Regenbogen, aber bitte mit Funding – Was ist die Pride wert?

Einmal im Jahr marschieren Hunderttausende Menschen, oft bunt und leicht bekleidet, für die Rechte von LGBTQIA*-Personen gegen den Uhrzeigersinn um den Ring. Umgeben von Pride-Floats verschiedener Firmen, deren Logos – for one month and one month only – ausnahmsweise genauso bunt sind. Was ist die Rolle dieser Firmen? Wie finanziert sich die Pride eigentlich? Und lässt sich eine Demo mit kapitalistischen Interessen vereinbaren?

© Dominik Steinmair

Die letzte große Diskussion um die Finanzierung der Vienna Pride fand vor zwei Jahren statt. Wer sich nicht erinnern kann: 2023 gab es kein Pride Village am Rathausplatz. Grund dafür waren laut der Veranstalterin Homosexuelle Initiative (Hosi) Wien fehlende Förderungen der Stadt. Konkret dafür verantwortlich: der damalige Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Laut Bericht der Tageszeitung Der Standard befand dieser nämlich die ausgezahlte Förderung von 175.000 Euro als ausreichend für das Pride Village. Das seien ja schließlich fünfzehn Prozent mehr als im Vorjahr. Eine Rechnung die jedoch, so die Veranstalter*innen der Pride, wenig aussagekräftig sei, da das Pride Village im Jahr zuvor coronabedingt überhaupt nicht vorgesehen war. Zudem seien seit der Pandemie sowohl Sicherheits- und Organisationskosten als auch Kosten für Veranstaltungstechnik drastisch gestiegen.

Direkt vor der Pandemie fiel die öffentliche Unterstützung für die Jahre 2018/2019 mit insgesamt 900.000 Euro im Übrigen noch deutlich höher aus – vorwiegend aufgrund der größeren Europride 2019. Die letzte reguläre Regenbogenparade mit Pride Village war dann für 2020 geplant. Für diese wurde damals, so Gemeinderat Peter Kraus von den Grünen auf Twitter, immerhin noch eine Förderung von 250.000 Euro beschlossen. Was unterm Strich bedeutet: Statt sie um fünfzehn Prozent zu erhöhen, wurde die Förderung 2023 im Vergleich zum tatsächlichen Referenzjahr 2020 um fast ein Drittel gekürzt. Der Ausfall des Pride Villages stieß allerdings auf heftige Kritik. Vermutlich einer der Hauptgründe, warum es 2024 dann gleich mit satten 521.000 Euro gefördert wurde, wie aus Sitzungsprotokollen des Wiener Gemeinderats hervorgeht.

Nichts von diesen Beträgen fließe jedoch direkt an die Regenbogenparade, so Katharina Kacerovsky-Strobl. Die Geschäftsführerin der von der Hosi Wien zur Veranstaltung der Parade gegründeten Stonewall GmbH, erklärt, dass der Protestzug an sich keine direkte Förderung durch die Stadt Wien erhalte: »Die Regenbogenparade ist eine politische Demonstration und wird ausschließlich von der Hosi Wien als Verein organisiert. Sie finanziert sich aus Eigenmitteln des Vereins und über Sponsor*innen.« Nur das Pride Village erhalte direkte Förderungen der Stadt.

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2024 fand die Wiener Regenbogenparade unter dem Motto »Pride Is a Demonstration« statt. Eine Ähnliche Auffassung steht hinter jenen Remindern auf Social Media, die sich Jahr für Jahr häufen, je näher der Juni rückt, und die daran erinnern, dass die Pride – trotz des vermeintlichen Anscheins – keine Party sei. Und schon gar keine Party für Heteros, die den Rest des Jahres kein Wort über queere Rechte verlieren. Gleichermaßen richtet sich diese Kritik auch an Firmen, die ihre Logos einmal im Jahr für die Dauer des Pride-Monats – und vielleicht noch eine Woche länger, wenn sie sich, ebenso performativ, dem Kritikpunkt der kurzfristigen Sichtbarkeit entziehen wollen – regenbogenfarben einfärben und den Rest des Jahres den Mantel des Schweigens über das Thema breiten.

