Luftballons am Streaming-Himmel – Österreichische Indie-Labels am Round Table

Label-Wirtschaft hat sich für alle Beteiligten gewandelt und doch ist man sich an unserem Round Table auf ein Bier oder Soda Zitron im Chelsea nicht ganz einig, wie die Musikindustrie heute und in Zukunft dasteht. Ein Gespräch mit Bettina Schöll (Ink Music), Stefan Redelsteiner (Lotter Label), Jamal Hachem (Affine Records) und Theresa Langner (Assim Records) über die großen Systeme und die kleinen Acts.

Wenn ihr als Labels auf die Suche nach Bands geht, schaut ihr da eher, wer zu der Brand eures Labels passt, oder ist es eher ein »Die sind vielversprechend, die schnappen wir uns«?

Bettina: Wir sind neun Mitarbeiter und bei uns ist das eine basisdemokratische Entscheidung, ob wir es als Label gut finden oder
nicht. Wir sind ja ein Haufen von gleichgesinnten Leuten. Wir hören alle unterschiedliche Sachen, aber man hat trotzdem einen Konsens, und wenn wir dasselbe machen würden wie zu der Zeit, als das Label gegründet wurde, dann würden wir Indie aus 2001 wiederkäuen bis zum Erbrechen. Das interessiert keinen. Wir wollen uns ja auch weiterentwickeln. Und man merkt das ja auch, dass zum Beispiel Ö3 nicht mehr so ein Tabuthema ist. Es gibt viele, die sagen, das ist ein absolutes No-Go, aber der Trend geht schon da hin, dass Acts eigentlich auch dort gespielt werden wollen – natürlich auch, weil das Geld ein bisschen besser ist, weil es verlockender ist, dass man eine größere Plattform hat. Wenn ich FM4 aufdrehe, bin ich mir oft nicht sicher, ob das jetzt wirklich FM4 ist. Der Jugendkultur-Auftrag von FM4, der von 50- bis 60-jährigen Menschen geprägt wird, der hat sich auch gewandelt.

Theresa: Bei Ö3 ist das nicht anders.

Bettina: Genau, die versuchen dann auch jüngere Sachen mit reinzunehmen, mit »Treffpunkt Österreich«. Das ist eine coole Initiative, aber es bleibt dann meistens in diesem zweistündigen Format drinnen. Dann gibt’s auch so Labels, da ist der Fokus auf dem Label als Marke, und ich kaufe alles von der Marke, weil das quasi eine Kaufempfehlung ist. Wie das AMA-Gütesiegel quasi. Wir müssen jetzt nicht unbedingt überall das Ink-Pickerl drauf machen, weil wir auch sehr unterschiedliche Stile haben, die trotzdem stimmig sind, zusammenpassen. Es geht sich alles aus. Natürlich wünscht man sich als Label, dass der Konsument irgendwann schnallt, hey, alles was von denen kommt, find ich cool. Aber das wünscht sich jeder. Wir sehen eher die einzelnen Künstler als die Marke, und wir sind die Fädenzieher im Hintergrund.

Bettina Schöll arbeitet seit 2013 bei Ink Music (Garish, Lou Asril, My Ugly Clementine, …) und übernahm 2015 die operative Geschäftsführung. Außerdem konzentriert sie sich stark auf das Artist-Management. © Alexander Galler

Theresa: Das ist bei uns genauso. Wir würden nie eine Band zu uns holen, hinter der wir nicht alle stehen und bei der wir nicht alle sagen, finden wir voll cool, ist genau das, was uns allen taugt.

Bettina: Aber du musst trotzdem zugeben, dass man die wirtschaftliche Perspektive nicht außen vor lassen darf. Wir müssen trotzdem wirtschaftlich agieren.

