Der behördliche Erlass »gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen nach § 15 Epidemiegesetz« zieht in Österreichs Kulturbranche seit Dienstag finanzielle Katastrophen nach sich. Wir haben Kulturschaffende und VeranstalterInnen gefragt, wie sie die Lage einschätzen und was sie nun von der Politik fordern.
Gerald VDH – Techno-Musiker, DJ und Veranstalter
Clubnächte sind ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Meat Market versteht sich als Teil des Kunst- und Kultur-Betriebs der Hauptstadt. Als wir vor wenigen Tagen die Nachricht erhielten (vorerst) zwei unserer Veranstaltungen absagen zu müssen, kam das als ein Schock. Damit hatten wir nicht gerechnet. Seitdem haben wir uns sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Und gleich vorweg: Wir sind mit den Maßnahmen solidarisch. Wir halten sie für sinnvoll und unvermeidbar. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es für uns – wie für viele andere Kunst- und Kulturschaffende – dadurch zu großen Problemen kommt. Es wird wohl notwendig sein, diese Verbote für Veranstaltungen so lange aufrecht zu erhalten, bis sichergestellt ist, dass der im Gesundheitssystem zu versorgende Anteil der Neuinfizierten (betrifft vor allem alte und kranke Menschen) die Kapazitäten zu keinem Zeitpunkt überschreitet. Kein Mensch kann zum momentanen Zeitpunkt sagen, wie lange dies dauern wird. Viele Künstler*innen leben ohnedies prekär. Es muss eine Möglichkeit geben, diese Menschen finanziell zu unterstützen. Mit jeder Woche wird sich die Zahl derer erhöhen, die ihre Rücklagen aufgebraucht haben. Wir haben bereits im ersten Monat Verluste von mehreren tausend Euros durch die Absage von zwei Partys. Es gibt Fixkosten, die ohne Rücksicht auf den Virus weiterlaufen. Vorfinanzierte Flüge, Agency-Gebühren und Investitionen verursachen Kosten, denen keine Einnahmen durch Event gegenüberstehen. Unter anderem finanzieren wir mit unseren Veranstaltungen auch Studio-Kosten, Vinyl-Pressungen, Grafik-Design und vieles mehr. Die Rechnungen sind zu bezahlen. Die Geldeingänge bleiben aus. Diese Maßnahme trifft viele Menschen und es trifft sie sehr hart.
Es benötigt einen Schulterschluss in der kreativen Szene. Radio- und Fernsehsender sollten vermehrt Produktionen Österreichischer Künstler*innen in das Programm aufnehmen. Dafür gibt es – zeitversetzt, aber immerhin – Tantiemen. Wir müssen aufeinander achtgeben und die Ärmsten unter uns notfalls mit dem Notwendigsten versorgen. Wir müssen aber auch die Politik in die Verantwortung nehmen. Wir haben keine Lobby. Aber wir sind gut vernetzt und wir sind viele. Wir leisten einen großen Beitrag zu Leben und Wirtschaft in diesem Land. Es wird notwendig sein, ähnliche Unterstützungen, die für Hotelbetriebe bereits zugesichert wurden, auch für Kunst- und Kulturschaffende anzubieten. Alle, die sich ernsthaft mit dem Thema des neuartigen Coronavirus beschäftigen, werden die Notwendigkeit eines Veranstaltungsverbots nicht bestreiten können. Ein Riesenteil der Künstler*innen zeigt sich solidarisch und trägt dadurch zum Erfolg dieser Maßnahmen bei. Im Gegenzug dafür lässt man uns momentan im Ungewissen. Dies ist unerträglich und schäbig.
An alle DJs, andere Musiker*innen, Grafiker*innen, Veranstaltungstechniker*innen, Clubbetreiber*innen, Mitarbeiter*innen im Kultur- und Nachtleben, Komiker*innen und an alle, die ich jetzt in der Eile vergessen habe: Wir werden das überleben, wenn wir zusammenhalten und solidarisch kämpfen. Glück auf!
Zu Corona in Österreich und global bleibt ihr am besten hier auf dem Laufenden. Mica – Music Austria hat in Kooperation mit der Vienna Club Commision einen Guide für Musikschaffende und VeranstalterInnen zum Umgang mit dem Coronavirus herausgegeben.