Johannes Schubert hat als Produzent Filme wie »Dear Future Children« oder »Una Primavera« ins Kino gebracht. Im Interview mit The Gap erzählt er über Dreharbeiten an der Frontline von Protesten, seinen bisherigen Werdegang sowie über aktuelle Erfolge und zukünftige Pläne.
Geboren und aufgewachsen in Wien, arbeitet Johannes Schubert mittlerweile international als Filmproduzent – unter anderem hat er die Dokumentation »Dear Future Children« (Regie: Franz Böhm) produziert, die die Kämpfe dreier Aktivistinnen in den Fokus rückt. Der Film wurde mittels Crowdfunding realisiert, feierte seine Premiere beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 und startet nun in den österreichischen Kinos.
»Dear Future Children« bietet Einblicke in das Leben junger Aktivistinnen aus Chile, Hongkong und Uganda. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Regisseur Franz Böhm und welche Herausforderungen ergaben sich bei der Realisierung des Projekts?
Johannes Schubert: Franz Böhm und mich verband schon zu einem frühen Zeitpunkt des Projekts eine enge Kooperation. Wir lernten einander im Rahmen meines Studiums in England kennen. Von Anfang an hatten wir die gleiche filmische Vision, die gleichen Ideen einer guten Zusammenarbeit und es war uns wichtig, dass »Dear Future Children« ein Film über die junge Generation wird, gemacht von der neuen Generation.
Zu den größten Herausforderungen zählten die Dreharbeiten an der sogenannten Frontline der Proteste. Tränengasbeschuss und Gummigeschosse waren eine große Hürde für das Drehteam und das gesamte Produktionsteam. Das Team rund um Franz Böhm konnte und musste sich darauf in enger Zusammenarbeit mit Journalist*innen und Expert*innen akribisch vorbereiten, um einen sicheren Dreh zu gewährleisten. Die Dreharbeiten auf vier verschiedenen Kontinenten mit einem kleinen Budget waren eine Herausforderung, die durch das Arbeiten im kleinen Drehteam und mit Partner*innen vor Ort effizient gelöst werden konnte.
Wir wussten, dass wir das Projekt schnell umsetzen mussten, da sich die Protestbewegungen tagesaktuell weiterentwickelten und die Zeit lief, das Geschehene zu dokumentieren. Es musste also sofort gehandelt werden, was eine langwierige Projektfinanzierung unmöglich machte. Das Ganze wurde durch eine Crowdfunding-Kampagne ermöglicht, an der rund 400 Personen weltweit teilnahmen. Sie und die MFG Filmförderung haben an das Projekt geglaubt, dieses finanziell unterstützt und es überhaupt erst ermöglicht.
Das Thema des Films ist ja mehr als aktuell – und das Besondere an »Dear Future Children«: dass nicht nur der Regisseur Franz Böhm, sondern auch die Protagonistinnen und das Team sehr jung sind. Inwiefern hatte das Einfluss auf die Arbeit am Film?
Das Durchschnittsalter des Teams war zu Drehbeginn etwas mehr als 21 Jahre. Vom ersten Arbeitstag an war das Alter aber dennoch irrelevant. Es war sogar von Vorteil, weil das junge Team Zugang zu den Gruppierungen vor Ort auf Augenhöhe aufbauen und die Protagonistinnen unsere Beweggründe gut verstehen konnten. So war es möglich, schnell Vertrauen aufzubauen.
Es war entscheidend Protagonistinnen auszuwählen, die aus der Mitte der Bewegungen kamen. Bei den drei Protestbewegungen, die wir im Film begleiten, nehmen junge Menschen eine zentrale Rolle ein. Deswegen erschien es sinnvoll, Protagonistinnen dieses Alters auszuwählen, um so der jungen Generation eine Plattform zu geben. Und zu der großen, geräuschhaften Debatte über jungen Aktivismus einen kleinen, aber gut informierten Beitrag hinzuzufügen, welcher den Aktivistinnen vor Ort wirklich zuhört.
Du hast schon viele Projekte sowie zwei Studien absolviert. 2019 bist du im Forbes-Ranking »30 under 30« gelandet. Kannst du deinen Werdegang skizzieren und hast du Tipps für künftige Produzent*innen?
Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen. Da ich meinen beruflichen Werdegang als Redakteur bei der ORF-Sendung »Thema« begann, stand für mich der Inhalt eines Beitrages oder Films immer an erster Stelle. Das ist es, was mich beim Filmemachen antreibt. Ich hatte das große Glück, an der National Film and Television School (NFTS) in England und an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Deutschland – also an zwei tollen Filmhochschulen – studieren zu dürfen. Für mich war dies von unschätzbarem Wert, weil man sich an Filmschulen ausprobieren und aus Fehlern lernen kann.
Das Wichtigste war aber, dass ich dort Gleichgesinnte getroffen habe. Wenn man Menschen kennenlernt, weiß man sofort, ob man in dieselbe Richtung geht, und man spürt, ob es eine Verbindung gibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das aber nicht ausschließlich über die Filmhochschule geht, sondern jeder seinen eigenen individuellen Weg finden kann und muss.
Für meinen persönlichen Weg war es mir immer wichtig, Partnerschaften mit Filmemacher*innen anzustreben, die über die Arbeit an einem einzelnen Film hinausgehen, um so gemeinsam wachsen zu können. Mein Ziel ist es bei jeder Zusammenarbeit, den Filmemacher*innen ein echter Partner zu sein und ihnen die Möglichkeit zu geben, auf ihre eigene persönliche Art und Weise zu arbeiten.