Theresa: Natürlich, also wir würden jetzt nicht jede Band signen. Ist eh klar, vor allem weil wir ja eigentlich ein kleines Label sind und auch nicht unbedingt ein Riesenlabel werden wollen. Sondern eher schauen, dass wir die Acts, die wir haben langfristig betreuen und ihre Karrieren vorantreiben. Bei uns ist es so, dass wir sehr eng mit den Künstlern zusammenarbeiten. Da macht es ja keinen Sinn, wenn du dir von Anfang an denkst, den pack ich nicht.

Habt ihr euer Label alle von vornherein als Job angelegt oder hat sich das ergeben?

Bettina: Ich bin eigentlich durch eine ausgeschriebene Buchhaltungsstelle zu Ink gekommen und hab mich dann innerhalb von zweieinhalb Jahren zur Geschäftsführerin hochgearbeitet. Ich sag auch unseren Künstlern immer, es kann nicht schaden, auch einen wirtschaftlichen Background zu haben. Das ist der Bereich, wo viele dann nichts mehr verstehen und die Gefahr besteht, dass sie sich recht leicht über den Tisch ziehen lassen.

Stefan: Ich war damals bei Problembär Records, dem ersten Label, das ich gegründet hab, echt nur Musikfan, wenn man so will. Stichwort experimentelle Musik: Wir haben damals absurde Sachen rausgebracht, die außer zehn Leute niemanden interessiert haben. Durch Zufälle ist es dann in eine Pop-Richtung gegangen, als Der Nino aus Wien gekommen ist. Und dann bin ich learning-by-doing-mäßig reingestürzt. Wenn dann Dinge so explodieren, musst du halt eine Entscheidung treffen. Entweder du akzeptierst, du hast einen Job, und dann musst du gut darin sein. Oder du bleibst bei den Postrock-Bands die nach zwölf Minuten immer noch nicht den Chorus gefunden haben. Aber wir haben uns für diese Richtung entschieden, wir wollten Rockstars werden. And I never looked back.

Jamal: Am Anfang hatte ich nicht zwingend die Absicht, dass daraus ein Job wird. Ich hatte am Anfang mit meinen Mitstreitern »bloß« zwei bis drei Releases geplant, weil auch die Erfahrungswerte gefehlt haben. Dementsprechend war der Artist-Pool am Anfang auch sehr überschaubar gehalten. Stück für Stück ist Affine daraufhin mit seinen Artists mitgewachsen und ich als Operator habe es dann relativ schnell als tagesfüllende Arbeit angenommen.

Theresa: Ich komm ursprünglich vom Radio. Da bin ich auch nur reingeschlittert, weil ich so ein großer FM4-Fan war. Mit 18 habe ich mir gedacht, ich bewerb mich jetzt für ein Praktikum bei FM4. Das habe ich natürlich nicht bekommen, sondern eines bei Kronehit.

Bettina: Wie ist deine Bewerbung denn zu Kronehit gekommen?

Theresa: Ich war bei so einem Indie-Radio in Brighton, das war ur super. Dann dachte ich mir, eigentlich ist es wurscht, zu welchem Radio ich gehe, weil die Radioarbeit ist eigentlich im Prinzip überall gleich. Dann habe ich ein Praktikum bei Kronehit bekommen. Da hatte ich eine angenehme Distanz zur Musik, hab das eigentlich ziemlich objektiv gesehen. Dann bin ich zu BMG gegangen. Ich hab’s gehasst, so sehr. Und dann bin ich zu Illy (Dahimène; Anm. d. Red.) gekommen, also zu den Labels Seayou, Problembär und Futuresfuture. Und der hat mich nach drei Wochen gefragt: Hey, wollen wir noch ein Label gründen? Und dann bin ich darin so aufgegangen, hab so das Potenzial in Assim Records gesehen, dass ich dem Illy gesagt hab, ich mach jetzt nur noch Assim.

Assim Records, Lotter Label, Affine Records und Ink Music releasen regelmäßig neue Werke ihrer Acts. Mehr zu österreichischen Indie-Labels hier.

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