Get Well Soon veröffentlichen am 25. August mit „The Scarlet Beast O’ Seven Heads” ein Album, das neben Roland Emmerich und Henry Darger diesmal auch Konstantin Gropper selbst zum Thema hat.
Konstantin Gropper scheint wie einer dieser modernen Antihelden der aktuellen Popmusik. Aus dem provinziellen Biberach in Baden-Württemberg stammend – einen Musiklehrer zum Vater – lässt er bald die klassische Instrumentalausbildung, sowie die Studien an der Popakademie Mannheim und in Heidelberg hinter sich und zieht sein eigenes und vor allem eigenwilliges Ding durch. Wie aus dem Nichts fängt er sich damit einen internationalen Hype ein, den der introvertierte Lyriker mit den schwarzen Haaren und der tiefen Stimme selbst nicht ganz verstehen kann. Ein bisschen wie dieser eine Typ aus Nebraska – und doch vollkommen anders.
Die Kunst von Get Well Soon ist voll von fantastischen Gleichnissen, Figuren und Zitaten, unkonventionell und unzweifelhaft konkurrenzlos. Es gab schon einen Videodreh in Lars von Triers berüchtigtem „Antichrist“-Wald, die musikalische Hinrichtung des deutschen Regisseurs Werner Herzog und düstere Weltuntergangshymnen in orchestraler Perfektion – jedoch sind dies nur eine Handvoll der Attraktionen, die Konstantin Gropper aka Get Well Soon auf seinem letzten Album „Vexations“ in seinem künstlerischen Themenpark ausgestellt hatte. Das am 25. August erscheinende und mittlerweile dritte Studioalbum „The Scarlet Beast O‘ Seven Heads“ tut diesem melancholisch-abgründigen Erlebnis keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil – es gibt neue bombastisch vertonte Geschichten, spannende Charaktere, sowie auch ein klein wenig Autobiographisches.
Woher Konstantin Gropper seine Inspiration nimmt, warum er sich nicht gerne vergleichen lässt und was sowohl Klassik, als auch Filmmusik mit all dem zu tun haben, hat er unter atmosphärischem Geschirr-Geklirre an einem bewölkten Dienstagmittag im Radiokulturhauscafé erzählt.
Das neue Album „The Scarlet Beast O‘ Seven Heads“ kommt am 24. August. Ein sehr malerischer Titel – woher kommt das?
Es hat einerseits einen Bibelbezug, also zur Apokalypse, andererseits fand ich, dass das ein sehr schöner Filmtitel wäre – oder Albumtitel. Es gibt gar nicht so viele Bezüge, aber ich fand es einfach gut.
Weil du gerade den Film erwähnt hast – das Thema Cinématographie ist sehr präsent. Warum?
Das war eigentlich schon immer ein großer Einfluss, ich hab auch zwischendurch selber sehr viel Filmmusik gemacht – deswegen hab ich quasi den einfachen Weg gewählt und mir gedacht, dass ich das noch einmal zum Thema mache. Auch in meiner Recherche dazu habe ich ein bisschen festgehalten an den Klängen, an der Ästhetik. Es gab ja auch diese französische Fernsehserie „Xanadu“, die letztes und dieses Jahr auf ARTE lief. Das war meine erste Fernseharbeit. Ich bin auch ein großer Serienfan in letzter Zeit, weil sie immer besser werden.
Welche Serien schaust du da?
So etwas wie Mad Men oder Boardwalk Empire – diese ganzen großen Produktionen. Ich finde, dass es mittlerweile ein sehr spannendes Genre ist, das Fernsehen war ja lange Zeit weg und jetzt ist es wieder da – deswegen fand ich „Xanadu“ auch sehr interessant und wollte es machen. Es ist ein sehr spannendes Projekt gewesen, sehr düster und abgründig auf eine Art, aber deshalb eben auch sehr inspirierend.
Wie lange hast du insgesamt an dem neuen Album gearbeitet?
Ich würde sagen, vier oder fünf Monate insgesamt.
Warst du mit Band im Studio?
Ich arbeite größtenteils immer alleine – ich mache das zuhause mit Kopfhörern, dabei sitze ich in meinem Kämmerchen und mache da vor mich hin. Für mich ist das auch eine Konzentrationsfrage, es ist einfach die am meisten inspirierende Atmosphäre und die beste Arbeitssituation, wenn mich keiner stört. Vielleicht ändert sich das noch einmal, aber im Moment ist es so. Die Arbeit mit der Band ist dann immer sehr kurz, die kommen dann für einen Tag ins Studio.
In einem Interview hab ich gehört, dass du von dir selber gesagt hast, dass du Pessimist aus Überzeugung bist.
