»The Last of Us Part II«: Marktverträgliche Provokation

Ein paar Spoiler-freie Gedanken dazu, ob ihr in Naughty Dogs pilzbefallene Postapokalypse zurückkehren solltet.

»The Last of Us Part II« ist ein gutes und ein herausragendes Spiel. Wobei sich letzteres nicht nur auf positive Eigenschaften bezieht. Ganz nüchtern zusammengefasst ist da solides Stealth-Survival-Gameplay das über weite Strecken einen motivierenden Rhythmus zwischen Kämpfen mit unterschiedlichen Gruppen von Feinden und Erkundungs-Passagen mit kleinen Rätseln findet. Da ist technischer Feinschliff, der vor dem Generationssprung einer Konsole noch einmal ihr volles Potenzial entlockt. »The Last of Us Part II« ist von der visuellen Darstellung über das Sound-Design bis hin zum Motion-Capturing und dem Charakter-Design ein Meisterwerk und der berühmt-berüchtigte Kühler der PS4 hält über die vollen 25 bis 30 Stunden Spielzeit den Fernsehschrank und seine Umgebung am Brummen.

Das System AAA

Dann ist da natürlich die Sache mit dem Crunch. In den Monaten vor seinem Erscheinen sorgte Naughty Dog, das Studio hinter dem Spiel, vor allem auch mit Negativnachrichten über Arbeitsbedingungen für Schlagzeilen. Das ist bei Titeln dieser Größe und Bauart leider alles andere als herausragend und vielmehr problematischer Standard. Aber es rückt die Kritik am Spiel ein Stück weit ins richtige Licht: »The Last of Us Part II« ist ein AAA-Game, das nicht dem Genie einer Hand voll Künstlerinnen und Künstler entsprungen ist, sondern auf Basis der Arbeit von Hundertschaften von Menschen zusammengefügt wurde. Das Bild vom aufopfernd begeisterten Commitment einzelner Kreativer darf vor diesem Hintergrund nicht bemüht werden. Projekte dieser Größe verlangen nach klaren Zeit-Regelungen zum Schutz der Beteiligten.

Darüber hinaus bedeutet AAA auch finanzielle Unsummen. Die geschätzten 100 Millionen Dollar Produktionskosten wollen natürlich auch wieder verdient werden. Und vor diesem Hintergrund ragt das Kernstück des Spiels, die erzählte Geschichte, ganz klar heraus. Die Kernaussage über Spiralen der Gewalt, Rache und Traumatisierung ist alles andere als neu. Sie in einem Videospiel dieser Größenordnung so unbarmherzig auszurollen ist aber mindestens mutig. Das zeigen auch Kritiken, die die fehlende Identifikation mit den eskalierenden Charakteren bemängeln.

Verspielte Gewaltkritik

Dass das Spiel von schmerzhaft plastischen Gewaltdarstellungen geprägt ist, haben schon die Trailer verraten. Naughty Dog geht hier visuell und spieldynamisch an Orte, wo der Spielspaß nicht mehr im Vordergrund steht. Um hier Spoiler-frei zu bleiben, diskutiere ich in einem anderen Text, ob das aufgeht. Aber intensiv und zum Denken anregend ist die Geschichte auf alle Fälle. Dass die Diversität der Figuren darüber hinaus die reaktionär wütenden Gamergate-Nostalgiker auf den Plan ruft, kann nur als Pluspunkt verbucht werden.

Muss man »The Last Us Part II« also gespielt haben? Nicht wirklich. Wer den ersten Teil nicht kennt, tut besser daran, erst einmal den nachzuholen. Er ist insgesamt runder und kompakter. Und »Part II« baut mehrheitlich auf altbekanntes. Aber allein schon die lebhafte Diskussion über den zweiten Teil zeigt, dass der Titel positiv und negativ provoziert. Das ist ein Spiel, das nachwirkt und in Erinnerung bleibt, das im AAA-Kontext Neues wagt und viel Spielraum für Interpretation lässt. Und damit lohnt sich die investierte Zeit, auch wenn zwischendurch der Wunsch auftaucht, es wären doch ein paar Stunden weniger gewesen.

»The Last of Us Part II« ist bereits für die PS4 erschienen. Gedanken zu Story (notwendigerweise inkl. Spoiler) gibt es hier.

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