Kommt ein Gouldkehlchen geflogen

Sogar Kate & William tun es, Barack Obama auch. Ellie Gouldings "Halcyon" liegt derzeit der halben Welt in den Ohren. Im UK ging es gleich auf die Zwei. Lisa Schmid hat sie für The Gap zum Interview und anschließender Unplugged Session in der Ring Suite getroffen.

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In Kritikerkreisen galtest du lange Zeit als eine Art Pop-Elfe, man verglich dich mit Sängerinnen wie Robyn oder Lykke Li. Auf deinem neuen Album "Halcyon" bist du experimentierfreudiger, entfremdest deine eigene Stimme durch Loops und starke Echos. Deinen neuen Stil könnte man vielleicht mehr mit Alex Clare oder Grimes vergleichen.

Ich mag Musik, die sich nicht mit einem Genre beschreiben lässt. Experimentelle Sounds – wenn ich meine Stimme mit verschiedenen elektronischen Hintergrundgeräuschen oder Folkmusik vermenge – haben immer schon eine Faszination auf mich ausgeübt. Außerdem singe ich mittlerweile schon so lange, dass ich es jetzt interessant finde, meine Stimme zu manipulieren, sie zu zerhacken und auf verschiedene Weisen wieder zu verbinden, sie umzukehren und alles Mögliche damit anzustellen. Es gefällt mir, die Menschen aus ihrer comfort zone herauszulocken, es macht mir auch nichts aus, wenn meine Stimme dabei außerirdisch klingt oder wie die eines Mannes. Ich mag es ungewöhnlich und ausgefallen und diesen Grundsatz habe ich auch mit meiner Musik immer verfolgt. Ich wollte nie zwangsläufig schöne Musik machen. Ich meine, ich liebe Popsongs, aber mich faszinieren so viele verschiedene Arten von Musik und musikalischen Experimenten.

Welche musikalischen Zusammenarbeiten haben dich da im letzten Jahr am meisten geprägt?

Puh! Ich habe mittlerweile mit so vielen verschiedenen Leuten kollaboriert. Mit Skrillex zu arbeiten hat mir sehr viel Spaß gemacht. Außerdem mit Calvin Harris. Ich habe sogar einige verschiedene Sachen mit Swedish House Mafia gemacht. Ich arbeite generell sehr gerne mit elektronischen Produzenten.

Hat das dann auch zum Stil deines neuen Albums geführt? Der unterscheidet sich ja doch deutlich von deinem letzten Album "Lights".

Ja, aber ich habe elektronische Musik immer schon geliebt, das ist schon seit langem eine meiner Leidenschaften. Die Leute vergessen, dass meine erste Begegnung mit der Elektronikszene von mir ausging, als ich mich an einen sehr speziellen Dubstep-Produzenten aus London wandte – Burial. Zudem noch Rusko, bei dem hab ich auch angefragt. Ich war mir also immer im Klaren darüber, welche Art von elektronischer Musik ich mag und welche nicht. Ich denke auch, es war immer schon klar, dass ich früher oder später ein Album wie „Halcyon“ machen würde. "Lights" hat viel mehr dem Stil von Starsmith entsprochen. Er hat einen sehr eigenen Stil, elektronische Musik zu produzieren, da hab ich einfach mitgemacht und sozusagen meinen Senf dazu gegeben. Und so kam schließlich "Lights" zustande. Für „Halcyon“ hab ich hingegen mit Jim Eliot zusammen gearbeitet, welcher kein wirklich Elektronik-Produzent ist, sondern einfach richtig coole Musik macht und schon mit Ladyhawke und Kylie Minogue gearbeitet hat. Wir haben dann einfach aus unseren beiden verschiedenen Hintergründen diesen Sound kreiert.

Hast du ein persönlichen Lieblingslied aus "Halcyon", eines das dir ganz besonders nahe geht?

