…oder warum es eigentlich egal ist, dass jeder Track auf Jay-Z’s "Magna Carta…Holy Grail" das Mittelmaß nicht überschreitet.
Weniger als die Summe der Teile
Jay-Zs neues Album ist ein Sammelsurium von abgelutschten Hip Hop Platitüden, wiederverwerteten Lyrics – eigenen und geborgten –, die nicht wie clevere Zitate sondern wie Versatzstücke absoluter Ideenlosigkeit wirken. Die Beats dazu sind zwar oft nicht die inspiriertesten, aber solide. Sauber produziert – keine Frage. Mit den richtigen Lyrics hätte man da viel rausholen können, aber leider hatte Jay-Z gerade keine dabei. Dazu wird eine Vielzahl von Gästen von Beyonce über Justin Timberlake bis zum ewig jugendlichen Pharrell Williams als Allzweckwaffe eingesetzt, die dennoch ihr Ziel verfehlt. Ja, "Magna Carta" als 16 Track starkes Album, ist tatsächlich weniger als die Summe seiner musikalischen Einzelteile. Irgendwie beruhigend: Der heilige Gral wurde auch dieses Mal nicht gefunden. Viel interessanter ist aber, dass das überhaupt nicht wichtig ist.
New Slaves oder New Sales?
2013 legte Release-technisch bereits ordentlich vor. Doch oft ging es längst nicht mehr darum, Alben zu veröffentlichen, sondern Marketing neu zu definieren, Timelines mit kleinen News-Bits zu erobern. Der "Get Lucky-Tease" wird sich nachhaltig in das kollektive Pop-Gedächtnis einbrennen. Daft Punk spukten kurz darauf als Produzenten auch auf dem nächsten großen Wurf, "Yeezus", des Jay-Z Ziehkinds Kanye West herum.
Wie in einem Kochbuch wurde langsam die Hitze erhöht. Alles fing an mit den Spekulationen um den Titel des Albums, gefolgt von der Enthüllung des in seiner Reduktion für Kanye West untypischen Artworks. Danach konnte man sich 15 Sekunden des Albums anhören, die Track-List wurde veröffentlicht, die verwendeten Samples und so weiter. Stückchen des kleinen Fingers sozusagen. Aber das Album war – trotz Leak – noch immer die ganze Hand, die alle wollten. "Yeezus" polarisierte dann auch und wurde in seinem Spektrum – progressives, avantgardistisches Meisterwerk über blasphemische Selbsthuldigung bis zu absolutem Schrott – besprochen und das war das Ende der Geschichte.
Game of Thrones
Diese Geschichte drohte gleich nochmal aufzukochen, als Jay-Z "Magna Carta" ankündigte und das nur zwei Tage vor der geplanten Release von "Yeezus". Die zwei Allusionen im Titel (die Magna Carta und der heilige Gral) wurden als dirkete Herausforderung von Wests monotheistischer Wortschöpfung "Yeezus" gewertet und kurze Zeit roch es gewaltig nach Beef. Oh ja, The Ruler’s Back, dachte man und jetzt wird abgerechnet.
Als dann der allesverändernde Samsung Spot kam und Rick Rubin, quasi direkt von Kanye’s Studio, wo er tatsächlich produzierte, auf Jay-Zs Sofa als aufhübschende Requisite landete – denn Rubin hatte in der Produktion von "Magna Carta" leider keine seiner Zauberhände angelegt – war klar, dass aus dem kollaborativen "Watch the Throne" gerade ein "Game of Thrones" der Hip Hop Elite geworden war. Aber irgendwie verpuffte auch diese Möglichkeit zum Bruderzwist im Kain und Abel-Stil: Dissen scheint in dieser Liga irgendwie gestrig zu sein.