Meuterei neu: Akt der Gehorsamsverweigerung

Im letzten Jahr feierte Meuterei fünfjähriges Jubiläum – jetzt ist es Zeit für Veränderung. Veranstalter Nick Jacobs hat mit uns über das neue Konzept, räumliche Veränderungen und die Wiener Clubszene gesprochen.

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© Josip Jukic-Sunaric

Die Forelle soll sich für Meuterei verändern … Wieso glaubst du, ist das nötig und was darf man sich erwarten? Wie stark wird dieser Eingriff sein, wie bereitet ihr das vor?

Mittlerweile bin ich kein Fan von Dekoration oder sonstigen kosmetischen Änderungen, die auf eine gewisse Art und Weise Show-Entertainment ausstrahlen, das gehört meiner Meinung nach nicht in einen Techno Club. Ich finde es dennoch wichtig, sich ab und an von anderen Veranstaltungen zu differenzieren um Vorort den Gästen Abwechslung zu bieten. Immerhin kommen manche Clubgeher zwei bis drei Mal im Monat vorbei, da sollte man schon auch mal was Neues ausprobieren. Nach fünf Jahren hat man doch schon einiges versucht und ein gewisses Gefühl für die Szene entwickelt. Wichtig war mir beim neuen Konzept, der ursprünglichen Bewegung von Techno treu zu bleiben. Nach dem Sturz der Berliner Mauer gab es ja auch nichts weiter als eine Menge an leerstehenden Gebäuden und die Leute hatten zum größten Teil kein Geld. Alles was man brauchte war das richtige Mindset und der richtige Sound. Genau an diesen Minimalismus möchte ich anknüpfen – kein Schnickschnack, der Fokus wird auf das Wesentliche gesetzt:

Der Mainfloor wird räumlich vom Bar-Bereich getrennt und wird dadurch dunkler und intimer. Die Lichtanlage wird auch nur sehr minimalistisch eingesetzt. Dazu ein paar Visuals, viel Nebel und das geliebte Stroboskop: Ideal um sich vom Ballast des Alltags zu befreien und sich fallen zu lassen. Wer auf der Suche nach einem Hände-in-die-Höhe-Sound, einer plumpen Aufriss-Gelegenheiten oder netzwerken auf der Tanzfläche ist, wird sich bei uns nicht besonders wohl fühlen.

Musikalisch gesehen bleibt Meuterei ja in der selben Richtung, mit Regal hast du jetzt auch nicht unbedingt den unbekanntesten DJ gebucht, dafür, dass es auch um Entkommerzialisierung geht … Wie wählst du da künftig aus, was verändert sich?

Also in die selbe Richtung würde ich nicht zwingend sagen. Es stimmt natürlich, dass die Meuterei seit der Gründung technoid bucht. Seit ungefähr drei Jahren bewegen wir uns aber immer mehr in eine reifere, anspruchsvollere und weniger kommerzielle Richtung. Wir suchen DJs nicht profitorientiert oder abhängig von Trends aus. Das Wichtigste ist, dass der gespielte Style zu uns passt. Neben den Bookings soll sich auch die Kommunikation nach außen verändern. Eine Veranstaltung besteht ja nicht nur aus einem Headliner, es sollte auch eine Message transportiert werden. Genau daran arbeiten wir gerade. Mittlerweile lege ich selbst seit sechs Jahren auf und entwickle mich stetig weiter. Diese Entwicklung spiegelt sich in den Bookings und der Art der Aufmachung der Meuterei wieder.

Nick Jacobs ist seit Jahren als Veranstalter der Meuterei und als Booker im Sass aktiv.

Es gab in den letzten Jahren sehr viele große Namen, bei denen man zumindest annehmen kann, dass sie schweineteuer waren. Ist der Weg weg von »in your face-Headlinern« gewissermaßen auch ein Stück weit erzwungen durch die immer höheren Preise?