Ach, das ist eher eine Selbstschutztaktik. Wenn man immer auf diese Art von etwas ausgeht, dann wird man tendenziell öfters positiv überrascht. Wobei es geht, so schlimm ist es auch wieder nicht. Es ist eine einfache Regel. Ich bin jetzt kein Fatalist, aber es ist auch eine Inspirationsquelle, dass man grundsätzlich allem gegenüber eine eher kritische Haltung einnimmt. Man kann es auch Melancholie nennen. So etwas inspiriert mich immer mehr, als ein schöner Sonnenuntergang.
Was hat es mit Henry Dargers „In the Realms Of The Unreal“ auf sich?
Ich war ganz einfach in einer Ausstellung über Henry Darger und hab mich dann ein bisschen eingelesen.
Eingelesen? Das wäre aber sehr umfangreich gewesen. (Anm.: „In The Realms Of The Unreal“ ist eine Geschichte mit über 13 000 Seiten.)
Das stimmt, aber ich weiß gar nicht, ob es das Buch überhaupt gibt, ich habe auch versucht, es zu finden, aber es gibt nur Bücher über das Buch. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das wirklich etwas ist, das man lesen kann. Wahrscheinlich ist es relativ unzusammenhängend. Es hat mich auf jeden Fall sehr fasziniert. Ich fand vor allem auch die Bilder von Henry Darger ganz toll. Da war ein Moment, da habe ich die einzelnen Ausschnitte von diesen Bildern gesehen und es war eine Art Spontaninspiration. Ich dachte mir, Wahnsinn, da muss ich irgendetwas darüber oder damit machen.
Wie funktionierst du das dann in die Musik um? Wie lässt sich da etwas darüber machen?
Wie gesagt, ich recherchiere immer viel, sehe mir Bilder an und versuche mir dann irgendetwas zusammenzubauen. Speziell bei Henry Darger dachte ich mir, dass es auf jeden Fall einen sehr amerikanischen Bezug und auch etwas sehr Kindliches haben muss. Da kam dann im Endeffekt das dabei raus („Just Like Henry Darger“). Irgendwann funktioniert die Inspiration. Inspiriert heißt ja in dem Fall nur, dass es mich nachhaltig beschäftigt und wenn das schließlich so weit geht, dass ich darüber schreiben kann, ist es natürlich umso besser.
Bei deinem letzten Album hast du viele besondere Charaktere kreiert. Du sagst auch, dass diese grundsätzlich nicht autobiographisch sind. Welche Charaktere gibt es diesmal? Kommt zum Beispiel der „Weary Head“ zurück?
Naja, es gibt eben Henry Darger zum Beispiel, einen Mann, der einen Galgen für die Bänker baut („A Gallows“), es gibt eine Figur in den Riots von London. Ich finde, sich selbst verschiedenste Charaktere auszudenken und da drum herum einen Text oder eine Geschichte zu stricken, sehr anregend. Man muss bloß einmal irgendwo anfangen. Auf diesem Album steckt auch tatsächlich weit mehr von mir selbst drinnen als auf dem letzten. Es ist viel persönlicher und ich glaube, ich singe auch viel mehr „I“ an Stellen, wo ich früher „we“, „he“ oder „she“ gesungen habe – das müsste man mal durchzählen. Aber ja, es ist nach wie vor so, dass ich verschiedene Rollen einnehme oder mir welche ausdenke. Das ist eine Art Rezept von mir.
Du redest nicht so gerne über deine Zeit an der Popakademie in Mannheim. Ich wollte dich dazu fragen, wie viel von dem, was du dort gelernt oder erlebt hast, heute noch in deiner Musik ist.
In meiner Musik ist davon gar nichts, glaube ich. Es war eher gut für das ganze Drumherum. Ich weiß jetzt, wie ein Verlag funktioniert und eine Plattenfirma, ich hab Freunde kennen gelernt, mit denen ich jetzt geschäftlich zusammenarbeite und so weiter. Für meinen musikalischen Werdegang war das aber relativ irrelevant. So ist das Studium auch gar nicht gemeint, glaube ich. Man bekommt eben das Handwerkszeug angelernt. Es wäre auch schlimm, wenn die einem einen kreativen Weg vorschlagen würden.
Du kommst aus einer sehr musikalischen Familie und bist mit klassischer Musik aufgewachsen. Kann diese heute noch viel leisten?
Es ist auf jeden Fall ein unverzichtbares Allgemeinwissen, meiner Meinung nach. Dass man sich da auch ein bisschen auskennt, finde ich extrem wichtig. Für mich sind das ohnehin die größten Kunstmomente, die je geschaffen wurden. Man kann auch nicht sagen, dass sich das irgendwann abnutzt oder nichts mehr zu sagen hat. Die aktuelle Klassik ist natürlich meistens ein bisschen unzugänglich, was man ihr aber auch nicht vorwerfen kann – das liegt in der Natur der Sache. Was mich stört, ist, wenn jemand versucht, zugängliche moderne Klassik zu machen. Das ist viel schlimmer, als dieses abstruse Zeug.
