Nach zahlreichen EPs erscheint morgen endlich Cid Rims erstes Album »Material«. Clemens Bacher über musikalische Einflüsse, die Affine-Familie und warum seine Tracks letztendlich doch immer eine positive Grundstimmung haben.
Du hast schon eine Menge releast, jetzt erscheint – endlich – das erste Album. Inwiefern unterscheidet sich ein Longplayer im Produktionsprozess?
Der Produktionsfluss unterscheidet sich eigentlich nicht wirklich, es geht eher um das Mindset. Es ist ein Unterschied, ob man sich vier Nummern überlegt, die zusammenpassen, oder eben eine Full-Length-Platte. Ein Album ist für mich immer noch das wichtigste Format, bei dem man genau das zeigen kann, was man musikalisch drauf hat, und es ist auch gewissermaßen ein persönliches Statement.
Inwiefern ist das dann tatsächlich ein Aufs-Album-Hinproduzieren?
Das war schon eher eine Punktlandung. Im Endeffekt ist das Album von vorne bis hinten durchgeschrieben. Am Ende muss man natürlich herumjonglieren, was wo hinpasst, und sich eine Tracklist überlegen. Aber grundsätzlich war das ein sehr straighter Prozess. Ich wollte alles, was mich momentan musikalisch beschäftigt hineinbringen: von weirden, überladenen 70er-Jahre-Psychedelic-Rock-Einflüssen bis hin zu komplizierten Avantgarde-Jazz-Sachen bis hin zu Clubmusik, Hip-Hop, Ambient, … Ich wollte nichts vergessen, was mir wichtig ist.
Die Platte wurde ja via Lucky Me releast, warum nicht doch via Affine Records?
Nach der ersten EP bei Lucky Me war relativ klar, dass das das Label ist, bei dem ich die großen Releases raushauen werde, ohne dabei die Affine-Homebase zu verlassen. Affine ist ja auch ein Group-Effort und ein Freundschaftsprojekt. Wir machen immer wieder gemeinsam etwas. Die beiden stehen sich aber gegenseitig nicht im Weg, ganz im Gegenteil, es gibt eine enge Zusammenarbeit. Ich habe im Endeffekt viele Leute aus dem Lucky-Me-Umfeld vorher schon gekannt. Das größte Sound-Markenzeichen von Lucky Me ist dieses kleine Mädchen, dass »Lucky Me Family« haucht – und das stimmt auch. Das Label ist zwar international tätig, aber vom Vibe vergleichbar mit Affine.
Wie eng ist die Zusammenarbeit bei Affine? Wieviel Feedback gebt ihr euch gegenseitig?
Das ist schon sehr intensiv, wir hängen viel gemeinsam ab und sind alle Haberer. Wenn wir neue Musik machen, spielen wir uns die natürlich gegenseitig vor, und Feedback von Leuten, deren Musikgeschmack man genau kennt und die man persönlich gut kennt, kann man natürlich viel leichter dechiffrieren. Musik mit Worten zu beschreiben ist gar nicht so leicht … Das was vibey oder wavey für den einen ist, kann für den anderen die ärgste Trance-Nummer sein. Je besser man sich kennt, desto mehr kann man mit Feedback anfangen. Es geht aber eher um Feedback zu fertigen Nummern, das einen gewissen Einfluss hat, aber keinen riesigen. Viel mehr Einfluss hat die gemeinsame Teenager-Vergangenheit. Wir haben uns jahrelang gegenseitig Platten vorgespielt und uns gegenseitig musikalisch inspiriert.
Wie wichtig ist dir Feedback vom Publikum? Ich kann mich an die Vice-Party erinnern, bei der du aufgelegt hast und bei der vielleicht fünf Menschen am Dancefloor waren, du aber echt motiviert dein Set durchgezogen hast …
(lacht) Obwohl nur eine Handvoll Leute da waren, war es in dem konkreten Fall wirklich cool, weil ich gerade in der Zeit davor irrsinnig viele neue flashige Nummern entdeckt habe. Von irgendwelchen total überproduzierten Nina-Las-Vegas-Records-Tracks bis zu kubanischem Prog-Rock. Beim DJ-Set sollte es einfach darum gehen, dass man die Nummern auch selbst richtig gut findet, denn das strahlt man aus. Wenn nicht fünf sondern 500 Leute da gewesen wären, wäre es wahrscheinlich voll abgegangen. Aber ich finde, es ist sowieso voll abgegangen, weil die Leute, die da waren, haben es total gefeiert. Es kommt oft nicht so darauf an, wieviele Leute vor dir stehen, sondern wie der Vibe ist. Für den DJ ist es natürlich eine Einstellungssache: Wenn man unvorbereitet Nummern spielt, die man selbst nicht mehr hören kann, wird man wahrscheinlich nie Spaß haben bei einem Set.
Du machst ja auch sehr viele Remixes und auch sehr erfolgreiche. Was ist der Reiz dran? Und vor allem: Wirst du dein Album auch jemandem überlassen?
Die zweite Frage ist extrem interessant, weil ich mir das ehrlich gesagt bis jetzt noch gar nicht überlegt habe. Es gab auch noch kein Gespräch mit dem Label, ob wir Remixe machen oder eine Remix-EP nachknallen (lacht).
Sag mir Bescheid!
Genau, du kriegst Credits dann (lacht). Zur ersten Frage: Ein Freund von mir hat mich vor ein paar Jahren angerufen und gefragt, ob ich einen Remix von einem Waxos-Track machen möchte. Die Platte ist dann im Endeffekt nie rausgekommen, aber das war ein Feature mit Frank Nitty von Frank n Dank aus Detroit. Ich habe zugesagt und gleich am ersten Tag ist so ein Club-Hip-Hop-Synth-Banger entstanden, der mir ziemlich getaugt hat. Ziemlich kurz danach kam der Chvrches-Remix und das hat auch gleich innerhalb von ein paar Tagen echt gut funktioniert. Ich verwende immer nur die Vocals und wenn eine gute Vocal-Hook da ist, dann fällt mir das eigentlich extrem leicht. Mit so einer Mini-Vorgabe kann man Dinge sehr gut reharmonisieren, also eine Melodielinie mit völlig anderen, so weit wie möglich entfernten anderen Vokalen versehen, so dass die Melodielinie aber immer noch Sinn macht. Reharmonisieren war eigentlich immer schon ein Hobby von mir (lacht). Und der Chvrches-Remix ist dann eben doch sehr durch die Decke gegangen …
Hast du das erwartet?
Nein, überhaupt nicht. Chvrches war eine abseits von Glasgow mehr oder weniger unbekannte schottische Elektro-Pop-Band mit einem einzigen Soundcloud-Hit, der dann über eine Million Views hatte. Remix und Track haben sich gegenseitig extrem hochgeschaukelt. Danach sind dann viele Remix-Anfragen von Major Labels reingekommen. Und nachdem mir das sehr leicht von der Hand geht, habe ich da zu fast allen ja gesagt. Das wird fast ein bisschen gefährlich, wenn man danach draufkommt: Ich habe in diesem Jahr zehn Remixes gemacht, ich hätte eigentlich gleich ein Album produzieren können (lacht). Aber ja, mir macht das Spaß.
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