Jungle is the Place

Trotz Dschungelgestrüpp und exotischer Tiere am Cover bieten die bayrischen Aloa Input keinen niedlichen Indie-Eskapismus. Stattdessen, mehr die Ecke New Weird Bavaria.

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Dichtes Gestrüpp ziert das Cover. Hinter einer pastellig-bunten Flora und Fauna blitzt ein Plattenbau durch. Davor fliegt ein Luftschiff an übergroßen Tieren vorbei. Den Ausschnitt einer Phantasiewelt hat die Zeichnerin und Illustratorin Julia Guther auf das Cover des Debüt-Albums „Anysome“ von Aloa Input gesetzt. Gegen Integration, Monotonie und Vereinheitlichung wolle man die Musik der jungen Band gesetzt wissen. Der bunte Urwald nicht nur als Sinnbild eines intakten Ökosystems, sondern auch als Gegenstrategie zum befürchteten Kulturcrash, dem Kippen von Kultur in Barbarei. So weit, so abstrakt.

Es war der deutsche Pop-Theoretiker Martin Büsser, der zu recht Skepsis an eskapistischen Phänomenen im Pop angemeldet hat. Zurück zu Natur und Ursprung, um der abstrakt gewordenen, entfremdeten Welt zu entfliehen. Im Wald, so argumentiert Büsser mit Verweis auf Adorno, findet der verdinglichte Charakter nicht zu sich selbst, sondern fällt höchstens auf jene zum Zitat gewordene Illusion vom richtigen Leben im Falschen rein.

New Weird Bavaria

Glücklicherweise handelt es sich bei Aloa Input nicht um eine weitere Band, die an ideologisch-verklärte Hippie-Zeiten anzudocken versucht oder im Einheits-Indie-Brei mit Feelgood-Pop, Banjos, Glockenspielen und enthemmten Gitarren den Weltfrieden herbeisingen möchte. Im Gegenteil.

Aus „New Weird Bavaria“ kommen Aloa Input, die bereits zuvor keine Unbekannten waren: Cico Beck aka Joasihno, der so manchen als Vorband des letzten The Notwist-Konzert in der Arena in Erinnerung sein wird, Marcus Grassl (ehemal Missent To Denmark) und Florian Kreier, der solo als Angela Aux Musik macht. Es ist ein umtriebiger und mächtig spannender Kontext, aus dem die Band kommt. Dort wo einst Bands wie The Notwist und F.S.K. ambitionierte Popgeschichte schrieben, brodelt es. Am Scharnier zwischen Kunst, Musik und Film tauchten zuletzt immer wieder bemerkenswerte Platten, Videos und Festival auf. Etwa von Angela Aux und Joasihno selbst produziert bzw. organisiert. Mit Aloa Input ist man bei jenem Label gelandet, das in Zeiten von „Vollgas- und Auf-Anschlag-Produktionen“ ein Garant für dynamische, facettenreiche und auch mal leisere Popmusik ist: Morr Music Berlin.

Wenn gewöhnlicher „Allerweltspop“ fad werden würde, schert Aloa Input aus

Musikalisch gehen die drei Jungs in dem von ihnen inszenierten Dschungel-Dickicht nicht verloren. Mit material-ästhetischer Sicherheit beschränken sie sich nicht auf „Ursprungsklänge“. Sozialisiert im Digitalen blitzt ein globales Referenz-Archiv in den Songs auf. Hier ein wenig Looper, dort ein wenig The Notwist, auch der Faible für Beck ist zu hören. Es wäre aber nicht ein weiteres Bandprojekt von Ex-L’egojazz Sänger Florian Kreier und Joasihno bliebe nicht ausreichend Platz für Experimente. Immer dann, wenn gewöhnlicher „Allerweltspop“ fad werden würde, schert Aloa Input aus, lässt die Songs treiben, auch mal länger, um dann wieder präzise in die Songstruktur zurück zu finden und Stücke wie „Zweiklang“ zu einem runden Ende zu führen.

Oft ist Florian Kreiers prägnante Stimme in Echos und Hall-Collagen eingebettet, verdoppelt sich selbst, kreist und verliert sich erneut innerhalb des Songgerüsts. Vielleicht lässt sich die Musik mit einer Tiefenbohrung beschreiben, die unterschiedliche Sedimentschichten zu Tage fördert.

Jedenfalls sorgen die drei Musiker dafür, dass mit Electronics, Gitarre und Schlagzeug die vielen Ebenen und Field-Recordings zu dynamischen Pop-Songs geschnitten werden. Auch vor E-Musik-Reverenzen scheut sich Aloa Input nicht und so sind der fern klingende Song „Rubbish“ und die mäandernde von Sprechgesang durchzogene Klang-Collage „Radio“ von „Prelude“ und „Interlude“ gerahmt. Zwei kurze Stücke, die eine Schneise durch den Filter-Dschungel legen. Dabei glaubt man in „Prelude“ das Rattern eines Filmprojektors auszumachen, der die künstliche Reise um die Welt vorwegzunehmen scheint.

Remixvorfreuden

Wie die Buschtrommeln das neue Bandprojekt vermelden, pfeifen die Spatzen vom Dach, dass zur Zeit Remixe im Entstehen sind. Ideale Materialvorlagen mit vielfachen Eingriffs- und Sollbruchstellen lassen Vorfreude keimen. „Anysome“ ist überall, schreibt Morr Music im Pressetext. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch diese Platte ab dem 18. Oktober überall wiederfindet.

"Anysome" von Aloa Input erscheint am 18. Oktober via Morr Music.

Konzerte:

10.10.2013 — Vienna — Rhiz (w/b.fleischmann)

11.10.2013 — Graz — Forum Stadtpark

19.10.2013 — Innsbruck — PMK

22.11.2013 — Wels — Youki

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