Die ersten Jahre haben wir tatsächlich keine Kosten gescheut. Damals war die Clublandschaft in Wien, das Publikum und auch die Geschäftsführung der Grellen Forelle großteils anders. Ich hatte es mittlerweile schon mit immerhin vier Geschäftsführern zu tun. Es wurde Gewinn gemacht, aber tatsächlich auch öfters Verlust. Damals haben wir oft entschieden »Sure Shot«-Acts zu buchen, bei denen man weiß, dass nichts schief gehen kann. Der neue Gedanke der »neuen« Meuterei  ( Anm. Akt der Gehorsamsverweigerung) liegt aber fernab von »Nummer Sicher Bookings« und persönlicher Bereicherung. Teure Acts zu buchen, bei denen man schon im Vorfeld davon  ausgehen kann, dass sie die Hütte füllen ist meiner Meinung nach keine große Kunst. Man unterstützt damit lediglich eine kleine Elite der Branche, die sich zwar als „Underground“ bezeichnet aber sich in der Business Class einfliegen lässt. Diese Acts zahlen sich kaufmännisch gesehen aus, aber ob es unserer Szene – egal ob hier in Wien oder der international gesehen – etwas bringt, ist ein anderes Thema, über das schon mehrmals diskutiert wurde. Mein Anspruch ist es, relevante sozialkritische Themen aufzugreifen, zum Nachdenken anzuregen und damit den Grundgedanken der Bewegung wieder in den Vordergrund zu rücken. Aus diesem Grund werben wir nicht großartig mit dem Act, sondern verpacken unsere Message in ästhetisch ansprechenden Content.

Wir wollen den Gästen einen leistbaren Eintrittspreis und ein Cluberlebnis mit anspruchsvollen DJs abseits des Mainstreams anbieten. Im Vordergrund steht auch hier ganz klar die Leidenschaft für die Musik.

Wenn du dir deine Gäste aussuchen könntest und sie beschreiben würdest, dann wären das…

Musikaffine Menschen jeglicher Nation und Sexualität, die die Arbeit hinter Musikproduktion, DJ Handwerk und Clubkultur respektieren und schätzen. Menschen, die unsere Werte vertreten und sich an die paar wenigen Regeln des Clubs halten.

Toleranz wird bei uns groß geschrieben, für Diskriminierung sollte kein Platz sein. Wir schreiben keinem vor, das man sich gegenseitig lieben soll, aber ein vernünftig-höflicher Umgang muss sein.

Die Entkommerzialisierung betrifft ja beispielsweise auch elendige Facebook-Gewinnspiele, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie schwierig ist es aktuell, als Veranstalter die eigenen Events zu promoten? Wie viel Geld fließt in soziale Medien zur Bewerbung?

Wir haben zumindest in Wien damit angefangen und es hat auch zu der damaligen Zeit gepasst. Man hat halt gemerkt, dass sich damit gut Reichweite generieren lässt, was wiederum zur damaligen Marketingstrategie gepasst hat. Ich habe mich jedoch entschlossen die Meuterei komplett davon loszulösen. Ich bin der Meinung, dass man mit gutem Content und den richtigen Kanälen Gäste langfristiger und auf einer emotionaleren Ebene an eine Veranstaltungsreihe heranführen kann. Gewinnspiele, Zusagen-Listen und irgendwelche anstrengenden Handlungsanweisungen sind dafür meiner Meinung nach nicht notwendig. Dabei versucht man Menschen mit freiem Eintritt oder Ermäßigungen zu ködern. Mir geht es um Wertschätzung. Wenn Gäste kommen, die dafür zahlen wollen, habe ich eine ganz andere Qualität am Dancefloor. Ich vergleiche das ganze Social Media Theater jetzt mal mit einfachen Effekten beim Auflegen: ein fauler Weg Energie in seinen Mix zu bringen, aber bestimmt kein gutes Handwerk.

