Kindheitshelden am rechten Rand – »Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« im Kosmos Theater

Zwischen wissendem Lachen, bekanntem Unbehagen und scheinbarer Ohnmacht bringt das Divercitylab gemeinsam mit dem Kosmos Theater das auf die Bühne, womit wir uns ohnehin alle rund um die Uhr beschäftigen. Mit vier Kindheitshelden im Schlepptau werden die Ursprünge der rechten, faschistischen, rassistischen Strömungen in Österreich erforscht und die Fassungslosigkeit und Überforderung der gesellschaftlichen Opposition widergespiegelt.

© Bettina Frenzel

Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind geplatzt, die Stimmung im Kosmos Theater ist gut – einen passenderen Tag für die Premiere von »Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« hätte es wohl kaum geben können. Während sich das Publikum setzt, ist Musik zu hören, die jedoch von Text überlagert wird. Fast wie Gebete und Orgelmusik in der Kirche. Das Gesprochene klingt zwar computergeneriert, inhaltlich sind es aber Zitate von realen Personen des öffentlichen Lebens – einige davon leicht, andere schwieriger zuzuordnen. Spätestens beim Sager »Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht« weiß man, womit man es zu tun hat.

»Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« (Bild: Bettina Frenzel)

Weiß, die Farbe der Unschuld

Im Bühnenraum ist alles von weißen Tüchern bedeckt. Nach und nach kommen darunter die Schauspielenden in extravaganten Outfits – ebenfalls all-in-white – aus Tüll und Satin, teilweise inspiriert Rococo hervor. Mit comicartigen Bewegungen und Soundeffekten finden sie sich zu einem geheimen Treffen an einem »Standort« zusammen. Die Teilnehmenden dieses Treffens stellen sich als verschiedene Helden aus Kinderbüchern vor: Efraim Langstrumpf, Tim aus »Tim und Struppi«, Old Shatterhand und Robinson Crusoe. Was sie verbindet? Sie alle spiegeln dominante eurozentrische, kolonialistische und rassistische Narrative wider, die bis heute nachwirken.

Angeleitet von einer*m Regisseur*in, der*die einen besseren »Autokraten-Porno« drehen möchte, pitchen die vier »Helden« ihre Ideen: Von AfD- und FPÖ-Zitaten, über rassistische Liederbuchtexte, zu Sex zwischen Old Shatterhand und Efraim Langstrumpf ist alles mit dabei. Als die Charaktere Fakten-Checker erschießen, selbst die Kameraführung übernehmen und zuletzt auch noch die Regie ermorden, entgleist die Szene komplett. Mit einem beängstigenden, unschuldigen Lächeln erklären sie, dass »nichts daran rechtsextrem« sei, sondern einfach nur »normal«. Zwar löst die Szene – ähnlich dem täglichen Nachrichtenstrom – Unbehagen aus, aber gleichzeitig ist auch nichts daran neu oder unbekannt: Ganz nach dem Motto »flood the zone with shit« wird man von unerträglichen sowie unglaubwürdigen Aussagen überflutet und überwältigt. Das Lachen bleibt einem, zumal des Realitätsbezugs, oft im Hals stecken.

»Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« (Bild: Bettina Frenzel)

»Ich grab ein Loch und da scheiß ich rein«

Die zweite Hälfte des Stücks nimmt statt der zynisch lächelnden, gut organisierten Rechten, die verzweifelte, anxiety-ridden, zerspragelte Linke in die Mangel. Auf einem Spielplatz entschuldigen sich Charaktere mit aberwitzigen Doppelnamen für Dinge, die sie gar nicht getan haben, beschweren sich über Kleinigkeiten und bemitleiden sich vor allem selbst. Dafür gibt es viel wissendes Lachen aus dem Publikum – viele dürften wohl sich selbst oder Bekannte in diesem Verhalten wiedererkennen. Zwischen einigen etwas abgedroschenen Stereotypen finden sich aber auch einschneidende Szenen, wie die einer jüdischen Person (gespielt von Deborah Gzesh) die hinterfragt, warum sie alle immer »so betroffen anschauen, wenn es um Juden geht«, und anschließend in einem überfälligen, kathartischen Frustausbruch über Schuld und Erlösung darlegt, warum sie nirgendwo anders hinkann. Deshalb beschließt sie in ihrer Frustration nachvollziehbarerweise: »Ich grab ein Loch und da scheiß ich rein, weil hier ist’s noch gemütlich.«

Im Programmheft steht: »Eigentlich hätte es eine Komödie werden sollen« sowie »Der Versuch die aktuellen Entwicklungen zu analysieren, bringt nur verständnislose Ohnmacht« und das Stück hält genau, was es verspricht. »Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« verspricht eben keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme und schickt einen dementsprechend auch nicht mit einer happy »Alles-wird-gut«-Stimmung nach Hause. Stattdessen bringt es auf die Bühne, womit wir uns alle ohnehin rund um die Uhr beschäftigen: gefühlt exponenziell schlimmer werdende Nachrichten sowie die Suche nach einem Ausweg aus der politischen Lethargie.

Das Gefühl der (vermeintlichen) Ohnmacht bleibt zwar auch nach dem Stück noch bestehen, aber gleichzeitig ist man froh den Abend im Theater mit Gleichgesinnten verbracht zu haben, anstatt sich dem Brainrot auf den sozialen Medien hinzugeben.

»Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« (Bild: Bettina Frenzel)

»Nach der Wahl sind wir nicht mehr so lustig« ist noch von 21. Februar 2025 im Kosmos Theater zu sehen. Am 18. Februar gibt es vor der Vorstellung ein Einführungsgespräch, am 19. Februar im Anschluss an die Vorstellung ein Publikumsgespräch und am 20. Februar als Special Guest Steffi Stanković.

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