Eröffnungstage auf der 54. Internationalen Kunstausstellung, der Biennale in Venedig: Der Österreich-Pavillon.
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In seiner Arbeit für den Österreichischen Pavillon wolle er Pathos und Ironie verbinden, meinte Markus Schinwald (Coverstory The Gap #116) auf der Pressekonferenz. Für Eva Schlegel, der diesjährigen Kommissärin, repräsentierte schon der Modellvorschlag vom Künstler genau das, was sie sich für den Biennale-Pavillon wünschte.
Mit großem Aufwand wurde von einer statisch notwenigen Zwischenkonstruktion das 14 Tonnen schwere Ganglabyrinth aus weiß verkleideten Alu-Verbundrahmen von der Decke abgehängt. Es galt den Wind- und Wetterbedingungen in Venedig zu trotzen. Die durch die nur sechs-wöchige Bauzeit bedingten Ungenauigkeiten des 1934 erreichten Hoffmann-Pavillon erschwerten die Installation des sehr präzisen Raumsystems. Den neutralen Präsentationsflächen eines White Cube nachempfunden, bestimmt es jedoch wesentlich den gesamten Raumeindruck. Jedoch verliert man völlig das Gefühl für die ursprünglichen Dimensionen des Gebäudes.
Es gilt aufmerksam zu bleiben. Subtil wird der Blick von der Architektur gelenkt. So verblendet Schinwald sowohl das hohe Eingangstor sowie auch den ebenso hohen Ausgang in den Hinterhof. Nur ein schmaler Spalt lässt die ursprünglichen Dimensionen erkennen. Anstatt nach oben zu schauen, schweift der Blick den schwarzen Steinboden entlang, orientiert sich an zahlreichen schreitenden Beinen, deren Schritte sich kreuzen. Auf Hüfthöhe endet das Korridorsystem und ermöglicht sowohl Beinfreiheit, als auch einen freien Blick auf die Bodenfläche des Gebäudes. Zu den frei beweglichen Beinen gesellen sich Köpfe und Körper der von Schinwald angekauften Gemälde aus dem späten 19., frühen 20. Jahrhundert. Gezielt ausgesucht, restauriert und von Schinwald übermalt, trifft man immer wieder auf eines, der insgesamt acht, auf Augenhöhe gehängten Bilder.
Manchmal begegnet man ihnen unmittelbar, manchmal findet man sie suchend, so wie bei „Nell“, am Ende einer Sackgasse. Oder es geben Nischen Schutz. Mit ihren Prothesen, die sie nach Lust und Laune auch wieder abnehmen könnten und der individuellen Namensgebung, wie „Cyril“, „Winston“, „Fanny“, „Marion“, „Abigail“, „Gallagher“, „Jancica“, gibt der Künstler ihnen etwas Besonderes. Und versucht damit, den Eigenschaften ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. So kann eine eingehende Betrachtung zu einer intimen Begegnung werden.
Ganz oben in luftiger Höhe umgeben von den Schattenspielen, die durch das natürliche Licht der durchgehenden Fensterreihen am oberen Rand des Pavillons erzeugt werden, tummeln sich von Tischplatten und Sitzflächen befreite Holzbeine. Einmal losgelöst scheinen sie sich immer wieder beliebig formieren zu wollen. Wie Spinnenwesen oder Freerunner zwängen sich in Spalten, hängen sich an Rohre, kriechen Ecken empor oder bewachen Durchgänge.
In den hinteren Bereichen link und rechts wird benachbart zum Ausgang in den Hinterhof die neue Videoarbeit „Orient“ aufgeteilt auf beide Bereiche gezeigt. In jeweils viereinhalb Minuten, können die Protagonisten dabei beobachtet werden, wie sie unmotivierte Handlungen verrichten. Sie befinden sich alle im gleichen Gebäude, einem Ort der seinen eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllt und schon vom Verfall gekennzeichnet ist. So versucht sich ein Mann steppend von einem Kabelsalat zu befreien, ein anderer zwängt sich mit den Beinen in einen Längsspalt. In dieser Mischung aus sinnlosem Verhalten und gleichzeitiger Virtuosität der Ausführung, kreieren sie eine Welt der Möglichkeiten, die auch das Davon-Schweben einer Frau beinhaltet. Wie durch eine Ritze blickend, hat man das Gefühl, immer nur einen Bruchteil des Geschehens erhaschen zu können. Explizit von Schinwald betont übernimmt die Filmmusik im Vergleich zu früheren Arbeiten hier eine wichtigere Rolle. Sie bringt uns an Orte, die jenseits des Wahrnehmbaren liegen. Der Klangteppich aus Orgelmelodie, Glockentönen und Stimmen trägt uns weiter fort.
Biennale Venedig
4. Juni – 27. November 2011