Vor Kurzem wurde bekannt, dass der von dir produzierte Dokumentarfilm »Una Primavera« 2022 im Rahmen des renommierten Grimme–Preises von der Studierendenjury ausgezeichnet wird. Hast du mit so einer Resonanz gerechnet?
Die Auszeichnung bedeutet uns sehr viel, da sie zeigt, dass die Geschichte der Protagonistin aus »Una Primavera« brisant und universal ist. Der Film greift Themen und Gefühle auf, die verschiedene Generationen betreffen und jede*n von uns angehen. Er erzählt dokumentarisch von einer intimen Reise, auf der sich die Regisseurin Valentina Primavera gemeinsam mit ihrer Mutter mit tief verwurzelten patriarchalen Strukturen konfrontiert sieht, deren Auswirkungen auf Familie und Gesellschaft äußerst relevant sind.
Wir haben den Film außerhalb von Filmförderstrukturen oder Fernsehsendern umgesetzt. Das Besondere an der Produktion war, dass wir zu dem Zeitpunkt weder eine Filmhochschule, noch eine etablierte Produktionsfirma im Rücken hatten. Wir waren nur drei Freunde – fest überzeugt davon, diese Geschichte erzählen zu müssen. Dass dieser formal sehr kleine Film nun auf der prestigeträchtigen Grimme-Preis-Bühne geehrt wird, bestärkt uns darin, dass das, was wir erzählen wollten, einen Mehrwert für das Publikum hat.
Als erster Österreicher in den letzten zehn Jahren wurdest du als Producer on the Move zum Cannes Film Festival geschickt. Worum handelt es sich dabei genau und was konntest du davon mitnehmen?
Ich bin der Austrian Film Commission sehr verbunden, dass sie mich ausgewählt hat, als Producer on the Move die österreichische Filmbrache beim Cannes Film Festival zu vertreten. Insgesamt 20 europäische Produzent*innen trafen im Rahmen des Filmfestivals zusammen und durchliefen ein intensives Rahmenprogramm der European Film Promotion – alles mit dem Ziel, nachhaltige Produzent*innen-Beziehungen aufzubauen und im Idealfall internationale Koproduktionen anzustoßen. Ich durfte in diesem Rahmen Spielfilme vorstellen, die ich aktuell mit dem österreichischen-ägyptischen Filmemacher Abu Bakr Shawky und dem »Dear Future Children«-Regisseur Franz Böhm entwickle.
Aktuell arbeitest du auch an Jessica Hausners nächstem Film »Club Zero« mit Mia Wasikowska in der Hauptrolle, der im Sommer 2022 gedreht wird. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Es ist ein großes Privileg, mit Jessica Hausner und allen beteiligten Produzent*innen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammenarbeiten zu dürfen. Ich habe mir immer diesen internationalen Zugang zum Filmemachen gewünscht, den Jessica Hausner mit ihren Filmen verkörpert. Vor zwei Jahren, als Jessica Hausner eine frühe Drehbuchfassung für ihren nächsten Spielfilm »Club Zero« hatte, fragte sie mich, ob ich bei ihrer Produktionsfirma Coop99 Teil des Produzent*innenteams werden möchte. Europäische Zusammenarbeit und das Streben nach filmischer Exzellenz waren immer schon mein Wunschtraum und es ist mir eine Ehre, jetzt mit Leuten zu arbeiten, deren Filmografie ich schon lange bewundere.
Du hast bisher an recht unterschiedlichen Filmen gearbeitet. Welche Themen interessieren dich noch und was möchtest du mit deinen Filmen bewirken?
Mein Anspruch ist es, Filme zu produzieren, die das Publikum auf einer tieferen Ebene berühren und über die Grenzen des Films hinauswirken. Ich bin überzeugt davon, dass das Medium Film zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen kann. Wenn ich mit zukünftigen Projekte konfrontiert bin, versuche ich immer über den Grund ihrer Existenz nachzudenken, der über die künstlerische Selbstverwirklichung hinausgeht. Film im Allgemeinen ist ein teures Medium und es sind sehr viele Menschen daran beteiligt. Die Geschichten, die wir erzählen, sollten also von Relevanz sein.
Dabei kann es sich um einen politischen Dokumentarfilm handeln wie bei »Dear Future Children« oder um einen animierten Familienfilm wie bei »Laika & Nemo«, in dem es um einen Tiefseetaucher geht, der zunächst in der Schule verspottet wird, später aber auf eine Astronautin trifft und mit ihr eine entscheidende Begegnung hat. Für mich geht es nicht um ein bestimmtes Genre oder Format, die Filme, die ich produzieren will, sollen zu Diskussionen anregen.
Das Wort »Nachhaltigkeit« bekommt auch in unserer Arbeit einen immer größeren Stellenwert. Abgesehen von der Art und Weise, wie wir Filme produzieren wollen, bedeutet Nachhaltigkeit für mich auch, ob und wie wir für jedes Projekt einen Weg finden, der es idealerweise in das kollektive Bewusstsein bringt und ermöglicht, dass der Film nicht nur einmal ausgestrahlt und dann vergessen wird.
»Dear Future Children« ist ab 3. Juni 2022, also ab heute, in den österreichischen Kinos zu sehen.