Nock/art eröffnete in Bad Kleinkirchheim mit einem "Slow Walk" von Hamish Fulton am 21. September. Über die Erfahrung der Langsamkeit, natürliche Kunst und Wandern als Diskurs…
Die Berge: für manche banal-schöne Kulisse, für andere Quell der Kreativität, wiederum für andere schlicht und ergreifend Lebensraum. Was dem urban und medial Geprägten zum erholsamen Fluchtort dient, bildet des anderen tägliches Kleinod. Um ein Befragen und Erleben verschiedener Umgangsweisen des Menschen mit den Bergen und der Natur geht es nock/art im Kärntnerischen Bad Kleinkirchheim.
„No Walk, No Art“ – so die Vorgehensweise des seit den 60er Jahren erfahrenen Konzept-Wander-Künstlers Hamish Fulton aus Canterbury. Im Mittelpunkt steht also das Wandern. Seine Erfahrungen gibt er in beeindruckenden Landschaftsfotografien, reduzierten, plakatähnlichen Grafiken und choregrafierten „Public Art Walks“ wieder. Über Langsamkeit und Meditation…
"Public Art Walk"
Bei dem einstündigen „Walk“ bewegten sich zwei Gruppen im exakten Zeitraum von einer Stunde aufeinander zu, aneinander vorbei und zum jeweiligen Ausgangspunkt der anderen. Klingt banal? Die Herausforderung, Teil dieses kurzweiligen Kunstwerks zu sein, lag darin, inne zu halten, nicht zu sprechen und sich bei nur: 0,3 Stundenkilometern – mit dem einen Meter Abstand zum Vordermann – fließenden Schrittes fort zu bewegen. Der Naturfotograf Michael Höpfner gab seine Erfahrung des "Walks" mit der Frage wieder: „Was ist wichtiger: der innere Rhythmus oder die Form?“; nicht die Langsamkeit, wie man vielleicht erwartet hätte. Es war die Schwierigkeit, zu körperlicher (Ent-)Spannung zu gelangen bei gleichzeitiger ‚Anweisung‘ – einer sehr geringen sozialen Interaktion – eine Reihe zu bilden. Haben wir alle blinde Flecken in uns?
"Spinnerte Idee"?
Ein Einheimische bezeichnete die Aktion paradoxer Weise als „Ruhestörung“. Leiter der ORF Kultur Martin Traxl sprach das Misstrauen beim Symposium „Wandern. Bewegung in Raum und Zeit“ an: „Schon wieder Kunst? Kunst in der Landschaft – brauchen wir das auch noch?“ Aber Nock/art soll eben gerade nicht Kunst als „Luxus“ sein, als „spinnerte Idee“, so Traxl, aber auch kein angelegter "Skulpturenpark" oder "Land-Art", die es im Kulturraum Österreich gar nicht geben könne, so Initiator und Kurator Edelbert Köb. Von „ernsthafter Kunst“ bis zur Aussage „Kunst ist eine Behauptung, ein Gesellschaftsübereinkommen“ lässt er sich gern unverbissen auf verschiedenste Perspektiven ein. Stefan Heinisch, Leiter Tourismusmanagements meint, es sei für die Region – mit rückläufigen Besucherzahlen – eine Möglichkeit, auf die Region aufmerksam zu machen, weit über Österreich hinaus. Das Konzept des Projekts erweist sich als Drahtseilakt zwischen verschiedenen Beteiligten, zwischen internationalem Renomee und für Einheimische und Touristen zugängliche Kunst.
Und deshalb lautet der Konsens so offen und einfach, aber clever: Man nutzt das, was in Kärnten, Bad Kleinkirchheim eh schon so schön ist – das Wandern und dabei bekommt man noch etwas mehr, oder vielmehr… Die bereits geplanten künstlerischen Konzepte zeigen, dass es klappen kann. Sie gehen sensibel mit dem Gegebenen um, studieren den Ort und seine Geschichte und kritisieren oder deuten Entwicklungen um, die eher dem urbanen Raum, industrieller Rationalisierung und Entfremdung zu zu ordnen sind. Ihre Kunst soll sich eben nicht großspurig breit machen, wo es schön ist und Nase-rümpfend über Ursprüngliches hinweg fahren. Sie stößt mit unter genau das kritisch an, wovor sich manch Einheimische(r) gerade fürchten mag, dass sie es selbst verkörpert – den Verlust der Ursprünglichkeit durch deren Ausverkauf im Massentourismus.
"Hotel Konkurrenz" – für einen anderen Tourismus
Ein gutes Beispiel ist die Künstlergruppe AO&, die im Frühjahr das nächste Projekt der nock/art ausrichten wird. Die drei Künstler übernehmen ein ganzes Hotel in Bad Kleinkirchheim – Hotel Oswald – und krempeln es um – Tourismus-Architektur, Soziales und Kommunikation – alles soll hier dann anders, "besser" laufen. Das Haus wird kurzfristig zum „Hotel Konkurrenz“ umbenannt und ist eine Kritik an der starken Konkurrenz des Massentourismus, die zu Rationalisierung und Gleichschaltung führt. Der Schweizer Künstler Roman Signer wird in einer Landschaftsinstallation den Reiz unseres liebsten Konsumgegenstandes, des Autos, mit dem Reiz, einfache physikalische Reaktionen aus zu lösen, vergleichen – wahrscheinlich nicht ohne Blechschäden! Die österreichische Künstlerin Ingeborg Strobl beschäftigt sich mit dem still gelegten Steinbruch Bad Kleinkirchheims. Zwischen Konservieren, Erneuern und Sichtbarmachen industrieller Spuren und Prozesse reflektiert ihre Arbeit feinfühlig einen wichtigen Ort der Region.
Von der Behauptung (der) "Kunst"
„Das Humanistische an den Bergen ist: man teilt sie, niemand vereinnahmt sie“, so Journalist Axel Halbhuber zum nock/art-Symposium, bei dem Wanderbegeisterte, Sportler, Historiker und Künstler miteinander diskutierten. Diese Nicht-Vereinnahmung, das Neudenken, bildet den besten Rahmen, überhaupt über Kunst nach zu denken. Diese kümmert sich, wenn sie sich mit der Natur und des Menschen Umgang damit auseinander setzt, auch mit sich selbst. Sie beschäftigt sich neben dem ‚Schönen‘ auch mit dem ‚Gegebenen‘ – der Disziplinen der Ästhetik, die den wissenschaftlichen, rezeptorischen, gesellschaftlichen Diskurs darüber prägt, was "Kunst" ist. Die wird aber erst relevant und kommunizierbar, wenn sie vermittelbar ist, also in eine Form, ein Material gebracht wird. Die genannte "Behauptung" kann sich also nicht auf die ästhetisch-künstlerische Erfahrung selbst beziehen, sondern lediglich auf die Art und Weise ihrer Vermittlung. In Zeiten der Kunstdiskurs-Wucherung und des zunehmenden Miskredits des Kunstmarktes zeigt sich die nock/art deshalb besonders mutig wie reizvoll; – indem sie an einen Ort geht, wo kein Kunstmarkt besteht und das mit Werken, die ephemer und unverkäuflich sind, dafür aber umso nahbarer.
b>Weiter zum Interview mit Hamish Fulton.
nock/art – ein wanderbares Kunstprojekt in Bad Kleinkirchheim in Kärnten
Infos unter nockart.at
Zur Ankündigung des Kunstprojektes mit Vorstellung aller teilnehmender Künstler geht es hier.