Das Pride Village am Rat­hausplatz sollte heuer ausreichend finanziert sein. (Bild: Martin Darling)

Da weder der betrunkene BWL-Justus, der »schwul« noch immer als Schimpfwort verwendet, noch seine Freundin im Glitzer-Make-up, die die ÖVP wählt, noch multinationale Konzerne, die Regenbogen-Goodies verkaufen, den ersten Stein vor dem Stonewall Inn geworfen haben, stellen sich viele verständlicherweise die Frage nach der Kommodifizierung der Pride. Oft ist es schwierig zu unterscheiden, ob ein Unternehmen nur versucht, von der Kaufkraft der LGBTQIA*-Community zu profitieren, also Pinkwashing betreibt, oder es tatsächlich ganzjährig ernst meint mit dem Commitment.

Kacerovsky-Strobl versichert, dass sich die Vienna Pride mit dem Thema Pinkwashing sehr bewusst und kritisch auseinandersetze: »Sichtbarkeit alleine reicht nicht. Deshalb durchlaufen Unternehmen bei uns ein sorgfältiges Screening, bevor sie bei der Vienna Pride als Sponsor*innen oder Partner*innen auftreten dürfen.« Kriterien seien dabei zum Beispiel, ob es interne LGBTQIA*-Netzwerke gebe, ob aktiv gegen Diskriminierung gearbeitet werde und ob ein glaubwürdiges Engagement über den Pride-Monat hinaus bestehe.

Land of the Free

In den USA ist Pinkwashing – abseits der zunehmend prekären Situation für queere und vor allem trans Personen seit dem abermaligen Amtsantritt Donald Trumps – schon längere Zeit ein zentrales Thema. Pride-Merch und -Werbekampagnen sind dort jeden Juni ein Fixpunkt der großen Unternehmen. Aber im Vergleich zu vergangenen Jahren fiel der bunte Anstrich zuletzt deutlich zurückhaltender aus. Die Einzelhandelskette Target etwa, die seit 2015 jährlich eine Kollektion zum Pride-Monat herausbringt, nahm 2024 nach massivem Backlash von Seiten konservativer Anti-LGBTQIA*-Gruppen zahlreiche Artikel aus dem Sortiment. Sachbeschädigungen in mehreren Filialen und Drohungen gegenüber Mitarbeiter*innen im Vorjahr führten zudem zur Entscheidung, Pride-Artikel künftig weniger zentral zu platzieren und in vielen Filialen gar nicht mehr zu führen. Auch gegen die Biermarke Bud Light, die im Rahmen einer Kampagne mit der trans Influencerin Dylan Mulvaney zusammenarbeitete, gelang rechten Gruppen und Politiker*innen 2023 ein erfolgreicher Protest. Der Umsatz von Bud Light brach massiv ein und Anheuser-Busch, der Großkonzern hinter dem bierartigen Getränk, distanzierte sich von Mulvaney.

Ähnlich wie in diesen beiden Fällen komme es auch in Österreich immer wieder vor, dass Unternehmen über Jahre hinweg von der engen Zusammenarbeit mit lokalen Pride-Strukturen profitierten, sich dann aber plötzlich von diesen distanzierten, erzählt Kacerovsky-Strobl. Damit würden sich die Firmen nicht nur ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen, sondern auch das Prinzip solidarischer Zusammenarbeit untergraben – die Pride sei keine Marketingplattform zum Mitnehmen, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe. Auf die Frage, was eine gute Kooperation ausmache, meint die Stonewall-CEO: »Wer mit einem Regenbogen-Logo sichtbar sein möchte, sollte auch innerhalb des Unternehmens und darüber hinaus sichtbar Verantwortung übernehmen – und die Community nicht nur zur Kulisse machen.« Schwierig sei es dort, wo Vielfalt nur inszeniert werde, Firmen sich mit queeren Motiven schmückten, intern aber keine inklusiven Strukturen schafften – oder gar in anderen Ländern queerfeindliche Politik unterstützten.

