Die Wiener Kunstszene befindet sich im Aufbruch. Mit der Besiedlung neuer Galerien in Wien steigt auch das Potenzial junge Menschen für das Sammeln von Kunst zu begeistern. Doch wie gelingt der erste Kauf? Und was gilt es dabei zu beachten?
Wenn die Kunst alles darf, dann stellt sich die Frage, was sie alles kann? Kunst ist weder essbar, noch lässt sich darin wohnen. Sie kann keine menschlichen Grundbedürfnisse decken. Demnach könnte man davon ausgehen, dass das Sammeln von Kunst all jenen vorbehalten ist, die sich längst und darüber hinaus ihre Existenz abgesichert haben. Die wohlhabende Tante, das reiche Sammlerpärchen aus der Innenstadt oder der smarte Banker – der Vorstellung nach ist der Personenkreis all jener, die sich Kunst leisten können und von Auktionshäusern zu Galerien wandern, durchaus beschränkt. Die gekauften Werke werden als Investition gehandelt, als intellektuelles Kulturgut präsentiert, um den sozialen Status zu erhöhen, oder verstauben in Privatsammlungen. Das private Sammeln von Kunst fordert demnach gewisse Privilegien, die nicht gleichermaßen verteilt oder einfach zugänglich sind. Es ist genau jene Annahme, die maßgeblich Hemmschwellen produziert, an der junge Menschen, die sich für das Sammeln von Kunst interessieren, scheitern. Dass es durchaus möglich ist, mit einem geringen Budget Kunstwerke zu erstehen, zeigen verschiedene Initiativen von Kunst- und Kulturschaffenden und von etablierten sowie neuen Galerien.
Der Wert der Kunst
Doch warum sollte in Kunst investiert werden? Um sich einer Beantwortung dieser Frage anzunähern, muss zunächst der Wert der Kunst geklärt werden. Folgt man den Gedanken des amerikanischen Kunsthändlers Michael Finlay, so ergibt sich der Wert der Kunst aus einer kommerziellen, einer sozialen und einer essentiellen Komponente. Während sich der Wert eines Kunstwerks auf kommerzieller Ebene durch Größe, Materialverwendung, Zeitaufwand zur Herstellung, Popularität des Kunstschaffenden und nicht zuletzt durch Angebot und Nachfrage bestimmt, gleicht der soziale Wert einem Versprechen und entsteht, wenn ein Werk historische Bedeutung erlangt und zum Bildungswerkzeug mutiert, das soziale Interaktion fördert und damit den sozialen Status der BesitzerInnen erhöhen kann. Die essentielle Ebene hingegen erschließt sich aus dem Potenzial eines Kunstwerks persönliche und individuelle Emotionen bei den BetrachterInnen auszulösen und ist daher stark an eigene Geschichten und Erfahrungen gekoppelt. Für SammlerInnen gilt der essentielle Wert als entscheidender Kauffaktor, obgleich die kommerzielle Ebene in finanziellen Verhandlungen an Oberhand gewinnt. Dieser Umstand ist nicht zuletzt dem künstlich erzeugten Hype um einige wenige KünstlerInnen, wie Jeff Koons und Damian Hirst, geschuldet und beeinflusst auch die Preisgestaltung jener Kunstwerke, die aus nicht ganz so bekannter Hand stammen.
Was, Wann und Warum?
Ist es eine Investition, eine Leidenschaft oder das soziale Versprechen? Wer Kunst sammelt, folgt unterschiedlichen Motiven. Wenn der Rapper Jay-Z in seinem Song »Picasso Baby« über den Besitz eines Picasso’s fantasiert und gleichzeitig seine Sammlung an Werken von Andy Warhol erwähnt, lässt dies eine Motivation an Investment und sozialem Versprechen vermuten. Wenn der Schauspieler Leonardo DiCaprio den österreichischen Künstler Christian Rosa in seinem Studio besucht, um ihm dabei zu helfen eines seiner Werke zu vollenden, dann deutet dies auf Leidenschaft hin.
Christina Steinbrecher-Pfandt, Leiterin der Kunstmesse viennacontemporary, begann mit vierundzwanzig Jahren Kunst zu sammeln. »Meine anfängliche Motivation war die Konservierung von Zeit«, erklärt sie, denn erste Werke erstand sie während ihrer prägenden Studienzeit in London, die sie unbedingt festhalten wollte. Mittlerweile fokussiert sich ihre Sammlung auf abstrakte Arbeiten. Wie Florian Langhammer, Kunstsammler und Gründer der Zeitschrift »Collectors Agenda«, folgt Steinbrecher-Pfandt einer essentiellen Komponente. »Sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen bedeutet für mich, sich mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die Welt zu befassen«, so Langhammer.
Einen anderen Zugang verfolgt der Szenegastronom Martin Ho, der regelmäßig Kunst kauft und verkauft, um damit teilweise sein Lifestyle- und Gastronomie-Imperium zu finanzieren. Er folgt somit einer Investmentregel, die der Kunstmarkt auch nötig hat, denn »Investitionen sind ein großer Bestandteil des Kunsthandels. So kommt Geld in den Markt und junge Talente werden erkannt und gefördert«, erzählt Christina Steinbrecher-Pfandt. Mit einem etwas leidenschaftlicheren Zugang und besonders früh begann der Pianist und Dirigent Michael Klaar seine Kunstsammlung aufzubauen. Sein erstes Werk, eine Gouache von Antoni Tàpies, kaufte der Musiker im Alter von dreizehn Jahren, in einer renommierten Galerie in Basel und erwähnt, dass ihn vor allem seine jugendliche Naivität vor etwaigen Hemmschwellen bewahrt hat. Wo Interesse an Kunst vorhanden ist, besteht auch vereinzelt die Sorge, nicht genügend monetäre Mittel oder künstlerisches Fachwissen bereitstellen zu können. »Galerien und Museen sind abschreckend«, erklärte der Jungsammler Nuriel Molcho einst gegenüber der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Seine Hemmschwelle wurde durch Street Art, also einer Form der Kunst im öffentlichen Raum, überwunden. Molcho musste so keinen Schritt in eine Galerie wagen und konnte sich langsam mit dem Potenzial einer Kunstsammlung vertraut machen. Die Kunst als Inspiration für die eigene kreative Tätigkeit nutzt das Sammlerpaar Yudi und Birgit Warsosumarto der Kommunikationsagentur Peach. Neben ihrer klassischen Agenturarbeit gestalten sie auch Kataloge für zeitgenössische KünstlerInnen und definieren somit die Kunstaffinität ihres Kreativbüros. »Die Kunst, die zu uns findet, reflektiert auch unsere Haltung, unsere Ideen und im weiteren Sinne auch den sozialen Kreis, in dem wir uns bewegen«, so Yudi und Birgit Warsosumarto über ihre Sammlung, die Werke von Ulrich Nausner, Agnes Martin oder Nives Widauer umfasst. Wer Kunst kauft und sammelt, so wirkt es, ist entweder selbst in der Kunst tätig, bewegt sich in der Szene oder gehört einer Generation etablierter SammlerInnen an. Die potenzielle neue SammlerInnenschaft, die auch jene umfassen kann, die nicht in Kunstbetrieben tätig oder präsent sind, können vor allem jene Galerien nutzen, die selbst von jungen Menschen geführt werden.
Seite 2: Wie Kunst auch für junge SammlerInnen leistbar wird