezahlt hat.

Wie geht es mit Sorority weiter? Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

Der neue Vorstand hat zusätzliche Veranstaltungsformate erdacht und macht auch das, das sich bewährt hat, weiter. Die Sorority wird weiterhin ein lauter und starker Verein sein, wenn es um die Themen Feminismus und Arbeit geht, sich weiterhin nicht zu ernst nehmen und weiterhin aufschreien, wenn ihr jemand auf die Zehen tritt. Vor der Sommerpause gibt es bis Ende Juni noch dichtes Programm, Workshops, Vorträge und feministischen Lesezirkel, im Herbst geht es ebenso abwechslungsreich weiter. Für uns beide steht in den nächsten Monaten die Programmierung und Planung der beiden Festivalformate Rrriot Festival und des Business Riot an, nebenbei stellen wir unsere Agentur KATHE auf professionellere Beine. Daneben haben wir beide wieder mehr Zeit für neuen feministischen Fun, fürs Auflegen, für neue Clubreihen, für neue Ausstellungsreihen und für so Kleinigkeiten wie unsere Dissertationen. Wir sind ja zurzeit räumlich getrennt, Therese ist in Wien, Katharina in Basel, und auch für die Zeit nach unserer Trennung haben wir schon Weltfrauschaftspläne geschmiedet. So leicht kommt ihr uns also nicht aus!

Alle Infos zum Netzwerk Sorority findet ihr hier. Die nächsten Sorority-Mitgliederversammlungen finden am 22.5. und am 22.6. statt.

 

 

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...