Wenig erzählerisch löst Thomas Köck Szenen auf, wiederholt Anklagen – und unterhält.
Thomas Köcks »Kudlich in Amerika« passt in mehrfacher Hinsicht ins Schauspielhaus … es wurde aber auch in Gedanken an die Spielstätte, ihr Ensemble und deren Eigenheiten geschrieben. Weil es das vielleicht geben muss, gibt es eine rudimentäre Handlung – sie steht aber weder im Vordergrund, noch ist das Stück grundsätzlich erzählerisch aufgebaut. Es bildet so etwas wie den zweiten Teil einer möglicherweise noch größer werdenden Kudlich-Saga und folgt dem Stück »Kudlich« aus dem Jahr 2016. Darin ging es um die historische Figur des Hans Kudlich, einem Politiker, der in Wien Mitte des 19. Jahrhunderts für die Befreiung der Bauern kämpfte, an Demonstrationen teilnahm – und schließlich nach Amerika floh.
Allgemeine Betrachtungen
In »Kudlich in Amerika« bildet diese Geschichte den Rahmen für eine doch sehr allgemeine Betrachtung: Es geht irgendwie um alles. Ausbeutung, Geschlechter, Arbeitsverhältnisse und den Klimawandel – und wie der Untertitel »oder who owns history ein carbondemokratischer Spaghettiwestern« nahelegt, auch darum wer Geschichte erzählt und aus welcher Perspektive sie erzählt wird.
Am Anfang und am Ende der Aufführung gibt es einen Chor – ein Element dem sich Köck etwa auch in »Die Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!)« ausgiebig bediente –, der in die Gedankenwelt des Stücks einführt, diese aber auch vorwegnimmt, und von einem Cowboy verjagt wird. Kudlich landet in Amerika auf dem Filmset eines Westerndrehs. Die Spirale der Ebenen wird hier gekonnt ausgekostet und weiter gedreht: Der Western muss als Mythos hinterfragt werden, die Unterdrückungsmechanismen der Eroberung nicht nur Amerikas sind ein zentrales Thema, Männer- und Frauenrollen werden ebenso thematisiert, wie aufgelöst. Geschichtliche wie aktuelle Zusammenhänge sind komplex. Und oft ist es nicht leicht – sich bei allem guten Willen – auf die Seite der guten Sache zu stellen, wie auch Kudlich erleben muss.
Die Einforderung der Wiederholung
Das grundsätzliche Problem dabei bleibt, dass Thomas Köck in seinen Aussagen bekannten Themen nicht viel hinzuzufügen hat. Das ändert sich auch nur bedingt dadurch, dass er gegen Ende des Stücks diese Wiederholung schwieriger Wahrheiten geradezu einfordert. Durchaus im Sinn von „Niemals vergessen!“. Ohne diese Wendung allerdings – die er fast als Joker einsetzt – wäre vieles inhaltlich aber einfach zu oberflächlich. Und das bei allem Willen zu Komplexität und der Verweigerung einfache Aussagen unhinterfragt stehen zu lassen.
Das alles wird in den knapp zwei Stunden verspielt und mit viel Lust an Gleichzeitigkeit dargeboten. Die Rollen werden vom wirklich feinen Ensemble des Schauspielhauses genussvoll ausgekostet, die Musik stammt von Andreas Spechtl. Es gibt willkommene Anspielungen an das Strache-Ibiza-Video und generell viel Humor. Wer den Anspruch hat, in all den Wörtern und Sätzen mehr oder gar zuvor unbekannten Sinn auszumachen, wird vielleicht enttäuscht. Der Genuß von „Kudlich in Amerika“ kommt aus dem Unterhaltungswert, der Spielfreude und dem durchaus vorhandenen Witz.
»Kudlich in Amerika« ist in der aktuellen Saison im Schauspielhaus Wien zu sehen, besonders intensiv zwischen 28. Jänner und 12. Februar.