Cornetto ist 50. Und auch der Doppellutscher ist wieder da. Warum? Es hat mit Nostalgie, Wirtschaftswunder und Cordoba zu tun.
Wirtschaftswunder
Gern erzählt man etwa die Geschichte, dass es dem italienischen Eiscreme-Hersteller Spica als erstem gelungen ist, Tüteneis einzufrieren, bei dem die Waffel knusprig bleibt und nicht gatschig und matschig wird, weil man auf die Idee kam, die Waffel innen mit einem Schokoladen-Ölfilm zu überziehen. Das verhindert beim Auftauen ein Durchsickern der Eiscreme durch die Tüte. Unilever kaufte daraufhin das innovative italienische Unternehmen Spica und sorgte fortan für die Vermarktung von Cornetto.
Ideenreichtum ist gut, aber erfolgsfördernd für das industrielle Tüteneis Cornetto – im italienischen Caivano werden jedes Jahr 674 Millionen Stück des Schleckklassikers für Europa produziert – war auch der historische Rahmen in dem die Anfangsjahre von Cornetto eingebettet waren: Deutschland und auch Österreich wurden in den 1960er Jahren vom Wirtschaftswunder beflügelt. Man fuhr wieder in Urlaub. Nicht selten war Italien Ziel dieser Reisen. Den Blockwarten und Hausmeistern wurde an adriatischen Sandstränden ein wenig Dolce Vita in die Köpfe gegrillt, gutes Gelati verschaffte ihnen dabei die Kühlung. Mit Cornetto konnte die Erinnerung und die Vorfreuden an den Traumurlaub auch unterm Jahr konsumiert werden. Ein lukullischer Geschmackssoundtrack zum Wirtschaftswunder. Auf Eis gelegtes Gefühl sozusagen.
Ein Gefühl, das auch immer mit leichter Erhabenheit verbunden war, denn ein Cornetto war damals – anders als heute – das teuerste Eis auf der Karte: »Ein Cornetto genießen war etwas Besonderes, das man sich leisten wollte«, fasst Gunnar Widhalm von Unilever Austria zusammen.
Der Eiscreme-Stratege weiß auch, warum das beliebte Waffeleis noch immer am Markt ist. Schließlich sind die Wirtschaftswunderzeiten ja schon lange vorüber. Eine gewisse Wandlungsfähigkeit und ein Anpassungswille, was den Kundengeschmack betrifft, spielen dabei eine Rolle. "Bis heute gab es 54 verschiedene Geschmacksrichtungen und neben der Sortenvielfalt stehen den Konsumenten auch verschiedene Eisgrößen zur Auswahl." Das zeigt sich etwa auch im heurigen Jubiläumsjahr, in dem u. a. ein Cornetto Frozen Yoghurt in einer eher kleineren Dosis von 90 ml beworben wird. Und mit Ablegern wie den Cornetto Taco reagiert man auf Ernährungsströmungen wie der momentan boomenden Street-Food- und Snack-Kultur. Der Zeitgeist wird also gefüttert, Eis zum Zwischendurch-Snack umgedeutet.
Zudem gewinnt auch das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung. Bis 2020 soll alles, was beim Cornetto in die Tüte kommt, ökologisch korrekt sein. "Eisessen beinhaltet wie jeder Verzehr von Nahrung heutzutage einige politische Komponenten. Ökologische Nachhaltigkeit spielt dabei ebenso eine Rolle wie sozialverantwortliche Produktions- und Handelsbedingungen", erklärt Food Soziologe Daniel Kofahl.
Gut eingetütet
Ein weiterer Erfolg in der Produktgeschichte von Cornetto ist – es mag banal klingen – die Werbung. Die hat sich nämlich in so manchem Falle besonders eingebrannt. Dass Christina Stürmer ihren Hit "Nie genug" vor gut acht Jahren noch einmal für das Eskimo-Produkt einsang, blieb irgendwie haften. Sprüchen wie: "Cornetto, der Sommer und du!" hat man auch noch irgendwo im Hinterkopf. Auffallend ist vor allem, dass die Grund-Positionierung des Eis’ in der Werbung über die Jahre gleich blieb. "Cornetto-Werbungen zeigen meist junge Leute, die Spaß am Leben haben. das Eis steht für Freundschaft, Liebe und Jugen", erklärt Gunnar Widhalm.
So weit so gut. Interessanter ist aber, dass Werbe-Reime wie "Bei dem Cornetto Haselnuss bekommt mein Hasi einen Kuss" heute noch gerne von älteren Semestern zitiert werden. Und der Spruch-Klassiker "Für den Cornetto Heidelbeer geb’ ich den letzten Schilling her" lebt als derber Schüttelreim bis heute weiter.
In diesem Kontext ist es auch kein unmittelbares Pech, dass man gut durchtrainierte, breitschultrige Männer, die nach unten hin spitz zu laufen, spöttisch als "Cornettos" bezeichnet. Es gibt nicht viele Produkte, die es schaffen, mit körperlichen Besonderheiten assoziiert zu werden und die so in der Alltagssprache präsent bleiben. Der Cornetto hat es in dieser Hinsicht geschafft, der Doppellutscher eher nicht.
Bei den aktuellen Temperaturen kann es gar nicht genug Eis geben – wem nur offenes Eis in die Tüte kommt kann sich in diesen Eispalästen in Wien die Kugeln geben.