Dieses Jahr geht es am 14. Juni andersrum um den Ring. (Bild: Martin Darling)

Stichwort queerfeindliche Politik: Man muss nicht über den Atlantik blicken, um sie zu finden. Während man in Wien auf ein Grundmaß politischer Unterstützung zählen kann, sieht es keine hundert Kilometer entfernt düster aus. In Ungarn wurde im April 2025 eine Verfassungsänderung beschlossen, die unter anderem in den staatlichen Grundfesten niederschreibt, dass es nur zwei Geschlechter gäbe – männlich und weiblich. Zuvor hatte die rechtskonservative Regierung unter Viktor Orbán bereits Mitte März ein neues Gesetz eingebracht, das Pride-Paraden und ähnliche Versammlungen verbietet. Damit setzt die Fidesz-Regierung ihre repressive Politik gegenüber der LGBTQIA*-Community konsequent fort: Schon 2021 wurde verboten, Menschen unter achtzehn Jahren Informationen über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit zugänglich zu machen. Auf Anfragen von The Gap reagierten die Organisator*innen der Budapest Pride nicht. Verständlich, denn die Teilnahme an oder Organisation von Pride-Veranstaltungen kann in Ungarn nun mit Geldstrafen belegt werden. Automatische Gesichtserkennung soll dieses Verbot durchsetzen.

(Un-)Recht nebenan

Die Hosi Wien und die Vienna Pride reagierten mit scharfer Kritik auf die Maßnahmen und riefen zur Solidarität mit der queeren Community in Ungarn auf. Ann-Sophie Otte, Obfrau der Hosi Wien, betonte dabei, dass das Demonstrationsrecht »eines der wichtigsten Instrumente einer Demokratie« sei und Katharina Kacerovsky-Strobl lud »all unsere Freund*innen und die Community-Organisationen in Ungarn ein, sich der Vienna Pride und der Regenbogenparade 2025 anzuschließen«, um gemeinsam für LGBTQIA*-Rechte einzutreten – auch für jene, die dies in ihrer Heimat selbst nicht können.

Trotz der scheinbaren Akzeptanz hierzulande fühlen sich einige Queers auf Großveranstaltungen wie der Pride, hinter denen zwar viel Support und Commitment, aber auch viel Geld aus Politik und Wirtschaft stecken, weder wohl noch repräsentiert. Abseits der großen Parade gibt es darum jährlich kleinere, selbst organisierte Demonstrationen und Events, die für queere Sichtbarkeit abseits des Mainstreams im Sinne der »ersten Pride«, den Stonewall Riots, einstehen. Wohl am bekanntesten ist der Marsch für’n Arsch. Dieser ist eine Antwort auf den Marsch für die Familie, eine christlich-fundamentalistische Demo, die für gewöhnlich zeitgleich mit der Regenbogenparade abgehalten wird. Außerdem fand letztes Jahr das erste Trans viel Fest der queer-feministischen Initiative Trans viel Freude statt, die sich für Rechte von trans Menschen »in Wien und überall sonst« einsetzt. Und im April 2025 gründete sich Pride Reclaimed, ein Zusammenschluss mehrerer Wiener QTI*BIPoC-Kollektive und -Einzelpersonen, die sich dafür einsetzen, Pride wieder zu einem »Akt des radikalen Widerstands und einem Ort von Community-Care« zu machen.

Katharina Kacerovsky-Strobl betont, dass für die Zukunft der Pride mehr als Sichtbarkeit nötig sei – es brauche dauerhafte Partner*innenschaften und strukturelle Rückendeckung: »Die Pride ist kein Marketingevent, das man nach Belieben buchen oder branden kann. Die Pride ist eine politische Bewegung – und sie braucht verlässliche Rahmenbedingungen, damit sie dauerhaft bestehen kann.« Von der Politik fordert sie daher langfristige Förderzusagen und politische Unterstützung, »auch dann, wenn’s unbequem wird«. Die Wirtschaft wiederum müsse sich einer fairen Zusammenarbeit mit der Community verpflichten, queere Mitarbeitende offen unterstützen und sich ihrer Verantwortung ganzjährig stellen, statt punktuell Repräsentation zu instrumentalisieren. Nur wer bereit sei, nicht allein Sichtbarkeit, sondern auch Veränderung zu fördern, habe, so die Geschäftsführerin, seinen Platz auf der Pride-Bühne verdient.

Die Vienna Pride findet heuer von 31. Mai bis 15. Juni statt, mit der Regenbogen­parade um den Ring am 14. Juni. Das komplette Programm der Vienna Pride findet sich unter www.viennapride.at.

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