"Jah War"

Die apokalyptischen Reiter sind als Soundsystem unterwegs. The Bug und sein handverlesener Tross übernahmen am Elevate-Freitag den Dom im Berg.

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The Bug alias Kevin Martin kuratierte am dritten Festivaltag das Line Up der Dom im Berg-Bühne. Mit seinen eigentümlichen stilistischen Vorlieben traf er das Motto „Elevate the Apocalypse“ besser als man erwarten könnte. Gerade sein eigenes Set schlug ein wie ein gewaltiger Meteorit.

Zwanghaft und irrational

Wie er beim Elevate Music Talk erklärte, ist es auch die Aggressivität und Wucht, die Kevin Martin am Dancehall schätzt – neben der sexuellen Energie. Mit seinem Alias The Bug frönt er der Tradition der jamaikanischen Soundsystems, nicht ohne ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken. 303– und 808-Sounds gehören nämlich genauso zur Palette des britischen Produzenten und Musikers wie Jazzcore, Illbient oder Techno, denen er sich als Mitglied der zeitweise zehnköpfigen Band God oder als eine Hälfte von Techno Animal widmete. „Ich muss einfach Musik machen, das ist für mich wie eine Therapie.“ Was klingt wie die Pauschalantwort eines jeden Musikers, darf man bei Kevin Martin mit Blick auf seine diversen Projekte und stilistischen Einflüsse ruhig wörtlich nehmen – neben Genanntem u.a. Industrial Hip Hop mit Ice und Curse Of The Golden Vampire oder das experimentelle Projekt King Midas Sound.

Mit „Acid Ragga“ hat die Musik, die er als The Bug unter die Leute bringt, endlich einen eigenen Namen und – seit Kurzem – auch ein eigenes 7 Inch-Label. „Ich war wie besessen von Reggae-Soundsystems. Ihre Energie, das Feuer und Chaos machen süchtig. Aber auch die Lautstärke und der Bass. Je tiefer und lauter man dreht, desto irrationalere Reaktionen bekommt man. Und darauf stehe ich.“

Bass und Donner

Von seiner Bass-Obsession, die ihn mit dem Umfeld von Kode9s Hyperdub-Label verbindet, auf dem er unter dem Pseudonym Pressure veröffentlichte, wurde auch das Grazer Publikum förmlich angefixt. Stand der Sub-Woofer einmal still, machte sich eine Unruhe in der bouncenden Menge breit. Bis sich die beruhigenden Vibrationen des Riddims wieder im Raum verteilten. Das Spiel der Kontraste und Extreme beschwor in der Stunde, in der The Bug von Disrupts entspannten Tunes zu den Juke-Salven von DJ Spinn und DJ Rashad überleitete, eine endzeitliche Atmosphäre herauf.

Statt der altbekannten Ragga-Hupe ließ er zwischen zwei Tracks ein fast ohrenbetäubendes Noise-Gewitter auf die Menge im Stroboskop-Licht herunterprasseln, bis sich langsam wieder ein Groove aus dem Krach schälte, den die hungernde Menge dankbar in ihre Bewegungen aufnahm. Über Sounds, inspiriert von der jeweils dunklen Seite von Hip Hop, Dubstep und Acid, taten die wütend bis aufgekratzt hysterischen Raps von Miss Red ihr Übriges. Auch MC Flowdan, der den angekündigten Daddy Freddy vertrat, feuerte das Publikum an, als wäre es die letzte Party seines Lebens. Dabei kam die Botschaft auch ohne Worte an. Kaum hatte man sich ins Halbdunkel der Tracks fallen lassen, wurde man von besagten, lärmenden Mündungsfeuern aus dem Takt gerissen. Nutze die Sekunden!

So dystopisch seine Musik und klanglichen Vorlieben auch sind, The Bug selbst hat keine apokalyptischen Visionen, sondern blickt euphorisch in die Zukunft: „Ich habe kein Interesse daran, mit Musikern zusammenzuarbeiten, die sich sich an der Vergangenheit orientieren. Ich sehe immer nach vorne. Keine Ahnung, was als Nächstes kommt. Aber es nicht zu wissen, ist doch das Schöne am Leben. Ich vertraue nicht auf irgendeine Religion oder Geld. In andere Menschen habe ich auch nicht viel Vertrauen. Die Musik ist es, woran ich glaube und ich hoffe, sie inspiriert mich auch in Zukunft so wie bisher.“

Bild(er) © Lupi Spuma
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