Katharina Mücksteins Film »L’Animale« erzählt von Figuren zwischen Angst und Mut, inneren Widerständen und dem Schein und Sein menschlicher Lebens- und Beziehungsentwürfe. The Gap traf die Regisseurin und Drehbuchautorin zum Gespräch.
Sowohl »Talea« als auch »L’Animale« können als Coming-of-Age-Filme bezeichnet werden. In einem Interview meintest du einmal, dass dich das Genre ursprünglich gar nicht so interessiert habe. Woher kam der Sinneswandel?
Dass »L’Animale« als Coming-of-Age-Film wahrgenommen wird, liegt am Alter der Darsteller, das empfinde ich jedoch als einschränkend, denn die Geschichte der Eltern ist ebenso präsent und alle Figuren haben mit universellen Problemen zu kämpfen. Wenn ich also ein Genre für meine Filme finden könnte, dann würde ich es Coming-of-Awareness nennen.
Die Orte in »L’Animale« tragen meinem Eindruck nach einen gewissen Eskapismus in sich: die Szenen in der Dorfdisco, in denen die Jugendlichen vor dem Alltag fliehen, die langen Straßen, die ins Nichts zu führen scheinen, die Insel, auf die Paul flüchtet, überhaupt der Wald. Wie hast du diese Orte gefunden und was war dir bei der Auswahl wichtig?
Die Motivsuche bei diesem Film war sehr aufwendig, denn ich wollte Orte finden, an denen sich die Spuren der Zivilisation und der Natur treffen. Dabei ging es mir auch darum, diese aktuelle Sehnsucht nach einem Zurück zur Natur zu verhandeln. Wie das Motiv der Tiere hat auch jenes der Natur etwas Bedrohliches an sich. Es gibt diese Situationen im Film, in denen Mati aus dem Haus kommt und in den dunklen Wald starrt. Das ist ein bisschen wie in das eigene Unterbewusstsein zu blicken – du weißt nicht, was dich dort erwartet, es ist unheimlich, aber du weißt ebenso: Du musst dich damit beschäftigen. Der Film wäre auch ein komplett anderer, wenn er in der Stadt spielen würde. Meiner Ansicht nach haben die Ausläufe der Stadt immer etwas Verheißungsvolles an sich, sie versprechen den Sehnsuchtsort Stadt, einen Ort, an dem jeder leben kann, wie er will.
Das Chanson »L’Animale« spielt im Film eine bedeutende Rolle. Wie bist du darauf gestoßen?
Ich kannte Franco Battiato als Sänger schon sehr lange und als ich beim Schreiben das Lied einmal gehört habe, fand ich die Lyrics sehr interessant, und ich dachte mir schnell, dass dieser Song die Stimme meiner Figuren sein könnte. In dem Lied geht es um das Tier, das der Sänger in sich trägt, das ihn ständig stört, da es ihn nie in Ruhe lassen kann. Das hat mir sehr gut gefallen, auch die Vorstellung, dass dadurch ein poetischer Moment im Film gestaltet werden kann, der eventuell etwas abgehoben ist vom Rest des Films, der dadurch aber eine weitere Ebene eröffnet.
Du bist seit 2011 Vorstandsmitglied des Vereins FC Gloria – Frauen Vernetzung Film. Wie siehst du das österreichische Kino in Bezug auf Frauen in der Filmbranche und Frauenfiguren?
Grundsätzlich hat sich in Bezug auf das Bewusstsein für die Ungleichheit der Geschlechter in unsere Branche irrsinnig viel getan – nicht zuletzt etwa durch #metoo in den letzten Monaten. In Österreich gibt es aktuell politische Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Filmbranche, dennoch sind – wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft – in denen Geld und Anerkennung eine große Rolle spielen, in der Filmbranche Frauen noch immer unterrepräsentiert. Ich denke, es wird noch dauern, bis sich das ändert. Trotzdem haben wir sehr gute und sehr spannende Regisseurinnen. Die Frage ist ja nicht nur, ob Frauen Filme machen, sondern auch, ob und wie diese Filme rezipiert werden und ob und wie ernst sie genommen werden. Ich glaube aber, dass wir uns auf einem guten Weg befinden, da sich Frauen meiner Generationen und ebenso jüngere Frauen vieles einfach nicht mehr gefallen lassen.
Auf der Diagonale 2017 meintest du, dass sich auch in der Filmbranche ein gewisses Effizienzdenken breit gemacht habe und dass sich deiner Ansicht nach FilmemacherInnen mehr Gedanken darüber machen sollten, welche gesellschaftliche Relevanz ihre Filme besitzen. Welche Filme zu welchen Themen würdest du daher gerne vermehrt im österreichischen Kino sehen?
Meiner Ansicht nach sollte das staatlich geförderte Filmemachen eine Kunstform bedienen, die schon unterhaltsam sein kann, bei der jedoch der künstlerische Ausdruck im Vordergrund bleiben sollte. Bezüglich der Themen, die mich interessieren: Ich finde es schade, dass Streamingdienste mittlerweile teilweise progressivere Inhalte bringen als das europäische Kino. Das liegt eben genau daran, dass in der Filmbranche viel zu oft auf den kommerziellen Erfolg geachtet wird, zu oft scheint der Gedanke zu sein, einfach dieselben Inhalte wie das Fernsehen zu bringen, um eine breite Masse zufriedenzustellen. Ich glaube aber, die Aufgabe der Kunst ist es nicht, zufriedenzustellen, sondern Fragen aufzuwerfen. Für uns RegisseurInnen sollte letztlich das Ziel sein, das Kino als Kunstform zu erhalten. Das Kino hat Qualitäten, die die Streamingdienste nicht haben und nie haben werden. Daher wäre jetzt der Zeitpunkt, die Qualitäten des Kinos hervorzuheben und daran zu arbeiten, dass diese blühen können.
»L’Animale« ist ab 16. März 2018 in den österreichischen Kinos zu sehen. Am 14. März feiert der Film im Rahmen der Diagonale seine Österreichpremiere. Am 15. März findet die Wienpremiere – präsentiert von The Gap – im Gartenbaukino statt. Premierentickets gibt es hier zu gewinnen.