Permanent Dreckig

Bei »Game Of Thrones« lernt man nichts. Im Gegensatz zu feuilleton-gelobten Produktionen wie »Six Feet Under« oder »The Wire« hat die neue HBO-Serie wenig Gesellschaftskritisches zu bieten. Erzählt wird, wie gewohnt, auf hohem Komplexitätsniveau, aber diesmal ohne Metaebene.

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Die Geschehnisse rund um die sieben Königreiche auf dem fiktiven Kontinent Westeros stellen weder eine Allegorie aufs das alte Europa noch auf die USA der Bush-Ära dar. (Dafür muss man auf die gelungene Neuverfilmung des Weltraumepos »Battlestar Galactica« zurückgreifen.) Noch lassen die Mitglieder der Königshäuser Baratheon, Lannister und Stark oder deren Untertanen tiefe Einblicke in die menschliche Seele oder Reflexionen des Publikums auf das eigene Handeln zu, wie das beim großen Familienepos des frühen 21. Jahrhunderts, »Six Feet Under«, der Fall war. Zu weit ist die Saga rund um den eisernen Thron vom Heute entfernt. Westeros ist anderswo: In seinem Romanzyklus »Das Lied von Eis und Feuer«, dessen erster Band 1996 erschien, hat George R. R. Martin eine ausgeklügelte Parallelwelt der politischen Ränkespiele und blutigen Konfrontationen geschaffen. Das Intrigenkarussell aus Martins voluminösen Büchern haben David Benioff (»25 Stunden«, »Troja«) und D.B. Weiss jetzt ins Format einstündiger Fernsehepisoden übertragen.

Passend zum fernen Erzähluniversum haben auch die Produktionsbedingungen von »Game Of Thrones« (benannt nach dem ersten Band der Reihe) mit dem herkömmlichen Fernsehmarkt wenig zu tun. Alleine der aufwendig produzierte Pilot, der den von »Lost« an Bildgewalt bei Weitem übertrifft und von manchen Kritikern wie Fans zu den besten 50 Minuten Fernsehen aller Zeiten erklärt wurde, soll zwischen 5 und 10 Millionen US-Dollar gekostet haben. Das Gesamtbudget der zehn Folgen umfassenden ersten Staffel liegt bei kolportierten 60 Millionen Dollar. Diese Unsummen sieht man der Serie in jedem Moment an. Ausnahmslos alle Charaktere sind hervorragend besetzt, wobei die Stars, wie der aus »Herr der Ringe« bekannte Sean Bean, von den Kinderdarstellern noch übertroffen werden. Atemberaubende Landschaftsaufnahmen (gedreht wurde hauptsächlich auf Malta und in Nordirland) und die computeranimierten Schlösser und Burgen, deren CGI-Ursprung nicht ins Auge springt, tun den Rest.

Es darf geschissen werden

Das wahre Highlight der Serie ist jedoch – ganz HBO – die fesselnde, aber komplizierte Geschichte mit ihren vielen Handlungssträngen, die im Laufe der Zeit geschickt miteinander verwoben werden. Besonderen Wert wurde auf die vielschichtigen Charaktere gelegt, deren wahre Intentionen immer schwieriger zu durschauen sind, je näher sie dem Thron kommen. »Game Of Thrones« richtet sich dabei dezidiert an Erwachsene und entzaubert – auch das eine Spezialität des neuen Fernsehens, und da vor allem wieder von HBO – die verbreitete, romantisierte Vorstellung einer Epoche (auch wenn es sich in dem Fall um eine fiktive, aber deutlich ans Mittelalter angelehnte Fantasywelt handelt). Fernab von Feen, Hobbits und Zauberern wird in der Welt von George R. R. Martin gefickt, geflucht, geschissen und gemordet.

Den Kampf Gut versus Böse, der im finalen Showdown entschieden wird, gibt es nicht. Stattdessen verfolgt jede Figur ihre eigenen, meist egoistischen Ziele, selbst noch in scheinbar altruistischen Handlungen. Und ganz wichtig: es ist permanent dreckig. Dieses vermeintliche In-die-Realität-Rücken einer fremden Lebenswelt hat schon oft Serien zu Hits gemacht und entspricht einem Zeitgeist, der von beiden Extremen mehr verlangt: Auf der einen Seite idealisierte Fantasy-Themenwelten als Fluchtpunkt, was sich in Kinoblockbustern von »Harry Potter« bis zu »Fluch der Karibik« und auch einem Großteil der Comic-Verfilmungen widerspiegelt. Auf der anderen Seite mehr »Authentizität« in Science Fiction (»Battlestar Galactica«), im Wilden Westen (»Deadwood«), im alten Rom (»Rome«) und jetzt auch im Fantasy-Reich.

Den Freunden gediegener Serien-Aufklärung wird »Game Of Thrones« wohl maximal zum Guilty Pleasure reichen. Oder es wird krampfhaft etwas hineininterpretiert werden, wo nichts ist. Wie zu Beginn der Nullerjahre, als die »Herr der Ringe«-Verfilmung ins Kino kam. Da wurde die Trilogie als Allegorie auf alles Mögliche, vom Kalten Krieg bis hin zu Religionskonflikten, herangezogen. Dabei hatte Tolkien im Vorwort der revidierten Ausgabe von 1966 dezidiert geschrieben: »Was die tiefe Bedeutung oder ‚Botschaft‘ des Buches angeht, so hat es nach Absicht des Autors keine.«

»Game Of Thrones« ist 2011 für 13 Emmys nominiert. TNT Serie bringt im Winter die deutsche Erstausstrahlung der Serie. Am 23. März 2012 läuft die Serie auf RTL2 an.

www.hbo.com

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