Persönlich finde ich es nicht schwierig ein Event zu promoten, alles lebt und stirbt mit relevanten Inhalten und gutem Storytelling. Heutzutage hat man verdammt viele Werkzeuge um seine Inhalte zu promoten. Ohne Geld und Zeit, die man in die Content Kreation steckt geht klarer Weise nichts.


Laut Konzept will Meuterei Wertvorstellungen hinterfragen, wie intensiv ist das geplant? Im Club geben sich die meisten Menschen dann ja doch eher dem Hedonismus hin …  

Um diese Frage zu beantworten muss ich etwas weiter ausholen. Wie bereits auch schon vorhin erwähnt steht Meuterei für einen Akt der Rebellion. Dieser Akt der Gehorsamsverweigerung ist in unserem Fall das Hinterfragen von Wertvorstellungen, die uns die Gesellschaft vorgibt. Techno war ja schon immer in gewisser Weise ein Zufluchtsort für Freigeister, an dem Menschen unabhängig von Rasse, Geschlecht oder sexueller Orientierung bedingungslos akzeptiert werden. Wir wollen diese Menschen nicht gezwungenermaßen davon abhalten, sich dem Hedonismus hinzugeben, sondern vielmehr einen Zufluchtsort schaffen, um sich vom Ballast des Alltags zu befreien. Es wird in dieser Saison sieben Veranstaltungen geben und jede behandelt ein bestimmtes sozialkritisches Thema welche sich in Bild und Text spiegelt. Wir wollen mit unserer Veranstaltung bewusst Randgruppen ansprechen und auch Tabuthemen thematisieren.

Hierbei haben wir nicht mit Stockimages oder Textvorlagen gearbeitet sondern selbst Hand angelegt: Angefangen von der Konzeption, über die Textierung bis hin zur Fotografie kommt alles aus unserer Feder. Von der Venue, über das Booking bis hin zur Ästehtik versuchen wir einen roten Faden zu verfolgen und einen künstlerischen Aspekt mit einfließen zu lassen.

Wie schätzt du die Clubszene aktuell ein und wie schwierig ist es, in Wien zu veranstalten und dabei halbwegs mit Null auszusteigen?

Ich beschäftige mich nicht zu sehr damit, was genau irgendwo passiert. Als Booker im Sass habe ich natürlich einen Überblick, aber ich versuche bei meiner Arbeit weder bei der Meuterei noch im Sass irgendwelchen Trends nachzulaufen. Im Endeffekt muss man Inhalte schaffen und zu diesen stehen. Natürlich ist es wichtig stetig in Bewegung zu bleiben und sich zu verbessern.

 Mit dem Sub und Horst sind ja gerade zwei Venues dazugekommen. Du bist mit Meuterei in der Forelle und im Sass als Booker beschäftigt… Wäre einer der neuen Clubs auch für eine Veranstaltung von dir interessant?

Das Sass ist mein Arbeitsplatz und mein zweites Wohnzimmer. Dort bin ich für die Programmgestaltung mitverantwortlich und koordiniere um die 200 Events pro Jahr, da bleibt nicht viel zeit übrig für andere Venues. Die Meuterei ist über die Jahre zum Herzensprojekt geworden, bei dem ich meine persönlichen Vorstellungen von Club voll und ganz  verwirklichen kann. Mit dem Sass und der Grellen Forelle habe ich zwei Partner gefunden, hinter denen ich persönlich stehen kann und ich persönlich auch sehr gut kann. Ich weiß wer dort arbeitet und wer finanziell mit drin hängt. Beide Clubs werden von ihren Gesellschafter maßgeblich mitgeführt und beeinflusst. Klarerweise leben auch Leute vom Club, aber dahinter ist keine riesige Maschinerie bei der es ums große Geld oder ein Upgrade eines Firmenportfolios geht.

Meuterei x Akt der Gehorsamsverweigerung findet am 20. Oktober in der Grellen Forelle statt. Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung.

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