"My blood"! Das ist mein Favorit. Er bedeutet mir am meisten, ein sehr persönlicher Song über etwas, das ich durchgemacht habe. Ich wollte damals einen richtigen – also sozusagen den ultimativen "Fuck you"-Song machen. Es war wirklich eine große Erleichterung, ihn zu machen. Auch wenn ich dieses Lied live singe, ist das immer sehr intensiv für mich. Oft verbrauche ich dabei fast meine ganze Stimme, weil ich einfach immer alles geben muss, wenn ich "My Blood" singe.

Du sagst, wenn du deine Lieder schreibst, dann auf eine "borderline"-artige Weise. Wie darf man sich deinen Songwriting-Prozess vorstellen?

Das ist immer unterschiedlich. Manchmal fällt mir zunächst ein kleiner Vocal-Aufhänger ein, manchmal gleich ein geschlossener Text. Es kommt auch immer darauf an, mit wem ich schreibe. Manche Menschen haben einen ziemlich poppigen Zugang. Jim hat einfach meine Ideen aufgegriffen, mit ihm war es sehr experimentell und verspielt. Wir haben die ganze Zeit gelacht und rumgealbert und uns jedes Mal riesig gefreut, wenn etwas gut funktioniert hat. Aus dem Zimmer, in dem wir texteten, hörte man die ganze Zeit so „Yeeeaaah!“ (lacht) Mir gefällt die Idee, mit Sounds herum zu experimentieren, aber dabei immer noch recht poppigzu sein, denn wir beide lieben Popmusik einfach so sehr.

Du hast aber doch sicherlich auch manchmal mit Schreibblockaden zu kämpfen.

Klar, es ist auch für mich sehr schwierig, damit umzugehen. Da muss man einfach einen Ort finden, wo man sich wohl fühlt. Mir passiert manchmal, dass ich anfange einen Song zu schreiben und währenddessen draufkomme, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Das ist etwas, das einfach passiert und es wird wieder passieren. Das ist etwas, wo man sich einfach durchbeißen muss. Wichtig ist, dass man dabei nie den Glauben an sich selbst verliert.

Was hörst du eigentlich privat?

Oh, ich liebe so viele verschiedene Richtungen. Im Moment hör ich sehr viel Polica, eine meiner allerliebsten Bands zur Zeit. Kendrick Lamars neues Album ist ebenfalls spitze. Mein Musikgeschmack ist echt sehr unterschiedlich. Björk fand ich immer schon toll, aber andererseits liebe ich auch Rihanna und andere große Popdiven.


Ich finde ja das Musikvideo zu "Figure 8" fantastisch!

Oh ja, das Neue! Cool, danke!

Es veranschaulicht diesen argen Schmerz nach einer Trennung, den emotionalen Sturm, der da in einem tobt. Du mischst ja vom Schreiben bis zum Produzieren deiner Lieder eigentlich überall mit – Wie ist das bei Videos?

Auf das Video zu "Figure 8" hatte ich tatsächlich überdurchschnittlich viel Einfluss. Es waren viele Spielereien nötig, denn ich wusste sehr genau welche Szenen ich machen wollte und welche Aufnahmen von mir ins Video sollten. Bei "Anything Could Happen" hingegen war Floria Sigismondi die künstlerische Leiterin, sie hatte eine sehr starke Vorstellung, die sie auch gut umsetzen konnte. Eine meiner Ideen war zum Beispiel das Nasenbluten, das fand ich irgendwie gut, als kleinen Überraschungsmoment. Mir gefällt auch diese dargestellte Verletzlichkeit, zu singen und dabei einfach nichts mehr zu verlieren zu haben.

Du hast gleich zu am Beginn deiner Karriere zwei große Awards abgeräumt, darunter der heiß begehrte Critics‘ Choice Brit Award 2010. Dann Royal Wedding und National Christmas Tree Ceremony mit Barack Obama. Du hast erfrischend ehrlich gemeint, dass dich der ganze Trubel um deine Person am Anfang ziemlich unter Druck gesetzt hat. Wie ist das heute?

