Kein Spaß: »The Last of Us Part II«

Im Fall von »The Last of Us Part II« fällt es manchmal schwer, Schwächen von Stärken zu unterscheiden.

Mehr noch als sein Vorgänger ist »The Last of Us Part II« ein Spiel, dass sich kaum diskutieren lässt, ohne auf Details der Handlung einzugehen; einer Handlung, deren individuelles Erleben den größten Reiz des Spieles ausmacht. Dieses Text richtet sich also an alle die, die bereits die gesamte Handlung kennen, oder nicht vor haben, das Spiel selbst zu spielen. Spoiler-freie Gedanken dazu, ob sich das Spielen lohnt, gibt es hier.

In einem Interview mit Naughty Dogs Director of Communication, Arne Meyer, zum Release von »The Last of Us Remastered« im Sommer 2014, erzählte er mir, dass man bei Naughty Dog nicht damit gerechnet habe, dass die Entscheidung des primären Spiel-Charakters Joel am Ende des ersten Teils von so vielen Spielenden als falsch und egoistisch erlebt werden würde. Joel hatte sich dort entschieden, Side-Kick und Ziehtochter Ellie nicht für die Herstellung eines Wirkstoffes gegen die Zombie-Krankheit sterben zu lassen sondern stattdessen die Sicherheitskräfte der Rebellengruppe Fireflies zu ermorden und Ellie aus dem OP zu holen.

Interview mit Arne Meyer

Dass diese Entscheidung nun zur ursprünglichen Sünde des in Teil 2 ausgetragenen Konfliktes geworden ist und das Ende des ersten Teils sich vieldiskutiert im Gedächtnis der digitalen Spielkultur festgesetzt hat zeigt, wie sehr das Medium auch von moralisch strittigen und vom Interpretationsspielraum und unterschiedlichen Formen des Erlebens profitiert. Im Umgang mit Fragen der Moral können Spiele durch ihre Interaktivität Potenziale entfalten, die das Medium Film so nicht hat.

Handlungsschwächen

»The Last of Us Part II« ist für seine Erzählung von vielen Seiten hart kritisiert worden. Kritik die sich – von der erwartbaren reaktionären Empörung über zu viel Diversität und Frauen mit Muskeln einmal abgesehen – auf schwer nachvollziehbare Entscheidungen der Handelnden, Längen im Erzählfluss und Inkonsistenz in der Gewaltkritik zusammenfassen lässt.

Der letzte Punkt ist ein alter Hut: Wo Gewalt dargestellt wird, um sie zu kritisieren, wird sie allzu häufig ästhetisiert und als im weitesten Sinne unterhaltsam dargestellt. Das gilt auch für »The Last of Us Part II«, denn schleichend zu morden und auf Köpfe hinter Deckungen zu schießen, gehört zu den Grundbausteinen des Gameplays. Spaß haben die Protagonistinnen, wie man ihren Selbstgesprächen und eindrücklichen Zwischenszenen entnehmen kann, daran nicht. Und es spricht viel dafür, dass es auch zum Spielkonzept gehört, dass die Spielenden den Spaß daran ebenfalls nach und nach verlieren.

Wachsender Widerwille

Wie konsequent die Gewaltkritik vorgebracht wird, steht allerdings auch in Verbindung mit dem zweiten angeführten Kritikpunkt, den Längen. Vor allem der letzte Abschnitt, in dem Ellie nach einem, den Umständen entsprechenden, Happy End noch einmal loszieht, um ihren Rachefeldzug zu Ende zu führen, wirke unglaubwürdig und strapaziere die Nerven der Spielenden, so die Kritik. Und doch erinnert das Spiel gerade hier an seinen Vorgänger. Ich habe die Fireflies damals mit Widerwillen getötet, habe mir gewünscht, das Spiel hätte mit dem Tot von Ellie im OP geendet. Und mit derselben Ernüchterung bin ich im zweiten Teil noch einmal in den Kampf gezogen – übersättigt von der nicht enden wollenden Spirale der Gewalt. Beiden Protagonistinnen hätte ich gewünscht, es sein lassen zu können. Und doch gab es im Spielverlauf mehrere Verweise darauf, dass vor allem Ellie diesen Punkt überschritten hatte.

Dass diese Emotionen von den Spielschaffenden so intendiert waren, ist nicht unwahrscheinlich. Wiederholt hat Chef-Designer Neil Druckmann darauf hingewiesen, dass Spielspaß für dieses Projekt nicht im Vordergrund stehe. Und die Cutscene, in der Ellie ihre Familie dann doch wieder zurücklässt, spielt mit der Sorge der Spielenden, dass sie das tun könnte. Etwa wenn sie zweimal ein offenes Fenster schließt, statt durch es das Haus zu verlassen.

»The Last of Us Part II« zwängt vor allem in seinen zweiten Teil zu viel Handlung und verliert dadurch passagenweise den Fokus. Die größere Zahl an relevanten Charakteren verwehrt diesen die Tiefe, die Joel und Ellie in Teil eins entwickeln. Der Fokus liegt diesmal auf der kaum zu stoppenden Eskalation, darauf das auf Gewalt fast immer noch mehr Gewalt folgt. Die Aussage ist alles andere als neu. Aber gerade weil sich die Spirale weiterdreht wo sie außer einer traumatisierten Ellie und Joels körperlich und wohl auch psychisch verkrüppeltem Bruder niemand mehr erträgt, endet die Geschichte dort, wo Ellie schon laut ihren Aussagen im ersten Teil niemals sein wollte: von allen verlassen und allein.
Als Film wäre das wohl abgedroschen und platt. As Spiel kann »The Last of Us Part II« auch vom Widerwillen leben, mit dem man es zu Ende bringt.

»The Last of Us II« ist bereits für PS4 erschienen.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...