Klein Berlin

4cities ist ein internationaler Masterstudiengang verschiedener europäischer Universitäten. Als Teil der Urban Studies machten sich Studenten auf die Reise durch Brüssel, Kopenhagen, Madrid und Wien. Im vergangenen Semester wurde die Wiener Gumpendorfer Straße unter die Lupe genommen. Lehrveranstaltungsleiterin Yvonne Franz erzählte The Gap, was sich im Wiener „Klein Berlin“ ändern sollte.

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Warum war ausgerechnet die Gumpendorfer Straße so interessant für 4Cities?

Yvonne Franz: Die Gumpendorfer Straße zeigt kein konstant durchgängiges Gesicht, das macht sie so spannend. Geht oder fährt man die Straße von Anfang bis Ende ab, erkennt man sehr deutlich die Veränderungen: Der zentrumsnahe Abschnitt am Getreidemarkt wird mit seinen zahlreichen Cafés, Szene-Lokalen, Design-Shops und Friseuren mitunter als „Klein Berlin“ beschrieben, während der Abschnitt zwischen Apollo Kino und Beginn der Möbelmeile als unattraktiv gilt. Diese Unterschiede galt es auf relativ kleinem Raum – entlang nur „einer Straße“ – zu identifizieren und herauszuarbeiten.

Ein Thema des Projekts ist: Eine gute Straße ist eine demokratische Straße. Was bedeutet dies explizit für die Gumpendorfer Straße?

Eine demokratische Straße heißt: Für alle Nutzer (wie Bewohner, Geschäftsleute oder Besucher) offen und einladend. Niemand soll im täglichen Gebrauch der Straße ausgeschlossen werden. Das ist an der Gumpendorfer Straße zum Teil recht kritisch zu sehen, denn vor allem der starke Verkehr macht die Straße z.B. für Kinder oder ältere Menschen gefährlich.

Was sind eure Veränderungsvorschläge?

Ein wichtiger Aspekt ist der bereits angesprochene Verkehr. Gleichzeitig ist die Verkehrsproblematik am schwierigsten zu lösen, denn die Gumpendorfer Straße ist klarerweise in einem höherrangigem Verkehrskonzept eingebettet. Die 4cities-Studierenden regen dennoch zum Nachdenken an, indem sie z.B. Verkehrsberuhigung auf 30km/h vorschlagen. Die Parkplatznot für Anwohner wie auch Besucher könnte aus Sicht der Studierenden mit einer stärkeren Unterstützung und Nutzung von Carsharing gelindert werden.

In anderen Städten wie bspw. Montreal ist dieses Konzept viel populärer. Auch die Nutzung der öffentlichen Räume an der Straße ist verbesserungswürdig, wie z.B. die Plätze vor dem Topkino oder Café Sperl. Im Moment sind die Sitzmöglichkeiten zum fließenden Verkehr orientiert, die Blumengestaltung befindet sich meist im Rücken der ParkbanknutzerInnen. Es wäre sinnvoller, diese Situation umzudrehen und die Begrünung als (Lärm-)Schutz zu nutzen.

Wie haben wir uns den Arbeitsweg der Studenten zu den nun ausgestellten Endergebnissen vorzustellen?

Das Projekt, für das die Endergebnisse generiert wurden, war in die Lehrveranstaltung „Urban Analysis“ (= Methoden der Stadtforschung) eingebettet. Somit gab es jede Woche einen Urban Analysis-Tag, der am Vormittag mit einem Gespräch mit Experten begann. Diese haben uns Einblick in ihr spezifisches Arbeitsthema gegeben, z.B. die Sanierung von Gründerzeitgebäuden, Umnutzung von ehemaligen Fabrikgeländen wie Schokoladenfabrik oder Kabelwerk oder lokale Projekte wie das der „Lebendigen Wallensteinstraße“. Danach gab es im Hörsaal die Einführung und Vorbereitung in eine neue Methode, z.B. Text- und Diskursanalyse oder Beobachtung, die während des Nachmittages „im Feld“ angewendet wurde. Ergänzt wurden diese Urban Analysis-Tage beispielsweise mit einem intensiven Kartographie-Workshop oder der so genannten Reading Group, in der aktuelle wissenschaftliche Artikel zu Creative Industries diskutiert wurden. Natürlich haben die 4cities Studierenden auch außerhalb der Lehrveranstaltung viel Zeit an der Gumpendorfer Straße verbracht und ihre Thematik zu Hause bearbeitet.

Die von euch gebrachten Vorschläge zu Veränderung sind gute umsetzbare Kleinigkeiten. Wie stehen die Chancen, dass der Bezirk sich diesen Vorschlägen annimmt und diese in die Tat umsetzt?

Die Reaktion der Gebietsbetreuung Stadterneuerung im 6., 7., 8. und 9. Bezirk während der Poster-Präsentation war sehr positiv. Daher wäre es schön, wenn einige Vorschläge nicht nur Gehör finden, sondern auch in Zukunft diskutiert und umgesetzt werden. Die Gebietsbetreuung Stern hat zu Beginn dieses Jahres selbst das Projekt „Gumpendorfer – eine aktive Strasse“ ins Leben gerufen. Wir hoffen, dass einige Anregungen der 4cities Studierenden in dieses Projekt integriert werden.

www.4cities.eu

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