Ich bin einfach grundsätzlich eine eher bodenständige Person, ich kann gar nicht anders. Mittlerweile hab ich auch ziemlich gute Filter gegenüber einigen Dingen entwickelt und bemühe mich, die Kirche im Dorf zu lassen. Ich denke, meine größten Fortschritte habe ich bei der Effizienz meiner Arbeit gemacht. Ich weiß jetzt, wie wichtig es ist, Dinge fertig zu kriegen und so viel zu schaffen, wie ich nur kann, und trotzdem noch in der Lage zu bleiben, die Künstlerin zu sein, die ich sein möchte. Deshalb sage ich heute auch viel deutlicher ja oder nein und versuche nicht neutral dazwischen zu stehen, sondern habe gelernt, mich zu entscheiden. Aber es kommt immer auf die Leute an, mit denen du dich umgibst. Sind es die Richtigen, ist es nicht wirklich schwer, der Last, die mit dem Ruhm einhergeht, keine Aufmerksamkeit zu schenken.

Würdest du dich denn als Workaholic bezeichnen?

Hm … ich nehme an, ja, vielleicht bin ich wirklich irgendwie ein Workaholic, kann sein. Aber nicht auf eine ungesunde Art und Weise, mehr wie alle anderen auch. Ich will eben einfach mein Bestes geben und das Beste aus dem rausholen, was ich tue.

Kannst du dich noch an den Moment erinnern, in dem dir klar wurde: Okay, ich werde also ein Riesenpopstar und jetzt gibt es kein Zurück mehr?

(lacht) Nein, nicht wirklich, denn es war ja doch ein sehr langsamer und irgendwie gradueller Anstieg und ich glaube, auch ein sehr gesunder. Ich bin zur Zeit insofern in einer gesunden Position, dass ich immer noch sehr kleine Auftritte machen kann, genau so wie große Shows. Ich kann mich in meiner Lage immer gut anpassen, auch weil ich viele verschiedene Arten von Fans habe, da die Leute mich und meine Musik aus den verschiedensten Gründen für sich entdecken.

Du bist eine sehr offene und ehrliche Person. Ich finde es toll, wie du keine Angst hast, über deine Gefühle zu reden und vor allem Verletzlichkeit und Fehlbarkeit zuzugeben. Ist das aber nicht irgendwie auch gefährlich, in der Öffentlichkeit sein Herz auf der Zunge zu tragen?

Wahrscheinlich. Ich kann mir auch vorstellen, dass Männer Angst haben, mir nahe zu sein, weil sie denken, ich würde dann gleich einen Song über sie schreiben. (lacht) Aber das war schon immer mein Schreibstil, ich habe diesbezüglich wenig Hemmungen. Ich würde nie nicht für jemanden schreiben wollen. Ich würde nicht wollen, dass mein Privatleben eine Grauzone ist, ich bin da lieber offen und ehrlich.

Wenn du heute nicht Popstar wärst, was würdest du stattdessen tun? Hast du so etwas wie einen Plan B?

Hm … Wahrscheinlich wäre ich Personal Trainerin oder Schauspielerin. Sport und vor allem Laufen ist eine der Sachen, die ich neben der Musik am allermeisten genieße. Ich liebe es einfach, mich richtig auszupowern. Ich bin geradezu süchtig nach diesem Endorphin-Flash, das macht mir richtig Spaß. Wann immer ich eine freie Minute habe, gehe ich laufen. Nur habe ich die leider nicht. Nie. Freizeit ist zurzeit ein Fremdwort für mich. Eigentlich – willst du mich nicht mit dir rausschmuggeln? Bitte! (lacht)

Das würde ich wahnsinnig gerne tun, aber wir brauchen dich hier später noch. Dank dir vielmals für das Gespräch, ich freue mich schon auf die Unplugged Session!

"Halcyon" von Ellie Goulding ist bereits via Universal erschienen.

Bild(er) © Petra Püngüntzky
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