Klassik auf der einen, Pop auf der anderen Seite?
Man sagt ja immer, dass das, was heute Klassik ist, früher einmal Popmusik war, aber das stimmt so nicht ganz, weil Klassik nicht die Idee hat, irgendein Lebensgefühl zu vermitteln. Grundsätzlich denke ich, dass sie es sich einfach nicht leisten kann – wie soll ich sagen – Seelenmusik zu sein. Es ist aber wichtig, Interpretationsträger zu sein. Es war und ist für mich von großer Bedeutung, dass sich Jugendliche und jugendliche Erwachsene mit etwas in der Kunst identifizieren können, sich da irgendwie verstanden fühlen. Und das kann Pop immer schon mehr leisten als Klassik – alleine deshalb, weil er natürlich viel zugänglicher ist.
Weil du von Jugendlichen sprichst – du warst als solcher in einer Punk/Grunge-Formation à la Smashing Pumpkins. Wie hat das deine jetzige Musik beeinflusst? Oder tut es das noch?
Ja, auf jeden Fall. Ich meine, die Pumpkins sind ein ambivalentes Beispiel, die waren irgendwann eine Konzept-Band und dadurch nicht mehr so interessant, aber "Mellon Collie" war so ein Wow-Album, ein krasses Werk. Es ist ein richtiges Album mit Anfang und Ende und einer Idee und Figuren und so weiter – das ist eine Art Ideal von mir. Grundsätzlich Punk, zum Beispiel Sonic Youth und das ganze Zeug höre ich natürlich auch heute noch.
Was hast du grundsätzlich anders gemacht auf dem neuen Album?
Ich glaube, ich versuche mich immer weiter zu verbreitern – seien dies nun Instrumente oder Themen oder Klänge oder Zitate. Ich gehe nicht an ein Album heran und denke mir, ich will jetzt etwas komplett Anderes machen. Ich will mich auch nicht anwidern und ein Dubstep-Album machen. Von daher versuche ich innerhalb meines Kosmos‘ innovativ zu sein und mich nicht zu wiederholen. Von meiner Arbeitsweise her ist das neue Album nicht groß anders.
Du wirst laufend mit Charaktermusikern verglichen – Nick Cave, Conor Oberst, Tom Waits, etc. Was hältst du davon?
Es kommt darauf an. Aber ich kann es eigentlich nicht wirklich nachvollziehen – zumindest nicht bei denen, die du gerade genannt hast. Als Künstler wird man nie so gerne verglichen. Ich finde es jetzt nicht schlimm, weil das alles respektable Leute sind. Ich kann aber nur beschreiben, was mein musikalischer Ansatz ist und wenn ich mir das bei den anderen ansehe, dann sehe ich einen anderen. Ob das am Schluss vielleicht ähnlich klingen kann, ist wieder etwas anderes. Darum geht es aber auch nicht immer, sondern eher um die Frage, wie etwas zustande kommt.
Aber lässt du dich denn gerne von anderen Musikern inspirieren?
Inspirieren lasse ich mich natürlich immer und das ist es ja auch, was Get Well Soon ausmacht – dass es eine Collage aus verschiedenen Zitaten und Einflüssen ist. Bei mir sind es aber weniger aktuelle Pop-Künstler. Auf dem Album sind es Filmmusiken oder Filme, auf dem letzten Album sehr viel Klassik. Ich bin aber im Moment auch überhaupt nicht auf dem Laufenden, was Pop betrifft. Ich lese auch wenig Musikpresse. Und wenn ich eigene Alben schreibe, dann höre ich wenig andere Musik – außer eben, wenn ich gerade recherchiere.
Und was sind so deine All-Time Favourites?
Was ich immer gut finde, ist, wenn Künstler sich immer wieder neu erfinden und etwas Anderes machen. Bowie ist das beste Beispiel dafür, weil der mit jedem Album immer wieder riskiert hat, dass es nach hinten losgeht und so war es auch oft. Das ist mir lieber, als wenn jemand sagt, so, ich habe jetzt mein Ding und ziehe das auf immer und ewig durch. Das ist mir zu feige. Also, lieber mal den Karren an die Wand fahren, dann wird es eben nächstes Mal wieder etwas anderes. Auch gut.
„The Scarlet Beast O‘ Seven Heads” erscheint am 25. August via City Slang. Am 6. November 2012 sind Get Well Soon in der Arena Wien zu Gast.