Kindness dreht einer synthetisierten Popwelt den Rücken zu und montiert mit naivem Selbstverständnis und gekonnter Zurückhaltung Retrosounds und Kitsch zu selbstverlorenen Disco-Balladen.
Das Cover seines neuen Albums ziert der junge Brite Adam Bainbridge selbst. Mit langem, wallenden Glänzehaar und einem in sich gekehrten Blick ruft er Assoziationen hervor, die zwischen Hippie und Hipster, zwischen Mannequin und Manierismus schwelgen. Künstlerisch und inszeniert wirkt das, obwohl er Inszenierungen doch angeblich ablehnt. Nichts sollte doch gekünstelt wirken, das Augenmerk nicht am Künstler liegen, sondern auf der Musik allein. Kindness versteht sich darauf, mit Widersprüchen zu spielen und innerhalb seiner Musik zu verschwinden. Er fordert mit seinem Albumtitel eine gedankliche Umwälzung.
Die Songs auf »World, You Need A Change Of Mind« glänzen demnach vor beflügeltem Understatement und übertriebener Andersartigkeit zugleich, leben von Gegensätzen und deren Anziehung und orientieren sich musikalisch merklich am außerordentlichen Pop-Produkt Prince, an Helden der 80er und 90er, wollen aber keinesfalls darauf reduziert werden. Die Songs verweben sexy Gitarrensounds und funkige Bässe, Retro-Drums und wabernde Gitarren mit souligem Gesang und fühlen sich auch, wie etwa »Bombastic«, in jazzigen Territorien wohl. Trotzdem klingt Kindness nicht, als ob er Altem hinterherlaufen würde. Ganz im Gegenteil: Das entstehende Konglomerat aus dezidiertem R’n’B und Funk speist sich aus einem tiefgreifendem Popverständnis, das seinem Sound zu neuartigen Wendungen verhilft und das Hörverständnis manipuliert. Einmal mehr: Retromania, aber wie schon bei Destroyer, Ariel Pink oder Oneohtrix Point Never … im sehr, sehr Guten.
Anyone Can Fall In Love … With This
Um sein musikalisches Konzept zu verwirklichen sucht Adam, der zurzeit in Berlin lebt, nach einem Co-Produzenten, der auf keinen Fall britisch klingen soll. Mit Cassius Philippe Zdar, der bereits mit Phoenix, The Rapture, aber auch Kanye West und den Beastie Boys zusammengearbeitet hat, wird er fündig. Die Songs erhalten einen Touch von Disco, geraten in das weite Umfeld von Hercules And Love Affair. Alles fließt und wird zum entspannten Dancefloor gepeitscht, musikalische Referenzen werden zerstückelt, zerlegt und montageartig zusammengeführt. Herausstechend sind dabei zwei Coverversionen, die mit ihrer Umsichtigkeit und einem grandiosen Selbstverständnis verzaubern. Einerseits »Anyone Can Fall In Love«, ursprünglich von Anita Dobson – ein eher belangloser Song im Original –, der zu einer Oldschool R’n’B-Nummer umgebaut wird und klingt, also ob er nie etwas anderes gewesen wäre. Andererseits »Swingin’ Party«, ein Replacements-Cover, das bereits 2009 als Single auf Moshi Moshi erschienen ist. Kindness zerlegt den Song zunächst bis zur Unkenntlichkeit und reduziert ihn auf das Wesentliche, um einen sich ständig wiederholenden Beat, zarte Melodien und diffuse, mehrstimmige Vocals zu platzieren, denen man sich schwer entziehen kann. Stimmlich kommt er zwar an seine Vorbilder nicht heran, doch löst sich aufgrund von berauschenden Harmoniefolgen, wunderbar durchdringenden wie zurückhaltenden Synthlines dieses Problem im Nichts auf. Man könnte Kindness sogar Kitsch vorwerfen, so sehr lösen sich die Stimmungen in erschöpftes Wohlgefallen auf, doch entschlüsseln die Songs genau durch diese Qualität das Geheimnis des großen Pop.
»World, You Need A Change Of Mind« von Kindness erscheint am 20. April via Female Energy / Cooperative Music.