Die Feinheiten menschlicher Erfahrung – Paul Poet im Gespräch zu »Der Soldat Monika«

Was ein Film über den Rechtsruck hätte werden sollen, ist letztlich zu einer Collage aus Dokumentation, Spielfilm, Traumtagebuch, szenischer Familienaufstellung und Animationsszenen über die umstrittene Monika Donner geworden. Im Interview zu »Der Soldat Monika« spricht Paul Poet über zusammengebastelte Identitäten, filmische Besonderheiten und darüber, warum politische Auseinandersetzung auf Augenhöhe stattfinden muss.

© Freibeuter Film

Schon seit die Rechte in den Nullerjahren zunehmend salonfähig wurde, habe Paul Poet einen Film über den Rechtsruck machen wollen. Mit »Der Soldat Monika« ist es nun endlich so weit. Der Film arbeitet die Lebensgeschichte von Monika Donner auf, einer widersprüchlichen Person mit widersprüchlichen politischen Ansichten. Einerseits hat sie juristisch viel für die LGBTQIA*-Community erstritten, aber andererseits sympathisiert sie stark mit dem rechten Rand.

Als ich Paul Poet im Café Weidinger treffe, ist meine erste Frage an ihn, wie er überhaupt auf Monika Donner gekommen ist. Er lächelt und meint, die meisten Menschen aus der rechten Szene seien extrem kleinkariert und langweilig. Man laufe Gefahr, mit einem Film über sie nur »Make Stupid People Famous« zu betreiben. Bei Donner verhalte sich das komplett anders. Auf sie gestoßen sei er schlussendlich durch Zufall: »Sie ist spannend, weil sie die Idee des ›Menschen der Hypermoderne‹ verkörpert. Sie setzt sich aus unterschiedlichen ideologischen Einflüssen zusammen, reißt Elemente aus verschiedenen Kontexten und konstruiert daraus eine eigene Identität.«

Paul Poet, Regisseur (Bild: Götz Schrage)

Monika Who?

2009 hat Monika Donner vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof das Ende des Operationszwangs für trans Personen, die eine Personenstandsänderung anstreben, erstritten. Auch in Deutschland wurde das Gesetz unter Bezugnahme auf ihren Fall geändert. Mittlerweile ist sie allerdings eine prominente Person der Coronaleugner*innen-Szene und teilt sich unter anderem mit verurteilten Neonazis wie Gottfried Küssel die Bühne. »Das macht sie so relevant für den Film«, meint Poet. »Es wäre zu einfach, nur über klassische rechte Bewegungen zu berichten, die in ihrer Struktur oft erwartbar sind. Monika ist nicht erwartbar, deswegen reibt sie sich auch mit den rechten Brüder- und Schwesternschaften, obwohl sie mit ihnen sympathisiert.«

Donners Zerrissenheit zwischen verschiedensten Polaritäten wird im Film deutlich. Sie kritisiert den OP-Zwang mit den Worten »Nationalsozialismus lässt grüßen«, aber neben den Gleisen ihrer Modelleisenbahn stehen Flugzeuge mit Hakenkreuzen auf den Seitenrudern und Figuren, deren Hitlergrüße als »Schulterklopfer« mit anderen Figuren kaschiert sind. Sie selbst ist trans sowie lesbisch und spricht davon, dass LGBTQIA*-Personen die »Avantgarde einer freieren und besseren Lebensbestimmung« sein könnten, gleichzeitig ist sie aber der Meinung, dass LGBTQIA*-Sein »bis zum Kotzen gehypt« werde – mit dem angeblichen Ziel, eine Bevölkerungsreduktion zu normalisieren.

»Ich fand sie als Mensch in ihrer Widersprüchlichkeit und Uneinschätzbarkeit faszinierend. Die Art, wie sie sich selbst definiert oder nicht definiert, liegt so weit jenseits bisheriger Bezugspunkte«, meint Paul Poet. »Niemand kann abschätzen, wohin das führt, wenn man Geschichte und Kontexte komplett auflöst und sich willkürlich, wie in einem Videospiel, eine Identität zusammenbastelt. Es hat auf jeden Fall sehr bizarre Folgen.«

Monika Donner hat ein Ende des Operationszwangs für trans Personen,
die eine Personenstandsänderung anstreben, erstritten. (Bild: Freibeuter Film)

Eine filmische Collage

Vier Jahre lang hat Paul Poet Monika Donner begleitet. Mit Kamera, österreichischer A-List-Schauspiel-Besetzung (unter anderem Philipp Hochmair, Maria Hofstätter sowie Roland Düringer) und speziell für den Film geschriebenem Soundtrack der Berliner Noiserock-Band Gewalt. Der Film verbindet dokumentarische und fiktionale Elemente rund um Donners Leben: Archivmaterial, Inszenierungen ihres Traumtagebuchs, eine Familienaufstellung im theatralen Raum, Momente aus ihrem Alltag, Gespräche mit Wegbegleiter*innen sowie Kritiker*innen und Animationsszenen sind zu einer großen Gesamtcollage zusammengesetzt.

