„Meine Orgel steht im Backstage“ – Nils Frahm im Wiener Konzerthaus

Nils Frahm spielte gestern – endlich – solo in Wien vor ausverkauftem Konzerthaus. Wie schon bei den restlichen Konzerten der »All Melodys« Tour brachte er gefühlt ein gesamtes Studio mit und erklärte zwischen den Tracks bereitwillig in scheinbar bester Laune, was hinter dem Aufbau steckt.

Ende Januar erschien Nils Frahms bereits siebtes Konzeptalbum, an dem er die letzten zwei Jahre in einem Studio im Funkhaus Berlin gearbeitet hat. Dieses neue Album stand auch im Fokus des Konzertabends, der sich vor allem durch seine Dynamik auszeichnete. Da arbeitete jemand auf der Bühne, wechselte ständig zwischen dem Aufbau aus Klavier, Flügel, Orgel und den zahlreichen Synthesizern, da bewegte sich was. Nils Frahm weiß zweifellos nicht nur zu komponieren, er versteht es auch, sich und seine Musik zu verkaufen und das Publikum zu unterhalten.

Wer klassische zwei Stunden Pianomusik erwartet hatte, wurde von den Zwischengesprächen wohl überrascht. Da steht jemand auf der Bühne, der durchdachte, mal tiefgehende und mal fast surreal und angenehm unperfekt wirkende Klangkonstrukte erschafft und zwischendurch leichtfüßig mit dem Publikum scherzt, das ein oder andere Instrument erklärt. »Ich habe viel zu viele Instrumente mitgebracht. Dabei steht meine Orgel gar nicht hier, die steht im Backstage, weil sie leider viel leiser ist«, erklärt er, um wenig später humorvolle Einblicke in seine Kompositionen zu geben. Das Wiener Konzerthaus bietet mit klassischem Flair wohl auch den perfekten Rahmen für Frahms musikalische Darbietung, die perfekte Bühne für sein Setting, die Instrumente, die dezente, aber wirkungsvolle Lichtshow. Die Chemie zwischen Publikum und Künstler scheint zu stimmen und das, obwohl Frahm früher davon überzeugt war, die Österreicher würden ihn nicht mögen. Nach seinem dritten – und ausverkauften – Konzert im Wiener Konzerthaus sollten diese Zweifel wie weggeblasen sein. Das diverse Publikum vom Konzerthaus-Abo-Besucher bis zum Clubgänger nahm ihn herzlich auf, verabschiedete ihn stehend, nach knapp zwei Stunden Sitz-Konzert, bei dem der ein oder andere wohl zuvor schon gerne aufgesprungen wäre. Zeitgenössische Klassik, ganz populär.

Nils Frahm spielte am 30. April im Rahmen seine »All Melody«-Tour im Wiener Konzerthaus.

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