Loos lecken

Drei Passionswege-Beispiele und ein revolutionäres Manifest bei der Vienna Design Week.

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Die Wiener Glasmanufaktur Lobmeyr zählt zu den jährlichen Fixplätzen bei der Vienna Design Week, und auch diesmal hat man ein Projekt vorgestellt, das das Prädikat „sophisticated“ verdient: Das französische Designerduo Bertille + Mathieu erinnerte die Methode des Glasherstellung an diejenige von Zucker – eine Analoge, die süße Ergebnisse zur Folge hatte. Denn die beiden bereiteten eine spezielle Glukosemasse zu, brachten sie dann auf kreisrunde Formen auf und stempelten darauf Abdrücke von berühmten Lobmeyr-Glasformen und Mustern. Noch ein kleiner Stiel dazu und fertig waren die Lobmeyr-Lollipops. Schon beim Betreten des altehrwürdigen Geschäftslokals auf der Kärntner Straße schlug einem ein verführerischer Duft entgegen. Wenn etwas die betuchte Lobmeyr-Stammklientel aus dem Ersten Bezirk und das hippe Designpublikum verbindet, dann ist es die Begeisterung für Adolf Loos. Kein Wunder also, dass die beliebtesten Lollis diejenigen waren, die den berühmten Lamellenschliff von der Unterseite der Loos-Gläser hatten. Stilvoller lässt es sich wohl nicht naschen, ungewöhnlicher wohl kaum die perfekten Formen eines Designklassikers erkunden. Es spricht für die Leitung des Unternehmens, dass man sich auf solche Experimente einlässt – und Umwege zu den Produkten ermöglicht.

Mit Umwegen hatte auch das Designstudio chmara.rosinke zu tun, die sich um den Maßhemden-Hersteller Wäscheflott kümmerten, der schon vor Jahren bei der Vienna Design Week mitgemacht hat. Maßhemden: kein Thema, mit dem sich die werte The Gap-Leserschaft wohl normalerweise auseinandersetzt. Aber Achtung: nachhaltig ist das allemal, und dass es auch fesch sein kann, bewiesen die Designer Ania Rosinke und Maciej Chmara bei der Präsentation.

Minimalismus und Maßarbeit

Designmäßig verändert hat man jedenfalls die Auslage des Shops: Aus Hemdenstoff wurde ein Vorhang hergestellt, alle betriebsfremden Produkte – wie etwa Pullover – verbannt. Mit einem minimalistischem Möbel und Versatzstücken, die auf die Maßanfertigung verweisen, konzentriert man sich ab sofort auf die Kernkompetenz. Passanten wissen also in nächster Zukunft: Hier gibt´s Maßhemden (Pullover und sonstiges gibt´s ja auch bei Peek & Cloppenburg). Einen zukunftstauglichen Weg für ein alteingesessenes Geschäft hat auch der Österreicher Sebastian Zachl aufgezeigt: Er beweist mit seinen Lampenentwürfen bei „Donauer Lampenschirme“ im vierten Bezirk, dass mit dem Verschwinden von Glühbirnen keinesfalls der Weltuntergang eingeläutet wurde und LED-Licht schöne Möglichkeiten bietet.

Eine neue Kernkompetenz erarbeitet hat sich der Belgische Kurator und Designtheoretiker Max Borka (siehe Interview im jüngsten „The Gap“-Heft), nämlich Social Design. In der Walking-Chair-Gallery hat er am Wochenende eine Art Wandzeitung mit entsprechenden Projekten präsentiert, dort zu erwerben ist auch sein neues Manifest „Form Follows Foco“, ein Titel in Anlehnung an Che Guevara. Hundert prägnante bis provokante Thesen um nur 5 Euro: Wie wär´s, wenn die „Angewandte“ zuschlagen und allen Studentinnen und Studenten das Büchlein als Präsent überreichen würde? Zum Schluss nur eine Kostprobe aus hundert: „Free yourself from a series of other notions that rule the present time frame in design: such as speed, trends, fashion, originality, and progress – all worlds that are little mor than a synonym for obsolescence. Slow down. Refuse to be cool or hip. Don´t even try to be fashionable. And don´t be original but authentic.”

Bild(er) © Vienna Design Week
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