Seine scharfzüngigen Wortgeflechte zur österreichischen Gesellschaft verpackt Josef Winkler schon seit über 30 Jahren in seine Schachtelprosa. Für den Steirischen Herbst hat er sich aufs Experimentierfeld gewagt und zum ersten Mal einen Text fürs Theater geschrieben.
Wenn sich auch das grüne Herz Österreichs langsam braun verfärbt, ist das kein – oder nicht nur ein – politisches Statement, sondern hauptsächlich einfach die Beschreibung der Tatsache, dass der Herbst da ist. In Graz ist der Herbst aber erst dann so wirklich angekommen, wenn das – neben der Diagonale und dem Elevate Festival – wohl wichtigste Kunstfestival begonnen hat. Der Steirische Herbst nämlich. Jahr für Jahr werden hier Wortgefechte auf der Bühne ausgetragen, Musik gespielt, vorgelesen, Installationen installiert, performiert und Party gemacht. Man hat genug Mut zu experminentieren, überlässt den Mainstream der Hauptstadt und ihren Festspielen und schaut stattdessen ein bisschen tiefer in die Nischen, um dort Staub aufzuwirbeln.
Prosa in Schachteln aus Kamering
Einen großen Namen hat man sich in diesem Jahr aber trotzdem für die Eröffnung geholt, den next best grumpy guy in der österreichischen Literaturszene nach Thomas Bernhard – Josef Winkler, den man normalerweise aus den faschistisch-katholizistischen Szenarien seiner Kameringer Jugend kennt, die er seit 1979, der Veröffentlichung seines ersten Romans "Menschenkind", sorgsam in seine verschachtelte Prosa verpackt. Die wird ihn auch bei seiner Konzertperformance "Specter of the Gardenia oder der Tag wird kommen", die in der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Johannes Maria Staud für den Steirischen Herbst entstanden ist, nicht loslassen – Winkler scheint mit dem Platz im Herrgottswinkel verwachsen zu sein, unter dem strengen Blick des diktatorischen Vaters und den traurigen Augen Jesus.
Aber auch wenn sich die Kameringer Kirchturmspitze weiter durch sein Dichterherz bohrt und die zusammenkniffenen Augen des strengen Vaters jede geschriebene Zeile mitverfolgen, so unternimmt er doch zumindest formal eine Reise auf unbekanntes Terrain. Sein Projekt für den Steirischen Herbst wird als installative Konzertperformance beschrieben, als subtiles Wechselspiel von Musik und Text. Was das heißen soll haben wir den Büchner-Preisträger und grumpiest Autor alive gefragt.
Im Programm wird das Stück als künstlerisches Wagnis beschrieben – woher kommt das? Aus dem Inhalt oder der Form?
Das wird wohl eher im Formalen liegen, kann sich aber natürlich auf das Inhaltliche übertragen. Das Ganze hat sich ja so entwickelt, dass ich den Auftrag gekriegt hab, –vom Steirischen Herbst – ein Libretto zu schreiben, und man hat mir freie Hand gegeben. Ich war also an nichts gebunden, an irgendwelche Themen oder Vorgaben, und wollte einfach mit den mir zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln, mit meinen Wortkünsten, sofern sie welche sind, einen Textkörper entwickeln, den dann der Johannes Maria Staud gekriegt hat und dann so auswahlweise – der Text war ja zu lang – nicht wirklich vertont, aber seine Komposition dazugegeben hat. Jetzt wird man schauen, nachdem das auch eine Inszenierung ist, ob das Ganze auch harmoniert. Insofern ist da ein Wagnis drinnen, weil man ja nicht weiß, was letztlich dabei herauskommt.
Sie haben sich also den Johannes Maria Staud als Partner nicht ausgesucht? Das war von vornherein vom Steirischen Herbst so festgelegt?
Man hat mir den Johannes Maria Staud vorgeschlagen. Ich hab ihn vom Namen her schon gekannt. Dann hat er mir ein paar Aufnahmen von seinen Kompositionen zugeschickt und ich hab mir natürlich leichter getan. Und während sich dann diese ganze Geschichte in meinem Text entwickelt hat, hab ich ihm nie die Endfassung gegeben zum Dazukomponieren, sondern hab ihn sozusagen an der Entwicklung meines Textes teilhaben lassen und ihm so die immer neuen Fassungen gezeigt, damit er sich, bevor er einen Ton geschaffen hatte, sich schon im Kopf oder wo immer auch, vorbereiten hat können auf etwas möglicherweise Kommendes. Jedenfalls, eine bestimmte Tendenz war für ihn schon, nachdem ich ihm Fassung für Fassung gezeigt habe, deutlich.
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