Ein Grund für dieses filmische Konzept ist einerseits die Anlehnung an Donners Buch »Tiger in High Heels«, welches stilistisch sehr bunt aufgebaut ist. »Andererseits gab es ein pragmatisches Problem«, erklärt Poet. »So, wie Monika tickt, wollen viele Menschen, die Teil ihres Lebensweges waren, nicht mehr mit ihr vor die Kamera gehen. Das macht klassische Interviews unmöglich.« Gerade ihre früheren Ehen seien für ihre Geschichte essenziell, aber nicht ohne alternative filmische Mittel darstellbar. Da sei es naheliegend gewesen, Schauspieler*innen einzusetzen, die in diese Rollen schlüpfen und als Spielfläche fungieren. Außerdem habe der Regisseur in die vierzig Seiten Dialogskript bewusst einige Unkorrektheiten eingebaut, von denen Donner vorab nichts gewusst habe. So habe sie sich vor laufender Kamera daran festbeißen können, um diese Fehler aufzuarbeiten.

Dies zeigt sich beispielsweise in einer Szene, in der das Zusammenspiel zwischen Donner und der schauspielenden Person so natürlich wirkt, dass man sich als Zuseher*in nicht ganz sicher ist, ob es sich um eine fiktive Interaktion oder einen echten Wegbegleiter Donners handelt. Der Überraschungseffekt ist dadurch umso größer, wenn sie die Szene unterbricht, um etwas richtigzustellen. Poet: »Es ist wie ein Durchbrechen der vierten Wand, bei dem man dieses künstliche Konstrukt des Films, mit dem eine Art Seelenwanderung erzeugt wird, durchschauen darf.«

Der Film ist ein Mix aus Animationen, nachgestellten Traumsequenzen,
tatsächlichen Interviews und inszenierten Gesprächen. (Bild: Freibeuter Film)

Links? Rechts?

Ziel des Films sei es, Monika Donner als ganzen Menschen zu betrachten – mit ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen und ihrem Werdegang. Dabei sei dem Regisseur wichtig gewesen, nicht mit einer herablassenden Haltung zu arbeiten: »Man muss sich damit auf Augenhöhe auseinandersetzen, auch in politischer Feindschaft. Ich gebe der rechten Szene keinen Millimeter Raum, aber ich nehme sie ernst und menschlich für voll«, meint er.

Hier kreidet Poet der Linken eine Schwäche an, denn es sei eine wichtige Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit der rechten Szene, dass diese nicht homogen – oder, in seinen Worten, »eine große braune Soße« – sei. Es gebe unterschiedliche Abstufungen, die man kritisch hinterfragen müsse. Auch die Linke habe eine demokratische Auseinandersetzung vermieden, so Poet. Dies wäre jedoch ein wichtiger Andockpunkt gewesen, um Menschen in einem gesellschaftlichen Diskurs zu halten. Stattdessen würden beide Seiten nur weiter in ihre jeweiligen kämpferischen Bubbles abgleiten, meint der Filmemacher.

Durch Donners widersprüchliche ideologische Standpunkte scheint es wiederum, als würde sie sich zeitgleich in mehreren Bubbles bewegen – und nach einer gewissen Zeit besagter Bubbles wieder verwiesen werden. In Folge ihres Sieges beim Verfassungsgerichtshof trat sie wohl in der Türkis Rosa Lila Villa und am Volksstimmefest auf. Ihr rechter Hintergrund bereitete allerdings vielen in der Community Unbehagen, sie bei Veranstaltungen dabei zu haben, was Donner umso mehr ins reaktionäre Lager pushte. Dort hatte sie – zumindest oberflächlich – mit weniger Berührungsängsten zu kämpfen und erfuhr vor allem für ihre Aussagen im »Corona-Widerstand« Zuspruch. Doch auch Rechtsparteien und alternativ-rechte Medien, die sie einst als Star feierten, wollen ihr nun keine Plattform mehr bieten. Auch für sie ist sie anscheinend zu schwer einordenbar.

Die Arbeit am Film habe Poet jedenfalls darin bestärkt, seinem Weg treu zu bleiben: »Für mich war es immer eine linke Qualität, in die Feinheiten menschlicher Erfahrungen einzutauchen, während es rechts mehr um Parolen und Gewalt geht. Ich hoffe, dass ich diese Sensibilität im Film ausdrücken konnte, auch wenn es nur ein kleiner Schritt in der Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen ist.«

Für einige Zeit distanzierte sich Monika Donner übrigens von Film und Crew, obwohl die Erfahrung laut Regisseur für sie einen kathartischen Wert hatte: »Sie war stolz, sich als Beispiel zu zeigen und sich auch selbst betrachten zu können. Es war eine intime und offene Auseinandersetzung mit der eigenen Werdung, die sie auch jetzt noch beschäftigt.« Nun wolle sie doch wieder zur Kinostartpremiere kommen. Seine Angebote, sie menschlich zu unterstützen, wenn der Film dann in der Öffentlichkeit steht und unter Umständen mit einem Backlash zu rechnen ist, lehne Donner aber kategorisch ab, so Poet: »Sie macht sich wie immer alles selbst.«

Der Film »Der Soldat Monika« von Paul Poet ist ab 23. April in den österreichischen Kinos zu sehen.

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